Analyse | AfD-Erfolg bei Kommunalwahlen - "In Brandenburg wird Rechtsextremismus nicht mehr als Problem wahrgenommen"

Mo 10.06.24 | 15:47 Uhr
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Symbolbild: Helfer schieben nach der AfD Europawahlversammlung das AfD Logo aus der Messehalle.(Quelle: picture alliance/dpa/Klaus-Dietmar Gabbert)
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Video: rbb24 Reportage | 10.06.2024 | Olaf Sundermeyer | Bild: picture alliance/dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Es ist ein eindeutiges Ergebnis: In Brandenburg hat die AfD das erste Mal die Kommunalwahlen gewonnen. Aber ist es auch überraschend? Nein, sagt Olaf Sundermeyer, Extremismus-Experte des rbb. Die Zustimmung habe sich lange angekündigt.

Wie ist der AfD-Erfolg zu erklären? - Mit dieser Frage beschäftigt sich am Montag um 20.30 Uhr im rbb Fernsehen die Reportage "AfD – Plötzlich Volkspartei".

Die Stärke der AfD bei den Kommunalwahlen in Brandenburg war nach Einschätzung des rbb-AfD-Experten Olaf Sundermeyer bereits lange vor der Wahl abzusehen. "Wenn man sich die vergangenen Wahlergebnisse der AfD anschaut - so bei den vergangenen Landratswahlen im Landkreis Dahme-Spreewald - kam da die AfD bereits auf 35 Prozent." Sundermeyer nennt dieses Ergebnis einen Frühindidator - ebenso wie die Landratswahlen im Havelland zuletzt.

"Havelland - das war vor zwei Wochen. Dort hat die AfD fast exakt das Ergebnis bekommen, wie nun landesweit", so Sundermeyer. Dass die Partei stärkste Partei geworden ist bei den Kommunalwahlen in Brandenburg, überrasche also nicht. Diese breite Zustimmung für die AfD sei Beleg für eine Normalisierung des Rechtsextremismus, so Sundermeyer.

Menschen in Brandenburg betrachteten sich nicht als das Ziel von rechtsextremen Anklagen

Die Normalisierung der rechtsextremen Haltungen der AfD in der Fläche sei in Brandenburg so weit fortgeschritten im Laufe der vergangenen Jahre, dass man das auch sehr leicht an den Debatten in den Kommunen und Rathäusern beobachten könne: "Hier in Brandenburg wird der Rechtsextremismus nicht mehr als Problem wahrgenommen."

Die SPD als die federführende Partei in Brandenburg über Jahrzehnte ist etwa im Süden des Bundeslandes bei weitem nicht so präsent wie die AfD, die sich dort auf jeden lokalen Protest draufsetzt - geht es nun gegen Windräder oder Asylbewerberunterkünfte.

Beobachtung durch den Verfassungsschutz - für viele Brandenburger kein Problem

Hans-Christoph Berndt etwa, der Fraktionsvorsitzende der AfD im Brandenburger Landtag, kokettiere in er Öffentlichkeit damit, dass er vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist identifiziert worden sei, so Sundermeyer. Und dies treffe nicht nur auf ihn zu: "Man macht sich darüber lustig, weil viele Menschen in Brandenburg genau das nicht als Problem wahrnehmen."

Sundermeyers Erklärung für diese Akzeptanz des Rechtsextremismus ist die zum Teil nur eingeschränkte Beachtung dieser Gefahrenwarnung des Verfassungsschutzes. Viele Menschen in Brandenburg betrachteten sich eben nicht als das Ziel rechtsextremer Geißelungen und Anklagen: "Weil sie sich nicht bedroht fühlen und ganz andere Probleme sehen: etwa die unkontrollierte Zuwanderung oder den Krieg in der Ukraine." Sie fühlten sich hier in Brandenburg eben nicht bedroht durch die Attacken und Feindbilder der AfD. "Für sie ist die AfD und der Rechtsextremismus per se kein Problem."

Rat an die anderen Parteien: "Einfach Politik machen!"

Die gesamte Berichterstattung über die AfD und die Skandalisierung ihrer Haltungen und Aktionen liefen komplett ins Leere, ebenso wie sämliche Enthüllungen über die AfD in den vergangenen Monaten.

Sundermeyer rät den anderen Parteien als besten Weg für den Umgang mit der Afd, "einfach Politik zu machen". Es gehe etwa darum, präsent zu sein: "Die AfD ist insbesondere im Süden Brandenburgs sehr viel präsenter als beispielsweise die CDU oder die SPD dort vor Ort."

