Gescheitertes Projekt in Berlin-Pankow - Warum es Baugruppen auf dem Wohnungsmarkt so schwer haben

Do 13.07.17 | 05:45 Uhr | Von Ute Barthel, Redaktion Investigatives und Hintergrund
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Eine Baustelle an der Berliner Heidestraße, aufgenommen am 26.06.17 (Quelle: imago / CHROMORANGE / Marcus Krauss).
Video: Abendschau | 13.07.2017 | Ute Barthel | Bild: CHROMORANGE / Marcus Krauss

Baugruppen galten in Berlin gerade für Mittelstandsfamilien bisher als gute Alternative, um an eine eigene Neubauwohnung zu kommen. Doch heute können diese auf dem Grundstücksmarkt nicht mehr mithalten - ein Beispiel aus Pankow. Von Ute Barthel

Nur noch Schutt ist übrig von den Werkstätten eines Gewerbegrundstückes in der Thulestraße in Pankow. Unter diesem Schutt liegt Petra Schulz' Traum von der eigenen Wohnung begraben. "Jedes Mal wenn ich vorbei komme versetzt es mir einen Stich", sagt sie, als sie den Baggern bei den Abrissarbeiten zuschaut. Noch vor einem Jahr hatte sie die große Hoffnung, ihren Traum hier mit einer Baugruppe verwirklichen zu können.

"Das war für uns die Chance, noch halbwegs bezahlbar an Wohneigentum zu kommen. Die Wohnungen hätten so im Schnitt 3.600 Euro (den Quadratmeter, d.Red.) gekostet" erzählt Schulz, eine agile Frau Anfang 40. Sie arbeitet als Juristin in einem Berliner Unternehmen und verdient gut. Ihr Mann hat als Aufnahmeleiter beim Sportfernsehen auch kein schlechtes Einkommen. Noch wohnen sie mit ihren beiden Söhnen im Prenzlauer Berg zur Miete. Schon seit längerem wollen sie eine Wohnung kaufen, doch bisher hatten sie nichts passendes gefunden. Das Projekt in Pankow sei ihnen ideal erschienen, sagt Schulz.

Um 50 Prozent überboten

"In einer Baugruppe spart man sich die Maklergebühren und außerdem kann man schon im Vorfeld die Wohnungen mitgestalten. Diese Idee ist perfekt", zählt sie die Vorzüge aus ihrer Sicht auf. Das Areal an der Thulestraße ist so groß ist wie zweieinhalb Fußballfelder. Das Projektbüro, mit dem die Gruppe das Bauvorhaben umsetzen wollte, hatte dafür insgesamt 31 Millionen Euro geboten. Auf der einen Hälfte der Fläche wollte die Baugruppe 180 Wohnungen errichten, auf der anderen Hälfte sollte ein internationaler Investor bauen. Doch dann wurden Schulz und die anderen Mitglieder überboten.

"Der große Schlag kam im Herbst. Da hieß es vom Projektbüro, das Grundstück könne nicht erworben werden. Weil es in dem Vorvertrag eine Klausel gebe, in der stehe: Wenn jemand 50 Prozent mehr bietet als diese 31 Millionen - das sind ja rund 50 Millionen – dann würde das Grundstück nicht an die Baugruppe gehen", sagt Schulz. Und diesen hohen Preis war jemand anderes durchaus bereit zu zahlen.

Petra Schulz, ehemaliges Mitglied einer Baugruppe für ein - letztlich gescheitertes - Projekt in der Thulestraße in Berlin-Pankow, aufgenommen am 12.07.17 in Berlin (Quelle: rbb24 / Barthel)
Petra Schulz auf der Baustelle in der Thulestraße - dort baut jetzt ein großer Immobilienentwickler. | Bild: rbb/Ute Barthel

Zu teuer selbst für die obere Mittelschicht

Jetzt baut der Immobilienentwickler Münchner Grund hier Eigentumswohnungen, die er frei vermarkten will. Doch diese sind dann für Petra Schulz zu teuer - obwohl sie schon zur gut verdienenden Mittelschicht gehört. "Mein Mann und ich sind jetzt 20 Jahre im Job und finanziell 'gesettled'. Wenn noch nicht mal wir das schaffen, wer soll‘s denn dann machen?“, fragt sie und schüttelt den Kopf. 

