Kommunalwahlen 2024 - Wie Bürgermeister auf ihre Bekanntheit setzen - und tricksen

Do 23.05.24 | 13:31 Uhr | Von Alexander Goligowski
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Dorfkirche Blönsdorf in Niedergörsdorf. (Quelle: dpa/Lothar Steiner)
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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 19.05.2024 | Alexander Goligowski | Bild: dpa/Lothar Steiner

Bei Kommunalwahlen gibt es das Phänomen, dass auch Bürgermeister auf Wahlzetteln zu finden sind. Auf den ersten Blick völlig in Ordnung, auf den zweiten eine taktische Masche, die auch als Wählertäuschung gedeutet werden kann. Von Alexander Goligowski

Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg werden Tausende zum größten Teil ehrenamtliche politische Posten verteilt. Doch wie funktioniert Kommunalpolitik überhaupt, was wird hier entschieden und welche Probleme gibt es? rbb|24 schaut sich in den Landkreisen und kreisfreien Städten um, welche Themen dort relevant sind.

"Persönlich finde ich das nicht ehrlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern", sagt Doreen Boßdorf, parteilose Bürgermeisterin von Niedergörsdorf (Teltow-Fläming), "und gerade in der heutigen Zeit, ist es wichtig, authentisch zu sein." Boßdorf hat sich trotz Drängens einiger Unterstützer dagegen entschieden, als Bürgermeisterin ihrer Gemeinde auch für die Gemeindevertretung bei den Kommunalwahlen am 9. Juni anzutreten.

Um zu verstehen, was an einer solchen Kandidatur problematisch sein könnte, muss man tatsächlich grundlegend werden. Die wenigsten dürften mit den Regeln der Kommunalpolitik vertraut genug sein.

Kandidatur für zweiten Sitz - und für die Liste

Bei den Kommunalwahlen werden auch Bürgermeister und Bürgermeisterinnen gewählt, aber nicht flächendeckend. In erster Linie geht es um die Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen in Brandenburg.

Auf den Stimmzetteln werden in einigen Kommunen dann aber eben auch, die Namen von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zu finden sein - beispielsweise in Jüterbog oder Luckenwalde (Teltow-Fläming), Werder (Havel) (Potsdam-Mittelmark), Premnitz (Havelland) oder Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin).

Bürgermeister Michael Schwuchow (Blankenfelde-Mahlow).(Quelle:rbb)Michael Schwuchow, Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow

Dabei haben die, und das machen sich viele vermutlich gar nicht bewusst, allein durch ihr Amt bereits einen Sitz und ein Stimmrecht in den Kommunalvertretungen. Wenn sie nun kandidieren, bewerben sie sich quasi um einen zweiten Sitz. Die Chancen, dass die Rathauschefs viele Stimmen bekommen, stehen dabei gar nicht schlecht, denn wen kennt man schon besser von all den Namen auf den Stimmzetteln als sie.

Das dürfte jedenfalls das Kalkül hinter vielen Bewerbungen sein. Der SPD-Bürgermeister Michael Schwuchow aus Blankenfelde-Mahlow (Teltow-Fläming) räumt das auch ganz offen ein: "Ich hoffe, mir in meiner mittlerweile fast fünfjährigen Amtszeit als Bürgermeister ein Grundvertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern aufgebaut zu haben", sagt er, "die auf meine Person entfallenden Stimmanteile sollen meinen Parteigenossinnen und Parteigenossen, die geeignet und fähig sind, diese Politik zu vertreten, helfen." Eine Wählertäuschung sieht er nicht.

Bürgermeisterin Doreen Boßdorf (Niedergörsdorf).(Quelle:rbb)
Doreen Boßdorf, Bürgermeisterin von Niedergörsdorf | Bild: rbb

Tatsächlich sind die Wahlen nämlich Listenwahlen – die Liste mit den meisten Stimmen bekommt auch die meisten Sitze. Dennoch wählen die Bürgerinnen und Bürger ihre Kandidatinnen und Kandidaten auch direkt und machen das Kreuz oder auch drei hinter Einzelpersonen.

