EU-Förderung - Wo Brandenburg von Europas Milliarden profitiert

Do 06.06.24 | 12:06 Uhr
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Symbolbild: Erntehelferinnen aus Rumänien ernten am 12.05.2022 während des offiziellen Starts der Brandenburger Erdbeersaison Erdbeeren. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Bild: dpa/Soeren Stache

Ohne Direktzahlungen und Sonderprogramme von der EU könnten landwirtschaftliche Betriebe in Brandenburg wohl nicht überleben. Doch auch andere Einrichtungen sind auf EU-Gelder angewiesen. Es geht um Milliarden. Von Ismahan Alboga

  • seit Beginn der 1990er hat Brandenburg mehr als zwölf Milliarden Euro aus EU-Töpfen erhalten
  • landwirtschaftliche Betriebe können von Direktzahlungen allein oftmals nicht überleben
  • Branchen klagen über komplizierte EU-Anträge
  • aktuell werden Hunderte Millionen Euro für verschiedene Vorhaben in Brandenburg abgerufen

Spricht man den Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Radensdorf, Andreas Bulligk, auf EU-Subventionen an, klingt es bei ihm nach einer Hassliebe. Es scheint, so richtig kann er nicht mit, aber auch nicht ohne. Die Agrargenossenschaft Radensdorf gibt es seit 1991 in Lübben (Dahme-Spreewald), in Südbrandenburg. Seit dem Jahr 2000 wird ökologisch gewirtschaftet. Etwa 50 Beschäftigte kümmern sich um Viehzucht, Milchproduktion und ökologischen Landbau.

Die Agrargenossenschaft wird auch von der EU subventioniert. Und da hake es seit vergangenem Jahr: Bis 2023 habe der Ökobetrieb jedes Jahr im Schnitt etwa 900.000 Euro aus Brüssel bekommen. Davon würden sie auch die Mitarbeitenden bezahlen. Seit vergangenem Jahr gebe es nur noch etwa die Hälfte an Direktzahlungen. "Die Differenz versuchen wir dann durch Umweltmaßnahmen auszugleichen", sagt Bulligk.

Ökoprämie neben Direktzahlung

Eine Herausforderung für den Radensdorfer Ökobetrieb. Landwirtinnen und Landwirte bekommen sogenannte GAP-Subventionen, die aus zwei Säulen bestehen: Den Direktzahlungen und Mitteln aus dem sogenannten ELER-Fonds für ländliche Entwicklung. Mit den Direktzahlungen sollen die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern aufgestockt und Arbeitsplätze erhalten werden. Mit ELER werden unter anderem freiwillige Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen gefördert. Beispielsweise das Stilllegen von Ackerflächen oder ökologischer Landbau.

Die Abkürzung GAP steht für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, sie gibt es bereits seit 1962. Mit ihr sollen Landwirtinnen und Landwirte unterstützt werden, damit Europas Nahrungsmittelversorgung gewährleistet wird.

Geschäftsführer Bulligk kann auf die Subventionen nicht verzichten. Aber um die EU-Fördergelder zu bekommen, muss er diese jährlich neu beantragen. "Die EU ist ein riesiges Bürokratiemonster. Bürokratieabbau gibt es nur in Gedanken, in der Realität ist alles viel schlimmer geworden", sagt er. Neben den Direktzahlen gibt es für den Biobetrieb zudem eine Ökoprämie von etwa 650.000 Euro. Obwohl bereits im vergangenen Jahr beantragt, habe der Biobetrieb diese Mittel für 2023 noch nicht erhalten. Das ärgert den Geschäftsführer.

Landwirt wünscht sich echten Bürokratieabbau

Die Unterstützung der EU für Landwirte in Brandenburg ist erheblich. Allein an ELER-Mitteln sind 717 Millionen Euro in der aktuellen Förderperiode von 2023 bis 2027 für Brandenburg vorgesehen. Direktzahlungen im vergangenen Jahr an Brandenburger Landwirtinnen und Landwirte: laut Landwirtschaftsministerium rund 352,6 Millionen Euro. Trotzdem, Bulligk ist unzufrieden. "Vor allem seit der Reform in der Agrarpolitik im vergangen Jahr, ist alles komplizierter geworden."

