Rechtsruck bei Europawahl - AfD und Union für junge Wähler besonders attraktiv

Mo 10.06.24 | 21:09 Uhr | Von Julian von Bülow
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Wahllokal in der Grundschule am Ritterfeld im Ortsteil Kladow im Berliner Bezirk Spandau der Stimmabgabe zur Europawahl 2024 bei. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Video: rbb24 Abendschau | 10.06.2024 | Christian Titze | Bild: dpa/Christoph Soeder

AfD und Union haben bei der Europawahl besonders bei Menschen unter 25 Jahren gepunktet. Drei mögliche Gründe, warum es junge Menschen ins rechte Parteienspektrum zieht. Von Julian von Bülow

Die "Alternative für Deutschland" kann sich in der Region über starke Ergebnisse bei der Europawahl freuen: In fast allen Kreisen und kreisfreien Städten Brandenburgs führt die Partei, auch im Osten Berlins dominiert sie. In den alten Bundesländern liegt fast überall dei Union vorne.

Sowohl Union als auch AfD konnten insbesondere bei Jugendlichen hinzugewinnen. 16 Prozent der 16- bis 24-jährigen Wählerschaft in Deutschland haben bei der EU-Wahl ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Das sind 11 Prozentpunkte mehr als 2019. Und auch die Unionsparteien konnten in der Gunst der jungen Erwachsenen um 5 Prozentpunkte auf 17 Prozent zulegen.

Grafik: Europawahl 2024 AfD-Stimmanteile in Altersgruppen im Vergleich zu 2019 (Quelle: rbb)
| Bild: rbb

Zukunftsangst als Entscheidungsfaktor

Ein wichtiger Grund für die Entscheidung, die Stimme eher im rechten Spektrum abzugeben, ist laut Jugendforscher Simon Schnetzer die Zukunftsangst der jungen Menschen - allem voran wegen finanzieller Fragen, aber auch wegen des Ukraine-Krieges. "Sie haben Sorgen, ob sie sich ein Leben in Wohlstand in Zukunft leisten können, ob sie Wohnraum für sich finden, der teuer und knapp ist", sagt Schnetzer. Das wirke sich dann auf andere Bereiche aus. So komme bei den jungen Leuten zum Beispiel die Frage auf, ob es für sie am Ende überhaupt reichen werde, wenn gleichzeitig mehr Menschen nach Deutschland zu kommen, so der Jugendforscher. Bei Befragungen gebe es dann Antworten wie: "Ich bin nicht zufrieden damit, wie sich die Regierung um meine Probleme kümmert und ich hoffe, dass die AfD das besser tut."

Gestützt wird dieser Befund durch die Unbeliebtheit der Ampel-Bundesregierung. Laut einer Umfrage von Infratest Dimap vom Wahlsonntag sind 76 Prozent der Befragten mit der Bundesregierung unzufrieden. Zudem stimmten 48 Prozent der Befragten der Aussage zu, die Bundesregierung habe bei der Europawahl einen Denkzettel verdient. Die Profiteure der Jungwähler-Stimmen - AfD, CDU und CSU - sind auf der Bundesebene in der Opposition und haben gemäß solcher Aussagen bei den Wahlen vermutlich einen Bonus gehabt.

Ungebundenheit junger Wähler verstärke Trends

Ein zweiter Grund dafür, dass rechte Parteien mehr Stimmen von Unter-25-jährigen bekamen, ist mutmaßlich die Ungebundenheit der jungen Menschen, wie auch Thorsten Faas, Wahlforscher an der Freien Universität Berlin, am Wahlabend im rbb erklärte. "Wir sehen bei den Jüngsten häufig, dass die Trends einer Wahl sich auch dort niederschlagen - häufig sogar deutlicher als bei älteren Wählerinnen und Wählern, weil die jungen Menschen nicht so festgelegt sind", so Faas. Die bundesweiten Daten von Infratest Dimap stärken Faas' Punkt: Die Zugewinne der AfD sind unter den 16- bis 24-Jährigen besonders groß (+11 Prozentpunkte), bei älteren Wählergruppen sind die Zugewinne geringer (+1 bis +7).