"Die SPD als die federführende Partei in Brandenburg über Jahrzehnte ist etwa im Süden des Bundeslandes bei weitem nicht so präsent wie die AfD, die sich dort auf jeden lokalen Protest draufsetzt - geht es nun gegen Windräder oder Asylbewerberunterkünfte." Die AfD sei dabei immer sofort vor Ort vorsammle und Leut hinter sich bringt, die Unzufriedenhiet hinter sich bündelt".

Archivbild: Olaf Sundermeyer in der ARD-Talkshow 'maischberger' im Studio Berlin Adlershof. Berlin, 23.01.2024.(Quelle: picture alliance / Geisler-Fotopress)
Der rbb-Reporter und -Redakteur Olaf Sundermeyer | Bild: picture alliance / Geisler-Fotopress

Radikalisierung auch der Anhänger schreitet voran

Gleichzeitig schreitet Sundermeyer zufolge eine Radikalisierung auch der Anhänger voran. Das geschehe etwa mit Bündnissen und Initiativen. Sundermeyer nennt als Beispiel eine Mittelstandsinitiative in Brandenburg oder die Bauernproteste. All das seien Punkte, wo die AfD angeknüpft habe und auch die Energie dieser Proteste für sich habe nutzen können. "Die anderen Parteien stehen da nur an der Seitenlinie und schauen tatenlos zu."

In der Reportage "AfD - Plötzlich Volkspartei" (Heute Abend, 20.30 Uhr im rbb) begleitet Sundermeyer AfD-Aktivisten und Politiker der Partei.

Sendung: Radioeins, 10.06.2024, 08:40 Uhr

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45 Kommentare

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  1. 45.

    Haben sie ja wohl gemacht, wenn man sich das flächendeckende Blau ansieht. Die Quittung….wir werden sehen.

  2. 44.

    Und was hilft jetzt dieser Whataboutism? Als wenn Frankreich hier in irgendeiner Weise ein positives Vorbild wäre. Und es ist ja noch schlimmer: Die "Alternative" ist noch viel weiter rechts als die Partei von Marine Le Pen.

  3. 43.

    "Das RN lehnt immerhin die deutschen Rechtsextremen ab,"
    Aber so richtig auch erst seit der Krah-Geschichte vor der Europawahl, glaube ich...Der war dann doch zu extrem. :-)

  4. 42.

    Brandenburg ohne ausländische Fachkräfte. Das muss sich mal jemand vorstellen. Geht in 2024 doch gar nicht. Vielleicht sollten die mal einen Tag streiken, um die entstehenden Lücken im Alltag aufzuzeigen.

  5. 41.

    Das ist zwar wahr, aber 30 -40% sind trotzdem einen ganze Menge. Zumindest soviel, dass wahrscheinlich nicht nur ich ein ungutes Gefühl habe, auch was die Zukunft betrifft. Man sollte das nicht kleinreden.

  6. 40.

    Herr Sundermeyer ignoriert das Wesentliche: Die Chancenungleichheit für ostdeutsche Biographien seit 34 Jahren und die Erfolglosigkeit der Landespolotik in allen Großprojekten und welche Leute mit welchen Entscheidungen für die Misserfolge mit fremden (Förder)Geld verantwortlich sind. Das wäre eine Analsyse gewesen:
    Bezahleinstufungen, auch der eigenen Leute in den Verwaltungen,
    Spitzenposten Stellenausschreibungen
    Pensionen, Arbeitszeiten, Rentenpunkte bei schlechter Einstufung von 2 Gehaltsgruppen unter dem was üblich wäre, keine Beförderungen trotz der gemachten Arbeit, z.B. bei der Polizei oder die Lehrer usw. usf.
    Ich frage mich, warum DAS nicht SICHTBAR gemacht wird und WICHTIGE Zeichen gesetzt werden? Es geht doch sonst in einer Anzahl die die wirklichen Verhältnisse nicht widerspiegeln.

  7. 39.

    ...aber mit dem Unterschied, dass Le Pen nicht mit Höcke vergleichbar ist.
    Das RN lehnt immerhin die deutschen Rechtsextremen ab, offenbar ganz anders, als ein großer Teil der Brandenburger.

  8. 38.

    Es werden Gründe gesucht warum Rechtsextremismus nicht als das zur Zeit größte Problem gesehen wird?
    Erst Gestern in Cottbus:
    Jugendlichen mit Migrationshintergrund (aus Syrien, Afghanistan und dem Libanon) gehen mit Eisenstangen und Ästen aufeinander los...(das ist nicht das erste Mal)
    Das macht den meisten zur Zeit halt mehr Sorgen.
    Ob die AfD die Antwort ist, ist eine andere Frage.
    Würde im RBB darüber berichtet? Hab es in der Lausitzer Rundschau gelesen.

  9. 37.