Die EU hat mit der neuen Ausrichtung, einen Teil der Einkommensunterstützung für die Landwirte abgesenkt und an strengere Auflagen für Umwelt- und Klimaschutz gekoppelt. Je mehr Öko-Regelungen die Bäuerinnen und Bauern erfüllen, umso höher fallen dann die Subvention aus. "Auf der einen Seite ist das gut, damit können wir Geld generieren. Aber es ist alles sehr aufwendiger und undurchsichtiger geworden", findet Bulligk.

"Die genehmigten Pläne sollen einen wesentlichen Beitrag zu den Zielen des europäischen Grünen Deals, der Strategie 'Vom Hof auf den Tisch' und der Biodiversitätsstrategie leisten", heißt es auf der Seite der europäischen Kommission [agriculture.ec.europa.eu]. Statt Bürokratieabbau, habe allerdings ein massier Aufbau stattgefunden, kritisiert Bulligk. Als Resultat von der bevorstehenden EU- Wahl wünscht er sich unter anderem einen echten Bürokratieabbau. "Allein wenn wir den Antrag für die Öko-Prämie und für die Direktzahlungen gleichzeitig, zum selben Termin stellen könnten, wäre uns sehr geholfen."

Denn kaum eine Landwirtin oder ein Landwirt könne auf die Subventionen aus Brüssel verzichten. Würden sie ganz gestrichen werden, dann würden fast alle Landwirtinnen und Landwirte Insolvenz anmelden müssen, sagt Bulligk.

Fahrradparkhaus und neue Brücke mit EU-Förderung

Aber nicht nur Landwirte erhalten in Brandenburg Fördermillionen von der EU: In der aktuellen Förderperiode gibt es auch viel Geld aus den sogenannten EFRE-Mitteln. 846,3 Millionen Euro sind darin für die regionale Entwicklung vorgesehen. Regionen sollen unterstützt werden, die wirtschaftlich nicht so gut dastehen. Auf der Liste der geförderten Projekte des Wirtschaftsministeriums findet sich etwa das Fahrradparkhaus in Eberswalde. 1,7 Millionen Euro flossen hier aus EFRE-Mitteln. Damit seien 604 Abstellplätze für Fahrräder geschaffen worden, mit dem Potenzial einer modularen Erweiterung auf bis zu 950 Stellplätze. Einsparung von mindestens 53,2 Tonnen CO2 Emissionen erhofft man sich dadurch.

Ein weiteres Projekt: Die Fuß- und Fahrradbrücke über den Zernsee. Die Brücke verbindet Potsdam, Werder und Schwielowsee und sei damit ein wichtiger Baustein für die nachhaltige Mobilität, so die Begründung. Auch hier gab es EFRE-Mittel in Höhe von rund 6,6 Millionen Euro. Nur zwei Beispiel aus zahlreichen Projekten. In der vergangen Förderperiode von 2014 bis 2020 haben laut Wirtschaftsministerium Landkreise und kreisfreie Städte wie Potsdam, Cottbus oder Dahme-Spreewald von EFRE profitiert. Die genannten bekamen die meisten Mittel ausgezahlt.

Dem Europäischen Sozialfonds ESF stehen in der aktuellen Förderperiode insgesamt 396,5 Millionen Euro zur Verfügung. Der Europäische Sozialfonds sei das wichtigste Instrument der Europäischen Union zur Förderung der Beschäftigung in Europa. Damit solle der Zugang zu besseren Arbeitsplätzen verbessert werden. Zudem biete er eine Qualifizierung und unterstütze die soziale Integration, heißt es von der EU. Zu den geförderten Projekten zählt etwa der rote Ausbildungs-Bulli der Arbeitsagentur. Er rollt durch Brandenburg und soll junge Menschen über attraktive Ausbildungs- und Praktikumsangebote in der jeweiligen Region informieren.

