Interview | Beatsteaks - "Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn man ein Kreuz bei der falschen Partei macht"

Mi 19.06.24 | 17:46 Uhr
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Archivbild: Die deutsche alternative / punkrock band beatsteaks auf der bluestage des highfield festivals 2023. (Quelle: imago images/Grube)
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Bild: imago images/Grube

Die Beatsteaks sind nach jahrelanger Pause zurück - und spielen gerade in ostdeutschen Jugendzentren. Was es mit dem ungewöhnlichen Tourauftakt auf sich hat, und warum die Band fast zerbrochen wäre, erzählen Bassist Torsten Scholz und Gitarrist Bernd Kurtzke.

rbb: Herr Scholz, Herr Kurtzke, als Bandmitglieder der Beatsteaks haben Sie jahrelang auf großen Bühnen gestanden. Nun treten Sie aktuell in kleinen, linken Jugendzentren auf. Warum machen Sie das?

Bernd Kurtzke: Da kommen mehrere Sachen zusammen. Wir spielen Ende Juni in der Wuhlheide. Wir brauchen immer Konzerte davor, damit wir uns dahin spielen können, damit dann nichts schiefgeht. Zum anderen war es auch immer ein Traum von uns, in alternativen Jugendzentren zu spielen. Da kommen wir eigentlich her. Das haben wir ganz früher gemacht, als wir angefangen haben. Da sind wir jetzt wieder, und das macht total Spaß. Und drittens natürlich: Diese Jugendzentren brauchen gerade jede Unterstützung, weil sie ständig im Kreuzfeuer stehen.

Albumcover - neues Beatsteaks Album "PLEASE". (Quelle: rbb)
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Das neue Beatsteaks-Album "Please" erscheint am 28.06.24. Bis dahin tritt die Band in linken Jugendzentren auf. Am 28.06. & 29.06. spielen die Beatsteaks Konzerte in der Wuhlheide.

Warum sehen Sie diese AJZ – die autonomen oder alternativen Jugendzentren – als besonders schützenswert an?

Bernd Kurtzke: Die machen es halt eigenverantwortlich und haben keine Unterstützung vom Staat. Oftmals sind sie in den Gegenden die einzige Möglichkeit für Jugendliche überhaupt irgendwas mit ihrer Freizeit zu machen.

Torsten Scholz: Die Kids können nur an die Bushaltestelle gehen, Spuckesee machen, indem sie sich vor die Füße rotzen und Langeweile haben. Oder sie gehen ins Einkaufszentrum, lungern herum. Das ist ein bisschen das Problem. Also, wo wir jetzt gerade hier sind – in Hellersdorf - das ist ja alles nicht schlimm. Du wohnst im Grünen, es gibt hier normale Häuser und Wohnungen. Aber für die Jugendlichen gibt's halt nix. Und diese Jugendzentren, die sind halt relativ barrierefrei. Da dürfen alle hin – außer Nazis.

Die Tour durch die AJZ geht vor allem durch die östlichen Bundesländer, wo auch viele Ihrer Bandmitglieder herkommen. Besonders hier im Osten ist der politische Rechtsruck deutlich zu spüren...

Bernd Kurtzke: Ich komme aus Ostberlin, die deutsch-deutsche Grenze war einfach nebenan. Und in Dresden war das nicht so. Das ist genau der Punkt. Die Leute da haben eher nicht die Möglichkeit gehabt, einen Kontakt herzustellen, und das hat sich dann durchgezogen bis nach dem Mauerfall. Da kann ich schon verstehen, dass sich viele auf irgendeine Art nicht verstanden und abgehängt fühlen, perspektivlos sind. All das kann ich nachvollziehen. Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn man ein Kreuz bei der falschen Partei macht. Es gibt mehr als nur eine Möglichkeit, seinen Protest zu äußern und vielleicht mal proaktiv was zu machen. Man sollte nicht irgendeiner Partei hinterherrennen, die es ganz sicher nicht gut mit den Menschen meint.