Bekommt also ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin viele Stimmen, dann steht er oder sie vor der Wahl: Nehme ich das ehrenamtliche Mandat und den gewonnenen Sitz oder behalte ich den Sitz, den ich ohnehin schon habe und bleibe Rathauschef. Beides geht nicht. Weder kann man auf zwei Sitzen sein, noch darf man als Verwaltungschef oder -chefin gewählter Stadtverordneter oder -verordnete sein.

Natürlich tauscht niemand das Haupt- gegen das Ehrenamt. Von vornherein ist also klar, dass man sich um ein Mandat bewirbt, das man gar nicht wirklich will. Am Ende rückt eine Person von der Liste des Rathauschefs oder der Rathauschefin nach, die die Bürgerinnen und Bürger unter Umständen gar nicht gewählt hätten.

Rechtlich in Ordnung, aber auch moralisch?

Laut Paragraf (§) 11 des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes sind "alle wahlberechtigten Personen, die am Wahltag ihr 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten im Wahlgebiet ihren ständigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben", wählbar. Das schließt auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit ein. Sie haben wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger das Recht, für die Kommunalwahl zu kandidieren und jeder darf nach der Wahl entscheiden, ob er oder sie das Mandat annimmt. Rein rechtlich gibt es also nichts zu meckern.

Man darf aber schon die Moralfrage stellen, so wie es Frank Nerlich tut, parteiloser Bürgermeister von Wildau (Dahme-Spreewald). Nerlich hält nichts von dem Wahlkampftrick. "Sich für eine Kommunalwahl als Abgeordneter zur Wahl zu stellen, um Stimmen zu ziehen, um sich danach wieder zurückzunehmen und nicht als Abgeordneter anzutreten, ist meines Erachtens nicht richtig und nicht glaubwürdig." Es sei eine inzwischen wohl öfter genutzte, formal legitime Wahlkampfmöglichkeit, die Nerlich als wahlberechtigter Bürger bedenklich finde.

Der Rangsdorfer Bürgermeister Klaus Rocher (FDP) hält dagegen: "Unter meinen Mitbewerbern sind auch Kandidaten, die in den letzten zehn Jahren ein errungenes Mandat in der Gemeindevertretung kurz nach der Wahl abgegeben haben oder nach der Wahlgesetzgebung für eine Mandatsaufnahme ihre derzeitige Anstellung aufgeben müssten." Das sei auch nichts anderes, so Rocher.

Es gibt auch politisch hehre Motive

Tatsächlich muss man den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die zur Kommunalwahl antreten, nicht automatisch schlechte Absichten unterstellen. Rocher zum Beispiel will damit seine eigene Fraktion stärken, aber auch die demokratischen Kräfte in der Rangsdorfer Gemeindevertretung, wie er sagt. Zudem wird die Arbeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in zunehmend zerstrittenen Kommunalvertretungen auch nicht einfacher. Die steigende Zahl von Abwahlbestrebungen gegen Hauptverwaltungsbeamte in Brandenburg deutet das an.

Bürgermeister Tobias Borstel (Großbeeren).(Quelle:rbb)
Tobias Borstel, Bürgermeister von Großbeeren | Bild: rbb

Großbeerens Bürgermeister Tobias Borstel (parteilos) ist einem Abwahlbegehren seiner Gemeindevertreter vor zwei Jahren durch ein Bürgervotum entgangen. Jetzt will er sich mit seiner Liste "Unser Großbeeren" wieder Unterstützer in die Gemeindevertretung holen. In einem offenen Brief zu seiner Kandidatur schreibt er, dass jede Stimme für ihn zu einer ausgewogeneren Sitzverteilung beitrage.