Konkrete Zahlen für das Wahlverhalten junger Menschen in Berlin und Brandenburg sind bislang noch nicht veröffentlicht. Allerdings führen AfD und CDU mit 27,5 Prozent bzw. 18,4 Prozent die Brandenburger Europawahl-Ergebnisse an, zudem hat sich in 16 von 18 Brandenburger Landkreisen und kreisfreien Städten die AfD bei den Kommunalwahlen als stärkste Kraft durchgesetzt. In Berlin verbesserte sich die AfD um 1,7 Prozent auf 11,6.

Grafik Europawahl 2024 Stimmanteile bei 16-24-Jährigen im Vergleich zu 2019 (Quelle: rbb)
| Bild: rbb

Social Media als Vorteil für die AfD

Den dritten Grund, den die Forscher ausmachen: Die Art, wie sich junge Menschen informieren. "Wenn junge Menschen sich über Politik informieren, tun sie das hauptsächlich über soziale Netzwerke", sagt Jugendforscher Simon Schnetzer. Die AfD sei dort sehr früh präsent gewesen und habe es geschafft, politische Botschaften sehr vereinfacht und polarisierend rüberzubringen. Das habe ihr eine enorme Sichtbarkeit für ihre Positionen verschafft. "Nachdem die anderen Parteien hier überwiegend durch Abwesenheit glänzten, überließen sie das politische Spektrum, die politische Bildungsarbeit über Tiktok und Instagram hauptsächlich der AfD", sagt Schnetzer.

Ein Problem bei der Verbreitung von Politik-Inhalten mittels Social Media sieht Wahlforscher Torsten Faas in mangelnder Faktentreue und Ausgewogenheit: "Es gehört zu einem Wahlkampf dazu, dass nicht eine Partei dominant ist, sondern dass alle Parteien sich präsentieren können. Und dass die Menschen einigermaßen wahlsgetreu informiert werden." Doch das sei ein großes Problem bei Tiktok, da dort viel Desinformation und Fake News kursieren würden, so Faas.

Mehr Präsenz auf Social Media und Wahlen ab 14?

Aber wie kann die breite Politik junge Menschen besser erreichen? "Das ist sehr schwierig", räumt der 18-jährige Stefan Tarnow, Sprecher vom Landesschülerrat Brandenburg, ein. Er betont aber auch: "Aber in allererster Linie sollte man jungen Menschen zuhören." So sollte der Wunsch ernst genommen werden, dass auch kleine Parteien in die Parlamente einziehen können.

28 Prozent der 16- bis 24-Jährigen gaben kleinen Parteien ihre Stimme. Weil es bei Europawahlen 2024 in Deutschland keine Sperrklausel gibt, können auch Kleinstparteien einen Sitz im EU-Parlament ergattern. Bei Landtagswahlen und Bundestagswahlen haben jene wegen der Sperrklausel von fünf Prozent aber keine Chance.

Zudem helfe nicht, wenn sich der Bundeskanzler mit seiner Aktentasche auf Tiktok präsentiere, kritisiert Tarnow. "Inhalte kann man auch an junge Menschen bringen. Man muss sie an die Zielgruppe angepassen, aber auch junge Menschen sind nicht dumm", so Tarnow.

Jugendforscher Simon Schnetzer geht weiter: "Ich empfehle, das Wahlalter auf 14 abzusenken, weil wir es ansonsten den Algorithmen von Tiktok und Instagram überlassen, ob wir mit politischer Bildung später überhaupt noch an junge Menschen rankommen." Mit einem niedrigeren Wahlalter könne auch die Relevanz von politischer Bildung in der Schulzeit erhöht werden. Bei der Brandenburger Landtagswahl im September sowie der Bundestagswahl im kommenden Jahr gilt das Mindestalter von 16 Jahren.

Beitrag von Julian von Bülow

41 Kommentare

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  1. 41.

