Kommentar | Nach dem Volksentscheid - So oder so - Tegel wird schließen
Berlin-Tegel soll Flughafen bleiben, die Mehrheit der Berliner hat beim Volksentscheid mit Ja gestimmt. Das ist erst einmal ein Problem für den rot-rot-grünen Senat. Auf lange Sicht hat dieses Votum aber an anderer Stelle negative Folgen, kommentiert Jan Menzel.
Mehrheit ist Mehrheit - das ist eine der Grundregeln in der Demokratie. Doch ganz so einfach ist es leider im Falle des zum Flughafen der Herzen hochgejazzten Airports mitten in Berlin nicht. Es sei denn man ist Populist, Ignorant oder Chef von Ryanair. Die Behauptung, Tegel könne ganz einfach offen bleiben, ist schlicht nicht wahr.
Natürlich können Gesetze geändert, Flächennutzungspläne modifiziert und Genehmigungen neu erteilt werden. Es mag unter Umständen sogar einen juristischen Weg geben, Tegel als Flughafen weiter zu betreiben. Doch dieser Weg wäre ein unverantwortliches Risikospiel. Rund eine Milliarde Euro kostet es, den auf Verschleiß gefahrenen Flughafen wieder flott zu machen. Hunderte Millionen Euro wären fällig, um Hunderttausenden Anwohnern den Lärmschutz zu geben, der ihnen gesetzlich zusteht. Sicher wäre nur, dass ein offener Flughafen Tegel jahrelange Rechtsunsicherheit produziert, weil die Lärm-Opfer klagen werden.
Was bleiben wird, ist Politikverdruss
Mehrheit ist Mehrheit, das stimmt. Der Preis dieser Mehrheit ist aber verdammt hoch. Die FDP hat, im Schlepp mit den Rechtspopulisten der AfD und Teilen der CDU, den Menschen - oder wie es jetzt wohl wieder öfter heißen wird: dem Volk - Sand in die Augen gestreut. Nicht einmal ein richtiges Gesetz haben die selbst ernannten Tegel-Retter zur Abstimmung gestellt. So viel zur Seriosität des Volksentscheids. Was bleiben wird, ist Politikverdruss - und das für ein paar Prozentpünktchen.
Mehrheit ist Mehrheit, das bedeutet für den Berliner Senat: Er wird nun reden müssen, mit dem Bund und mit Brandenburg, den beiden anderen Flughafen-Gesellschaftern. Nach publikumswirksamer Abwägung wird am Ende dieser Gespräche das stehen, was schon vor mehr als 20 Jahren beschlossen und durch die Gerichte bestätigt wurde: Tegel macht zu, damit der BER öffnen kann. Womit wir beim Grund-Übel wären: Erst wenn aus der hochnotpeinlichen BER-Baustelle ein fertiger Flughafen geworden ist, werden die Wähler Tegel durch eine andere Brille sehen.
Der Blick der Berliner wird am Ende ein anderer sein
Das gab es übrigens schon einmal: Vor fast zehn Jahren beim Volksentscheid über den Flughafen Tempelhof ging es auch um dubiose Geschäftsinteressen und kurzfristiges politisches Kalkül. Auch damals wurde ein verkitschter Popanz um Tempelhof als Mutter aller Flughäfen aufgebaut.
Und heute? Will niemand mehr von Tempelhof fliegen. Die Berlinerinnen und Berliner haben sich die Freifläche erobert und wollen sie nicht wieder hergeben. Dieses schöne Schicksal blüht auch Tegel.