    ""In Brandenburg wird Rechtsextremismus nicht mehr als Problem wahrgenommen"
    Warum auch? Sieht man doch, daß CDU/CSU und unsere akteulle Regierung kenerlei Berührungsängste mit Rechtsextremisten hat,jedenfalls solange diese in anderen Ländern tätig sind. Die AfD ist für diese Parteien nur lästige Futterkonkurrenz am Trog, der Rechtsextremismus in der AfD dient nur als Vorwand. Und als Ablenkung von eigenen Verfehlungen und antidemokrat. Bestrebungen.

  10. 36.

    Egal ob die nun 30 oder gar 40% erreicht haben.
    Im Umkehrschluss haben 60 oder gar 70% die AfD nicht gewählt.

  11. 35.

    Ich kann Ihnen nur zustimmen. Leider! Vieles oder alles was wir jetzt haben und hart erkämpft wurde wird als solches gar nicht wahrgenommen. Vielleicht lernen viele Menschen nur aus bösen eigenen Erfahrungen. Und nicht aus der Geschichte.

  12. 34.

    In Brandenburg wird anscheinend die Unfähigkeit und Realitätsferne der etablierten Parteien als größeres Problem wahrgenommen...

  13. 33.

    "Wenn in einer schwach bevölkerten Region über 40 % diese unsägliche Partei wählen..."
    Süd-Elsass (oder Haut-Rhin) 36 Prozent RN, ehemals Front National. Und da ist die Stadt Straßburg enthalten, die komplett anders gewählt hat...

  14. 32.

    Herr Sundermeyer hat Recht. Viele afd Wähler fühlen sich nicht bedroht von dieser Partei, weil sie einfach nicht weit genug nachdenken. Und das erschreckt und wirkt unreif. Wir haben(noch)freie Wahlen, freie Presse, Meinungsfreiheit usw. aber das wird offensichtlich nicht als Errungenschaft wahrgenommen. Selbst in Gegenden, wo es den Leuten relativ gut geht, mit Job, Eigenheim, gute Infrastruktur sind die Leute unzufrieden weil "andere mehr haben".....Selbst die ekelhaften Abschiebepläne dieser Partei schrecken die Wähler nicht ab.
    Was wäre denn, wenn, z.B.die ausländischen Fachkräfte auch im Gesundheitswesen, Handwerk usw. wegfallen, oder weil man selbst zu krank (und damit teuer)oder alt ist, für deren Pläne und aussortiert wird?
    Paradoxerweise wählen die Leute in einem kleinen Ort im Umland wie selbstverständlich die afd, gehen aber sehr gerne ins asiatische Nagelstudio, zum Asiaten oder Dönerladen essen, oder kaufen beim illegalen Straßenhändler ihre ZIgaretten.....

  15. 30.

    Absolute Zahlen sind aber nicht entscheidend. Wenn in einer schwach bevölkerten Region über 40 % diese unsägliche Partei wählen, dann hat diese die Region im Griff, insbesondere weil sich der Rest der Stimmen auf zahlreiche Parteien verteilt. Das ist außerhalb der östlichen Bundesländer nirgends der Fall. Es wird Zeit zu akzeptieren, dass in zahlreichen Gegenden im Osten Deutschlands trotz hohen Wohlstands eine Radikalisierung der Bevölkerung stattgefunden hat. Ich lasse mir das nicht mehr schönreden.

  16. 29.

    Und was die absoluten Wählerzahlen in Manchen Regionen angeht, da wird der Osten teils richtig blass...

  17. 28.

    Dass Rechtsradikalismus in Deutschland wieder eine starke politische Größe wird, hatte ich eigentlich gehofft nicht mehr erleben zu müssen. Nun bin ich 60 und die Rechten haben in einigen Landstrichen der Republik über 40 %. Wo ich lebe, in meinem Teil Berlins, sieht es noch gut aus, aber wenn wir jetzt nicht etwas tun, werden wir dieses Land, das meine Elterngeneration aufgebaut hat, vielleicht bald nicht mehr wiedererkennen. Noch reicht es, einen weiten Bogen um bestimmte Gegenden zu machen, die für den Moment zumindest bereits verloren sind.

  18. 27.

    "Entschuldigung, aber der ganze Osten hat blau gewählt. Was soll das Theater hier mit Brandenburg schon wieder?"
    Jetzt mal ganz davon abgesehen, dass fast jeder dritte Franzose die dortige Entsprechung gewählt hat, ohne dass jemand dieses Drittel als tumbe Protestwähler hinstellt...
    Nicht ganz so, aber dem nahekommend in Italien.

  19. 26.

    In so einem kleinen Ort zu behaupten man wüsste nicht wo politische Gegner wohnen, ist schon dreist. Das ist und war natürlich bekannt, auch den Spaziergänger und wurde auch genutzt.

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