Milliarden aus Brüssel

Ab 2021 erhielt Brandenburg erstmalig EU-Mittel aus dem Just Transition Fonds (JTF). Insgesamt stellt Brüssel in der aktuellen Förderperiode für diesen Bereich 785 Millionen Euro zur Verfügung [lausitz-brandenburg.de]. Damit sollen die im Zuge des Braunkohleausstiegs wegfallenden Arbeitsplätze ersetzt werden. Für die Region sollen zudem neue Wachstumsperspektiven geschaffen werden. Finanziert werden können laut Wirtschaftsministerium etwa Maßnahmen zur Gründung oder Transformation von Unternehmen, zur Stärkung von Forschungstätigkeiten, zum Aufbau einer grünen Energieversorgung oder zur Aus- und Weiterbildung von Arbeitskräften.

12,5 Milliarden Euro hat Brandenburg seit Anfang der 1990er Jahre vom Europäischen Struktur- und Agrarfonds erhalten, laut dem Brandenburger Europaministerium. Damit seien Projekte in den Bereichen Wirtschaft, Forschung, Innovation, Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz, der städtischen und ländlichen Entwicklung sowie im sozialen Bereich finanziert worden, so das Europaministerium.

Allerdings verringern sich sich die Mittel aus Brüssel seit den 2000er Jahren. Grund dafür ist die positive wirtschaftliche Entwicklung im Vergleich zum EU-Durchschnitt.

17 Kommentare

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  1. 17.

    Warum hat dann UK bessere wirtschaftliche Kennzahlen als Deutschland, wenn es sich nicht vom Brexit erholt hat?

  2. 16.

    "Ohne den Geldstaubsauger EU würde eventuell wesentlich mehr Geld hierzulande bleiben?" Ja, natürlich. Irgend woher muss das Geld ja kommen, was die Nehmerländer erhalten. Polen ist im Jahr 2022 mit rund 12,5 Milliarden Euro der größte Nettoempfänger der Europäischen Union (EU-27) gewesen. Deutschland ist mit rund -16,7 Milliarden Euro im Jahr 2022 der größte Nettozahler der EU.
    Die "Gegenrechnung", dass Deutschland dennoch viel profitiert, kenne ich nicht. Sie ist auch den offiziellen Statistikdaten nicht zu entnehmen.

  3. 15.

    Ich höre immer, wie toll die EU Förderung ist. Leider fehlt in der Darstellung das Gesamtbild, Deutschland ist der größte Nettozahler und wird insoweit überhaupt nicht von der EU "gefördert", das ist noch schlimmer geworden, seit dem GB aus der EU ausgetreten ist. Vor dem Austritt von GB zahlte Deutschland bereits 12 Milliarden, Frankreich die Hälfte und GB 7 Milliarden. Deutschland ist nun mit rund -16,7 Milliarden Euro im Jahr 2022 der größte Nettozahler der EU.

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38139/umfrage/nettozahler-und-nettoempfaengerlaender-in-der-eu/

  4. 14.

    Nee, für das Lohnniveau in anderen Ländern der EU sind wir ganz bestimmt nicht verantwortlich, auf die Infrastruktur dagegen schon. Wenn wir Sozial- und Lohnleistungen in den Nehmerländern der EU finanzieren, dann ist das nichts anderes als eine Subventionierung der deutschen Industrie mit dem Geld der deutschen Steuerzahler. Der Bürger in Deutschland hat davon wenig. Wie sinnvoll das ist, ist äußerst diskutabel. Nur ein Schwarz-Weiß gibt es da auch nicht.

  5. 13.

    Ganz viele Radwege parallel zu Bundes- und Landstraßen sind von EU-Mitteln gebaut worden. Das fördert den Tourismus, macht die Menschen mobiler und die Straßen sicherer. Speziell für Kinder und alte Menschen.

  6. 12.

    "Als Exportnation sind wir genau darauf angewiesen,"
    Ja, auf eine funktionierende Infrastruktur in den Empfängerländern, auf ein entsprechendes Lohnniveau dort, ggf. auf weiterverabeitende Industrien, u.v.m., das eben diese Länder nur schwerlich selbst auf die Reihe bekommen. Es könnte sonst sein, das Exportnationen wie DE oder F auf ihrem "Kram" sitzenbleiben.

  7. 11.

    Die Agrarsubventionen sind überhaupt erst erforderlich, weil die EU den Import von Lebensmitteln aus Ländern teilweise sogar zollfrei erlaubt, die sich weder an die hiesigen Umwelt-, noch Gesundheitsvorschriften halten müssen und damit zu ungleich niedrigeren Kosten produzieren können. Freilich profitieren in diesen Anbauländern auch nicht die kleinen Bauern, sondern ausschließlich Großkonzerne.