    Oh ja, den Ostdeutschen geht es ja sooo schlecht. Wenn ich die Argumente höre, weswegen die Leute AFD und BSW gewählt haben, fällt mir nichts mehr ein. Wie kann man glauben, daß es wirtschaftlich immer nur nach oben geht? Wachstum, Wachstum, Wachstum ohne Grenzen? Schwachsinn. Die DDR war nach 40 Jahren Pleite, weil die Bevölkerung verarscht wurde. Seit froh daß ihr in einer Demokratie lebt. Dafür muss man auch was tun. Aber in der DDR war es ja sooo schön. Das Denken wurde von der SED überno

  2. 40.

    ....warum wird die Partei Volt nicht extra aufgelistet? Sie hat meines Wissens von dieser Altersgruppe 7 Prozent bekommen, damit mehr als BSW und Linke. Wäre es nicht wert gewesen, das zu erwähnen? Stattdessen verschwinden diese Prozente unter den anderen kleinen Parteien.

  3. 39.

    Und vor Merkel wurde weder Erdöl noch Erdgas aus Russland importiert? Und andere Länder in Europa haben Öl und Gas natürlich nicht von Russland bezogen. Ich bin kein "Fan " von Merkel aber die Frau allein dafür verantwortlich zu machen ist nicht nachvollziehbar. Warum sind die Energie Preise weltweit so hoch ,durch Merkel bestimmt nicht.

  4. 38.

    Ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Die CO2-Abgabe wurde längst von der CDU unter Merkel beschlossen, die Regierung rattifiziert nur. Zweitens ist der Preistreiber in Sachen Energie das Erdgas. Aber es war Merkel und ihre CDU die uns über mehrere Jahrzehnte in die Abhängigkeit von russischem Erdgas getrieben hat und sämtliche Warnungen der östlichen Partner nebst USA in den Wind schlug.
    Habeck kann ja nun nicht zaubern.
    Und drittens hat Merkel als promovierte Physikerin gegen den Gebot des Klimawandels deutsche grüne Pioniertechnologien nach China abwandern lassen. Das Ergebnis kennen alle die hinsehen wollen und können. Die gespielte Verantwortung bei der Schuldenbremse bei der CDU, um Scholz abzuschießen, wird D das Rückgrat brechen.

  5. 37.

    Spätestens zur Einschulung sollte man verschiedene Sachen wählen können ,ab 14 dann ob man überhaupt noch zur Schule gehen möchte.

  6. 35.

    Ich bin einer der "jetzigen " Rentner ,habe 50 Jahre gearbeitet. Meine Rente habe ich mir erarbeitet, nicht mit Hilfe irgendeiner Partei. Und zugunsten der jetzigen Rentner verzockt? Zocken und Rente passen nicht so recht zusammen .Wenn in der Politik gezockt wird würde ich jedenfalls schwarz sehen.

  7. 34.

    Das ist jetzt ein sehr billiges und pobulistisches Argument! Als ich ins Berufsleben eingestiegen bin, gab es noch keine Grünen und die Unternehmer sind trotzdem abgewandert, z.B. die Leder- und Textilindustrie, später waren die Werften dran. Dann kamen technologische Schübe und wenn die Gewerkschaften Rationalisierungsschutz verlangt haben, wurden sie verhöhnt. Egal wer, regiert, wenn es dem Kapital nicht passt, wurde und wird mit Abwanderung gedroht. Diese Erpressung hat mein 50-jähriges Berufsleben begleitet!

  8. 33.

    Und warum standen 35 Parteien oder politische Gruppen auf dem Wahlzettel?
    Hierzulande haben um die 25 Prozent der Erst- und Jungwähler die Kleinstparteien gewählt; in Großstädten sticht da DIE PARTEI und VOLT besonders hervor. 17 Prozent haben die AfD gewählt und das entspricht dem, was uns Soziologen seit 40 Jahren klar zu machen versuchen: 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung ab 18 Jahren ist anfällig für Rassismus, Sexismus, Frauen- und Fremdenfeindlichkeit und Islamphobie - Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit genannt. Und genau bei diesem Problem schaut die herrschende Politik weg und versucht es auszusitzen, während die blaubraunen Verführer davon profitieren. Bildung ist der Sxchlüssel für fast Alles und daran mangelt es. Solange aber weniger als fünf Prozent der Leute auf die Straße gehen, wird sich wenig bis nichts ändern. Es ist an der Zeit, dass die Mitte der Gesellschaft vom Sofa runter kommt.