Torsten Scholz: Es gibt immer noch autonome, alternative Jugendzentren, wo man einfach sagt: 'Ich meckere nicht bloß rum und zeige mit dem Finger auf die nächst Schwächeren, sondern ich mach jetzt irgendwas.' Jeder kann irgendwas machen. Und deswegen auch diese Aktion mit den Konzerten in den AJZ, und deswegen auch hauptsächlich in der ehemaligen DDR.

Beatsteaks im Gespräch mit rbbKultur. (Quelle: rbb)Beatsteaks-Urgesteine: Bassist Torsten Scholz und Gitarrist Bernd Kurtzke

Ihr neues Album heißt “Please”. Auf dem Cover sieht man ein Stoppschild, auf dem der Titel steht. Was hat es damit auf sich?

Bernd Kurtzke: Also der Titel kam aus der Band und die Idee für ein Stoppschild kam von dem Grafiker. Und das hat so gut gepasst, weil es so viel Raum lässt für eigene Interpretationen. Wir sehen es so: Stoppt mal ganz kurz, please, bitte denkt mal kurz nach. Das ist die Message.

"Please" ist das erste Album nach einer längeren Pause. Was ist in der Zwischenzeit passiert?

Torsten Scholz: Wir waren 20 Jahre lang in einem Hamsterrad. Du machst eine Platte, dann bist du auf Tour. Dann machst du wieder eine Platte. Das hat irgendwie relativ lange funktioniert, wir wurden erfolgreicher und größer. Da hast du eh keine Zeit, über irgendwelche Unzulänglichkeiten nachzudenken.

Also mit Handpuppen erklärt: Am Ende führt jedes Bandmitglied eine ernsthafte Beziehung mit vier anderen Personen, mit den anderen aus der Band. Und jeder von uns weiß, wie sich eine Beziehung anfühlt, die man zu Hause mit nur einer Person führt. Man muss da viel Arbeit investieren, viel reden und sich zuhören. Das haben wir ganz lange nicht gemacht, weil keine Zeit war, weil wir keine Lust hatten, weil wir Besseres zu tun hatten.

Irgendwann kam aus der Band heraus die Idee, dass wir miteinander reden müssen. Also haben wir eine Mediation gemacht. Und siehe da, es hat funktioniert! Wir haben wieder angefangen, uns zuzuhören.

Hatten Sie zwischenzeitlich Angst, dass sich die Band auflöst?

Bernd Kurtzke: Ich war an einem Punkt, wo ich mir überlegt habe: 'Was kannst du eigentlich sonst noch so?' So wie es damals war, war mir klar, dass ich da nicht mehr lange Lust drauf habe.
Aber Gott sei Dank haben wir diese Mediation gemacht. So haben wir uns als Menschen neu kennen- und respektieren gelernt.

Torsten Scholz: Ich habe zwischendurch schon gedacht: Okay, könnte jetzt bei Rewe Regale auffüllen. Wir haben dann auch alle ein bisschen eigene Musik gemacht. Aber mal ehrlich, wir machen das jetzt schon so lange, es wäre echt ein bisschen schade, wenn man das nicht irgendwie wieder zusammen macht. Und glücklicherweise funktioniert es gerade wieder sehr gut.

Ist das neue Album auch eine Reflexion dieser Zeit, die Sie als Band hinter sich haben?

Bernd Kurtzke: Jede Platte ist eine Reflexion dessen, was man die Jahre davor erlebt hat. Und in diesem speziellen Fall natürlich auch. Bei dem Album merkt man, dass jeder jeden irgendwie hat machen lassen, man hört der Platte den Spaß an, den wir miteinander hatten. Und das ist ganz toll.

Danke für das Gepräch!

Das Interview führte Lilli Klinger für rbbKultur – das Magazin.

Sendung: rbbKultur – das Magazin, 08.06.24, 18:30 Uhr

42 Kommentare

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  1. 41.
    Antwort auf [Ansgar] vom 20.06.2024 um 17:02

    Die sog. Geschlossenheit bröckelt doch schon länger ! Da helfen auch keine Aufrufe, Kampagnen u.ä. wie man sieht ! Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, warum eigentlich ? Das sind ja nicht alles Blinde, die sich gegen die " gute Politik " an der Wahlurne aussprechen.