  8. 10.

    Wer hat denn von Austreten gesprochen? Es ging um die EU-Zahlungen und da hat der Kommentator sehr wohl Recht, dass Deutschland mehr einzahlt, als es zurück bekommt. Sonst bräuchte es ja das System nicht. Dass Deutschland von der EU profitiert, liegt nicht an den erhaltenen EU-Subventionen. Es liegt daran, dass wir mit den EU-Zahlungen einen Teil unseres Exports selbst finanzieren und vor allem am freien und zollfreien Marktzugang in den EU-Staaten und dem einfachen Marktzugang in die restlichen EWG-Staaten. Als Exportnation sind wir genau darauf angewiesen, nicht auf eine teilweise Rückzahlung der selbst eingezahlten EU-Beiträge.

  9. 9.

    Na klar erhalten die Schwachen, so wie Brandenburg im Vergleich zu den anderen, Mittel, um sich zu entwickeln. Länger schon als die Mauer dicht war... Wer verantwortet das (so wenig so lange schon) nicht gelingt?
    Die Agrarsubventionen sind, anders als hier suggeriert, keine Einkommensaufstockung. Sie sind ein gezahlter Lohn für eine bestellte Leistung. Übrigens... für einen miserablen Stundenlohn.

  10. 8.

    Theoretisch mag es zunächst so scheinen. Tatsächlich hat Deutschland bzw. deutsche Firmen als Exportland aber so viele Vorteile von der EU an sich, dass es fast einem Selbstmord gleichkäme aus der EU auszutreten. Prinzipiell sieht man das am Brexit. Von dem hat sich GB auch nicht erholt. Allein schon der zusätzliche Aufwand für den Zoll ist extrem. Die Versprechen der damaligen Brexit- Befürworter sind dagegen nie eingetroffen. Stattdessen haben viele davon ihre Firmensitze in die EU verlegt.

  11. 7.

    Die EU sorgt dafür, dass die Mittel wenigstens an der richtigen Stelle ankommen. Oder glaubt jemand im Ernst das unsere Regierung in der Lage oder willens wäre das auch so zu Händeln.

  12. 6.

    Deutschland zahlt in den großen Topf EU ein, davon lebt das europäische Bürokratiemonster Brüssel/Straßburg und bekommt von dort finanzielle Zuteilungen. Ohne den Geldstaubsauger EU würde eventuell wesentlich mehr Geld hierzulande bleiben?

  13. 5.

    Die Milliardenzahlungen aus Brüssel sind doch reine Augenwischerei, wenn Deutschland insgesamt dafür mehr in den EU-Topf einzahlt, als es erhält. Der Nutzen der EU für die deutsche Wirtschaft ist damit nicht finanziell sondern liegt im freien und vereinheitlichten Markt/Marktzugang un der Zollfreiheit in der gesamten Wirtschaftszone.

  14. 4.

    Nie vergessen: Jeder Euro, der ausbezahlt wird, muss vorher jemand anderem weggenommen werden.

  15. 3.

    "Allerdings verringern sich sich die Mittel aus Brüssel seit den 2000er Jahren. Grund dafür ist die positive wirtschaftliche Entwicklung im Vergleich zum EU-Durchschnitt."

    Wie mein Vorkommentator angeschnitten hat, würde sich evtl. der ein oder andere bei diesem Satz eine Übersicht zur Entwicklung von Zahlungen und dem Erhalt von Subventionen wünschen.

    PS Keine hübschen Diagramme wie beim Artikel "Wo Berlin von Europas Milliarden profitiert"?

  16. 2.

    DE ist der größte Bruttozahler an die EU, rd. 30 Mrd. Euro p.a. und liegt als Nettozahler (rd. 17 Mrd. p.a.), also abzüglich erhaltener Subventionen, ebenfalls vorn.

  17. 1.

    Wieviel Milliarden zahlt Deutschland jährlich ein so konkrete Summen habe ich noch nicht gelesen .
    Scheint eher linke Tasche rechte Tasche zu sein.