  9. 32.

    Die FDP hat aber ihr EU Wahlergebnis trotz Ausweitung der Zahl der Wahlberechtigten nahezu konstant gehalten. Also betrifft ihre Aussage Grüne und SPD. Wenn man sich dann noch überlegt, dass ca. jeder 3. Wähler für konservativ-liberal auf Ebene der EU in Deutschland gestimmt hat, dann kann man noch Hoffnung haben, dass die durchschauen was Rot/Grün aktuell macht.

  10. 31.

    Und wenn diese jungen Leute nun vorher den Wahl-O-Mat benutzt haben und genau deswegen so ihr Kreuz gemacht haben?

  11. 30.

    Komisch.
    In den letzten Jahren wurde uns erzählt, die Jugend bewundert Greta Thunberg und hat Angst vor Klimawandel und AfD.

  12. 29.

    28% der 16-24jährigen sind mit den ehemaligen Volksparteien CDU SPD und FDP unzufrieden und fühlen sich, auf europäischer Ebene, zu anderen Parteien hingezogen.

    Gibt es keine vergleichbare Umfrage, die sich auf die BRD bezieht, denn diese Umfrage ist leider nicht übertragbar, da es hier keine 35 Parteien gibt?

  13. 28.

    Es ist erschütternd, dass die SPD die Rente mit 63 wieder aus dem Rentenpaket heraus genommen hat. Es ist überhaupt keine Frage, dass hat auch der Sachverständigenrat bestätigt, dass wir sehr differenzierte Antworten brauchen. Eine längere Lebenserwartung erfordert ein höheres Renteneintrittsalter. Die Strukturen unserer Volkswirtschaft müssen verbessert werden. Damit die Menschen wieder Vertrauen in die Preisstabilität und das eigene Leben haben!

  14. 27.

    Bei den Themen "Fachkräftemangel" und "Energiepreise" muss schnell etwas getan werden! Energiepreise nicht künstlich in die Höhe treiben und den Arbeitsmarkt der Zukunft schaffen - mit neuen Qualifikationen, Weiterbildung und Fähigkeiten!

  15. 26.

    Nee, nicht hier wurde sich nicht verzockt, aber es wurde nicht damit gerechnet, dass die jüngeren Wähler sehr wohl Zusammenhänge erkennen.
    Z.B. dass der Ölpreis wieder normal auf Vorkriegsniveau ist, aber die Grünen hier ihre wirtschaftliche Zukunft durch zu hohe Abgaben und Steuern auf Öl verzocken (Stichwort: Abwanderung der Industrie). Aber auch sehen jüngere Wähler, dass die SPD die Zukunft ihrer Rente aktuell zugunsten der jetzigen Rentner verzockt (Stichworte "Rentenniveau eingefroren", "Frührente abschlagsfrei")...
    Es wird Zeit, dass das Wirtschaftsministerium, ebenso wie das Ministerium für Arbeit und Soziales zukünftig ein fähiges Management an der Spitze erhält. Dann klappt es auch mit den Wahlen!

  16. 25.

    Na, die Grünen! Sie zerstören mit ihren überzogenen Preisaufschlägen z.B. auf den Ölpreis, die Deutsche Industrie. Die Unternehmen schließen deutsche Standorte und wandern mit bestimmten Bereichen global u.a. in die USA ab.

  17. 24.

    Ich bin nach dem lesen des Artikels eher skeptisch, denn mir fehlen konkrete Angaben zu der Gruppe, die von den 16-24 jährigen prozentual eigentlich am meisten gewählt worden ist (auch wenn sich die Stimmen dazu auf mehrere Parteien aufteilen) und das sind die anderen Parteien mit 28 Prozent! Darüber wird in dem Artikel nur nebenbei berichtet, doch für mich wäre eine Aufschlüsselung genau dieser Parteien interessant gewesen. Waren nicht eher die kleinen Parteien für diese Wählergruppe besonders attraktiv?

  18. 23.

    Haben Sie die Debatten und Entscheidungen der Bundesregierung in den letzten Monaten nicht mitbekommen?
    Bitte informieren Sie sich, bevor Sie so allgemeine Fragen stellen.

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