  2. 40.

    Es steht jedem zu, eine Band oder Gruppe zu kritisieren. Bei mir gibt es auch keine politische Einflussnahme a la Rod Steward oder Grönemeier mehr. Ich geh da nicht mehr hin und ich glaube schon das sich viele Bands ihre Besucherzahlen genau anschauen werden. Ist schließlich ihre Einnahme die da wegbricht.

  3. 39.

    Ihre Entscheidung ist die einzig richtige ! Diesem Chaos muss schnellstens ein Ende gesetzt werden. Egal wo man auch hinschaut, überall alles desolat, kaputt, dreckig, verkommen und dysfunktional. Das es überhaupt noch irgendwie funktioniert, grenzt an ein Wunder. Immer mehr Hilferufe, nicht nur aus den Verwaltungen oder der Polizei. Trotzdem wir munter weiter gewurschtelt, als wenn nichts wäre. Selbst die desaströsen Wahlergebnisse sind immer noch kein Weckruf !
    Was soll man dazu noch sagen ?

  4. 38.

    Dem ist aber nicht so, es ist ein Totalschaden. Es braucht ein neues Auto.

  5. 37.

    So unwahrscheinlich, wie es ist, in einem verfassungsgemäßen, demokratischen Wahlverfahren ein falsches Kreuzchen zu machen, so wahrscheinlich ist es hingegen, dass ein reichweitenstarker Sender den Spruch aufgreift und kostenlose Promotion für ein neues Album macht. Vermutlich weit einfacher bleibt es wohl, falsche Platten zu kaufen.

  6. 36.

    Promis die auf Bühnen standen und noch stehen, quatschen anderen Wähler drein? Wahlen sind geheim, sie selbst wählen nicht geheim? Sind ihre Kreuze niemals Proteste gegen dies und jenes? Die kommen im einzelnen nicht an die Öffentlichkeit. Sagen kann man viel, aber wählen kann jeder anders. Demokratie kann auch scheinheilig sein.
    Stoppt mal ganz kurz bitte,... denkt mal kurz nach, ob im Künstlerbereich alle sich über die Parteien einig sind bei einer Wahl.

  7. 35.

    Was für Vorzeigedemokraten... Da kann einem schon Angst und Bange werden.

  8. 34.

    Ich kann es nicht nachvollziehen, wie man sich für einen Demokraten halten kann, wenn man anderen Leuten vorschreiben will, was sie auf einem Wahlzettel anzukreuzen haben. Man will die Wahl einer zugelassenen Partei, von der man meint, dass sie undemokratisch wäre, mit undemokratischen Mitteln verhindern. Klingt schon fast lustig.

  9. 33.

    "Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn man ein Kreuz bei der falschen Partei macht."
    Nennt sich Demokratie. Da sind immer "falsche" Parteien dabei, denn die richtige hat man ja selbst gewählt... :-)

  10. 32.

    Finde ich lustig, ich liebe Parabeln.

    Was nur, wenn erwiesen ist, der Luftverlust und fehlende Scheibenwischer wird zu einem Unfall führen? Weil dazu führte es schon in der Vergangenheit. Viele Verletzte und Tote. Ebenso wie mit dem blauen Auto ohne Reifen. Nur mit einem entscheidenden Unterschied. Das nichtblaue Auto sagte sich: ich bin schlau. Diesmal wird es anders ausgehen. Ging es aber nicht. Und warum? Weil man erneut keine Einigkeit zum Luftdruck und Reifenprofil erzielte. Diesen Fehler wiederholte das Auto solange, bis es nur noch blaue Autos gab. Was lehrt uns dies? Scheibenwischer und Luftdruck sind der Bevölkerung essentiell wichtig. Wichtiger als die Autofarbe. Und wessen Glaskugel spricht dem blauen Auto überhaupt sämtliche 4 Reifen ab? Da möchte ich auch mal reinsehen.

  11. 31.

    Nur weil an einem Auto ein Reifen Luft verliert und der Scheibenwischer kaputt ist, wechsel ich doch nicht in ein „blaunes“ Auto, bei dem alle vier Reifen sowie das Lenkrad fehlen.