Sie sollen zuerst verwendet werden, um dem Kandidaten mit den meisten Stimmen innerhalb seiner Gruppe zu helfen, die erforderliche Anzahl an Stimmen für einen Sitz zu erreichen. Sollten danach noch Stimmen übrig sein, würden die an die nächste Kandidatin oder den nächsten Kandidaten in der Reihenfolge der meisten Stimmen verteilt. "So stellen wir sicher, dass Ihre Stimme den größtmöglichen Einfluss hat", schreibt Borstel.

Willen zur Transparenz kann man ihm wohl unterstellen, aber wer liest schon einen solchen offenen Brief? Am Ende müssen die Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen haben, dass er für sie die richtigen Leute ausgewählt hat. Geben die Großbeerener Tobias Borstel ihre Stimme, könnten sie zum Beispiel seine Frau Viktoria als Gemeindevertreterin bekommen.

Kein flächendeckendes Phänomen

Ohne Zweifel legitim ist es, wenn man sich wie Mittenwaldes Bürgermeisterin Maja Buße (CDU) zugleich im Wahlkampf um das Bürgermeisterinnenamt und um die Stadtverordnetenversammlung befindet. Hier ist der Ausgang schließlich offen und sollte Buße nicht Bürgermeisterin bleiben, könnte sie sich als Stadtverordnete weiter für ihren Ort einsetzen. Für Bürgermeister Frank Nerlich aus Wildau zeigt das sogar ehrliches Interesse an der Kommune.

Es ist kein Phänomen einzelner Parteien und es sind auch keine Einzelfälle – Bürgermeister und Bürgermeisterinnen auf den Stimmzetteln der Kommunalwahl zu finden. Sie bleiben aber eine Minderheit. Die große Mehrheit der Hauptverwaltungsbeamten und -beamtinnen in Brandenburg lehnt einen Wahlkampf mit diesen Mitteln offenbar ab.

Wer am Wahltag dennoch sein Stadtoberhaupt auf dem Kommunalwahlzettel findet, der muss dann selbst entscheiden, ob er oder sie das gut findet oder nicht.

Beitrag von Alexander Goligowski

6 Kommentare

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  1. 6.

    Leider in Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf auch das Problem. In Stahnsdorf waren gerade am 03.03 Bürgermeisterwahlen und weiterhin hängen die Plakate vom Bürgermeister und sein Team, wurden noch nicht mal abgenommen

  2. 5.

    In dem Sie am Ende nur ein einziges Amt antreten können und dürfen. Daher ist es legitim.

  3. 4.

    Genau, wie die im geschrieben Beitrag geäusserten Bedenken, kann man einerseits von einer Machbarkeit ausgehen. Vom Gesetz her, ist alles gedeckt. Die bewusste Täuschung des Wählers erzeugt ein sehr fragwürdiges Moralverständnis. Man braucht sich deshalb gesellschaftlich über nix mehr wundern. Ich halte das Verhalten dieser "Stimmenfang-Genossen" für demokratiehemmungslos, zutiefst unmoralisch und für vorsätzlichen Betrug.

  4. 2.

    Wie der Bürgermeister Mathias Rudolph (BFZ) dort agiert. Er steht gleich auf drei Wahllisten: Stadtverordnetenversammlung, Kreistag und Landtag. Ein absolutes no go!

  5. 1.

    So etwas sollte einfach in der kommunal Erfassung verboten werden oder die Stimmen bei nicht-annehmens des gewonnenen Mandats verloren sein.

    Gern machten so etwas in der Vergangenheit auch landräte. Als wenn ein Landrat seinen gut bezahlten Posten für eine ehrenamtliche Gemeindevertretungen aufgeben würden.

    Dies ist kein Stimmungstest. Dies ist Wählertäuschung. Und damit nicht gerade demokratie-fördernd. In den allerwenigsten fällen werden solche Mandate angenommen. Ehrlichkeit?

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