Interview | Beatsteaks - "Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn man ein Kreuz bei der falschen Partei macht"
Die Beatsteaks sind nach jahrelanger Pause zurück - und spielen gerade in ostdeutschen Jugendzentren. Was es mit dem ungewöhnlichen Tourauftakt auf sich hat, und warum die Band fast zerbrochen wäre, erzählen Bassist Torsten Scholz und Gitarrist Bernd Kurtzke.
rbb: Herr Scholz, Herr Kurtzke, als Bandmitglieder der Beatsteaks haben Sie jahrelang auf großen Bühnen gestanden. Nun treten Sie aktuell in kleinen, linken Jugendzentren auf. Warum machen Sie das?
Bernd Kurtzke: Da kommen mehrere Sachen zusammen. Wir spielen Ende Juni in der Wuhlheide. Wir brauchen immer Konzerte davor, damit wir uns dahin spielen können, damit dann nichts schiefgeht. Zum anderen war es auch immer ein Traum von uns, in alternativen Jugendzentren zu spielen. Da kommen wir eigentlich her. Das haben wir ganz früher gemacht, als wir angefangen haben. Da sind wir jetzt wieder, und das macht total Spaß. Und drittens natürlich: Diese Jugendzentren brauchen gerade jede Unterstützung, weil sie ständig im Kreuzfeuer stehen.
Warum sehen Sie diese AJZ – die autonomen oder alternativen Jugendzentren – als besonders schützenswert an?
Bernd Kurtzke: Die machen es halt eigenverantwortlich und haben keine Unterstützung vom Staat. Oftmals sind sie in den Gegenden die einzige Möglichkeit für Jugendliche überhaupt irgendwas mit ihrer Freizeit zu machen.
Torsten Scholz: Die Kids können nur an die Bushaltestelle gehen, Spuckesee machen, indem sie sich vor die Füße rotzen und Langeweile haben. Oder sie gehen ins Einkaufszentrum, lungern herum. Das ist ein bisschen das Problem. Also, wo wir jetzt gerade hier sind – in Hellersdorf - das ist ja alles nicht schlimm. Du wohnst im Grünen, es gibt hier normale Häuser und Wohnungen. Aber für die Jugendlichen gibt's halt nix. Und diese Jugendzentren, die sind halt relativ barrierefrei. Da dürfen alle hin – außer Nazis.
Die Tour durch die AJZ geht vor allem durch die östlichen Bundesländer, wo auch viele Ihrer Bandmitglieder herkommen. Besonders hier im Osten ist der politische Rechtsruck deutlich zu spüren...
Bernd Kurtzke: Ich komme aus Ostberlin, die deutsch-deutsche Grenze war einfach nebenan. Und in Dresden war das nicht so. Das ist genau der Punkt. Die Leute da haben eher nicht die Möglichkeit gehabt, einen Kontakt herzustellen, und das hat sich dann durchgezogen bis nach dem Mauerfall. Da kann ich schon verstehen, dass sich viele auf irgendeine Art nicht verstanden und abgehängt fühlen, perspektivlos sind. All das kann ich nachvollziehen. Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn man ein Kreuz bei der falschen Partei macht. Es gibt mehr als nur eine Möglichkeit, seinen Protest zu äußern und vielleicht mal proaktiv was zu machen. Man sollte nicht irgendeiner Partei hinterherrennen, die es ganz sicher nicht gut mit den Menschen meint.
Torsten Scholz: Es gibt immer noch autonome, alternative Jugendzentren, wo man einfach sagt: 'Ich meckere nicht bloß rum und zeige mit dem Finger auf die nächst Schwächeren, sondern ich mach jetzt irgendwas.' Jeder kann irgendwas machen. Und deswegen auch diese Aktion mit den Konzerten in den AJZ, und deswegen auch hauptsächlich in der ehemaligen DDR.
Ihr neues Album heißt “Please”. Auf dem Cover sieht man ein Stoppschild, auf dem der Titel steht. Was hat es damit auf sich?
Bernd Kurtzke: Also der Titel kam aus der Band und die Idee für ein Stoppschild kam von dem Grafiker. Und das hat so gut gepasst, weil es so viel Raum lässt für eigene Interpretationen. Wir sehen es so: Stoppt mal ganz kurz, please, bitte denkt mal kurz nach. Das ist die Message.
"Please" ist das erste Album nach einer längeren Pause. Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Torsten Scholz: Wir waren 20 Jahre lang in einem Hamsterrad. Du machst eine Platte, dann bist du auf Tour. Dann machst du wieder eine Platte. Das hat irgendwie relativ lange funktioniert, wir wurden erfolgreicher und größer. Da hast du eh keine Zeit, über irgendwelche Unzulänglichkeiten nachzudenken.
Also mit Handpuppen erklärt: Am Ende führt jedes Bandmitglied eine ernsthafte Beziehung mit vier anderen Personen, mit den anderen aus der Band. Und jeder von uns weiß, wie sich eine Beziehung anfühlt, die man zu Hause mit nur einer Person führt. Man muss da viel Arbeit investieren, viel reden und sich zuhören. Das haben wir ganz lange nicht gemacht, weil keine Zeit war, weil wir keine Lust hatten, weil wir Besseres zu tun hatten.
Irgendwann kam aus der Band heraus die Idee, dass wir miteinander reden müssen. Also haben wir eine Mediation gemacht. Und siehe da, es hat funktioniert! Wir haben wieder angefangen, uns zuzuhören.
Hatten Sie zwischenzeitlich Angst, dass sich die Band auflöst?
Bernd Kurtzke: Ich war an einem Punkt, wo ich mir überlegt habe: 'Was kannst du eigentlich sonst noch so?' So wie es damals war, war mir klar, dass ich da nicht mehr lange Lust drauf habe.
Aber Gott sei Dank haben wir diese Mediation gemacht. So haben wir uns als Menschen neu kennen- und respektieren gelernt.
Torsten Scholz: Ich habe zwischendurch schon gedacht: Okay, könnte jetzt bei Rewe Regale auffüllen. Wir haben dann auch alle ein bisschen eigene Musik gemacht. Aber mal ehrlich, wir machen das jetzt schon so lange, es wäre echt ein bisschen schade, wenn man das nicht irgendwie wieder zusammen macht. Und glücklicherweise funktioniert es gerade wieder sehr gut.
Ist das neue Album auch eine Reflexion dieser Zeit, die Sie als Band hinter sich haben?
Bernd Kurtzke: Jede Platte ist eine Reflexion dessen, was man die Jahre davor erlebt hat. Und in diesem speziellen Fall natürlich auch. Bei dem Album merkt man, dass jeder jeden irgendwie hat machen lassen, man hört der Platte den Spaß an, den wir miteinander hatten. Und das ist ganz toll.
Danke für das Gepräch!
Das Interview führte Lilli Klinger für rbbKultur – das Magazin.
Sendung: rbbKultur – das Magazin, 08.06.24, 18:30 Uhr