  12. 30.

    Welche ist denn die falsche Partei?

  13. 29.

    Da stimme ich Ihnen zu, Erna. Es ist ein unkoordinierter Graus, in allen Bereichen die Sie aufzählen. Speziell Bildung wird uns sowas von um die Ohren fliegen. Wie können Regierungen nur so blind sein, nicht ausreichend in den Nachwuchs zu investieren? Seit Jahrzehnten schlechte Infrastruktur und schlechte techn. Ausstattung. Nur Gelabere: man sollte, man könnte, man müsste. Grausam! DE sollte endlich bei Bildung weg vom Föderalismus und ein einheitliches System für alle Länder etablieren. Das Thema Bildung sollte auf keinen Fall in Länderhand bleiben.
    Der Fairness halber möchte ich beim Thema Rente die regelmäßigen und guten Erhöhungen erwähnen. Nächsten Monat erneut eine. Das ist schon ein korrektes Zeichen, für die Menschen, die bisher das Wohl der Nation sicherten.

  14. 28.

    Auweia wo soll ich anfangen? Wirtschafts-, Außen-, Energie-, Umwelt-, Sozial-, Renten-, Bildungs-, Verteidigungs- oder Gesundheitspolitik?
    Wenn sie dies alles als toll empfinden verbietet ihnen niemand ihr Kreuz weiterhin an der bisherigen Stelle zu machen. Nur können diejenigen die - wie ich - dies mit ihren Steuern bezahlen irgendwann nicht mehr und das Kartenhaus fällt zusammen. Deshalb mache auch ich das Kreuz jetzt an anderer Stelle.

  15. 27.

    „ Sagte Hr. Scholz nicht dreist, er sieht die Mehrheit hinter sich als Kanzler und die Vertrauensfrage wird er daher nicht stellen. Sehr schlechte Entscheidung von ihm.“

    Oder eben die Richtige für unsere Demokratie, wenn die CDU nicht entsprechend liefern kann, weil sie natürlich auch nur mit Wasser kochen.

  16. 26.

    Ein Bewegungsvektor besteht ja grundsätzlich aus zwei Attributen, dem Betrag als Maß für die Stärke der Bewegung und der Bewegungsrichtung.
    Und beides zusammen ergibt ja erst das vernünftige Maß.
    Das der Vektor sinnvollerweise nicht die Länge Null haben soll, habe ich verstanden.
    Aber wie sieht’s denn bei ihren Empfehlungen mit der Richtung aus?

  17. 25.

    Sondern, welchen Vorschlag haben Sie, damit die etablierten Parteien/Politiker endlich aufwachen?

    Weiter so, wir schaffen das? Mitnichten. Es ist derzeit >noch< eine reine Protestwahl. Wenn ich mir die Kommentare der Ampel und ganz speziell von Hr. Scholz nach Wahl so anhöre, haben die Beteiligten offenbar absolut nichts dazugelernt. Sagte Hr. Scholz nicht dreist, er sieht die Mehrheit hinter sich als Kanzler und die Vertrauensfrage wird er daher nicht stellen. Sehr schlechte Entscheidung von ihm. Und zum Thema "falsche Partei" im Artikel: man sollte endlich aufhören, irgendetwas, was durch demokratische Gesetzgebung legalisiert ist, dämonisieren zu wollen. Ihr anderen Parteien: ändert etwas am derzeitigen Status in DE. Werdet aktiv im Interesse der Bevölkerung. Kommuniziert eure Vorhaben. Haltet Wahlversprechen ein. Verlasst eure politische Parallelwelt. Zeigt eine Zukunft auf. Beendet euren Kindergartenstreit. Ihr werdet staunen, wie sich dies auf Wahlergebnisse auswirkt!

  18. 24.

    Das ist bei jeder Entscheidung so. Aber zum Zeitpunkt der Wahl kann man nichts falsch machen, es sei denn man nimmt einen Würfel.

  19. 23.

    Und was möchtest du an der derzeitigen Verfassung ändern Erna, was ist so schlimm für dich?

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