Für junge Familien stehen die Chancen, Wohneigentum in Berlin zu erwerben, besonders schlecht. Die Eigentümerquote in der Hauptstadt liegt bei nur 15 Prozent, in ganz Deutschland hingegen bei 45 Prozent. Das zeigt eine Studie des Eduard-Pestel-Instituts. Der Leiter, der Wohnungsmarktexperte Matthias Günther, sieht als Grund für diese niedrige Quote nicht nur die gestiegenen Bodenpreise. "Die mittlere Einkommensgruppe hat auch Schwierigkeiten, an Kredite zu kommen. Es wird ein hohes Eigenkapital verlangt - und Kredite mit langjähriger Zinsbindung sind für sie nur schwer zu kriegen. Von daher kann diese Einkommensgruppe im Moment in Berlin gar kein Wohneigentum bilden", erklärt der 57-jährige Ökonom.

(Quelle: rbb/ute Barthel)Der Rohbau an der Hochstraße in Wedding - nicht gerade ideal gelegen, aber etwas Besseres ist für Baugruppen nur noch selten zu kriegen.

Auf der einen Seite die S-Bahn, auf der anderen die Fernbahntrasse

Noch vor zehn Jahren hatte eine Familie mit einen mittlerem Einkommen noch eine realistische Chance auf dem Berliner Markt, wenn sie sich mit Gleichgesinnten zu einer Baugruppe zusammen schloss. Da solche Gruppen nur zum Selbstkostenpreis bauten und keinen Gewinn mit dem Wohnhaus erwirtschaften wollten, konnten sie immerhin 15 bis 20 Prozent sparen.

Viele dieser Baugruppen waren Eigeninitiativen, gegründet von Architekten, die dann die Projekte entwickelten. Alois Albert war einer der ersten in Berlin, im Moment baut seine Gruppe ein Haus in der Hochstraße im Wedding. 36 Wohnungen für kleine Familien entstehen hier. Auf der Baustelle ist es laut, nicht nur wegen des Baulärms. Denn auf der einen Seite fährt die S-Bahn, auf der anderen Seite verläuft die Fernbahntrasse.

"Als wir das angefangen haben, war der Grundstücksmarkt noch relativ ruhig und dieses hier war nicht eines der besten", sagt der Architekt, der in seinem Sakko und seiner Schirmmütze wie ein Künstler wirkt.

Kommunaler Wohnungsbau hat für den Senat Vorrang

Vielleicht konnten sie der Bahn das 2.000 Quadratmeter große Grundstück auch deshalb für 600.000 Euro abkaufen. Das war vor fünf Jahren, inzwischen müssten sie schätzungsweise das Doppelte dafür bezahlen. "Wenn das so weiter geht mit den Preisen, dann werden Baugruppen bald aussterben", sagt Alois Albert. Er wünsche sich, dass die Stadt bei der Vergabe öffentlicher Grundstücke Baugruppen stärker berücksichtige. Man brauche eigentlich nur mehr Zeit, damit man in Ruhe die Finanzierung auf die Beine stellen könne. Denn meistens können große Bauträger viel schneller die verlangte Summe für ein Grundstück aufbringen.

Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) kennt zwar die Sorgen der Baugruppen, kann ihnen aber nicht viel anbieten. "Wenn wir neue Quartiere in der Stadt entwickeln, wollen wir auch Baugruppen dabei haben. Allerdings zu der Bedingung, dass es eine Einkommensmischung gibt und ein Teil der Wohnungen auch zu Belegungsbindungen angeboten wird", sagt Lompscher. Den Vorrang hat bei der Vergabe von städtischen Grundstücken der kommunale Wohnungsbau. Die wenigen Flächen, die übrig bleiben, sollten dann in einem Konzeptverfahren vergeben werden, sagt die Bausenatorin: "Die Interessenten bewerben sich mit einer Idee und der Preis ist am Ende dann nachrangig."

Alois Albert, Architekt und Spezialisit für Baugruppen in Berlin, aufgenommen am 12.07.17 (Quelle: rbb24 / Barthel).Früher einer der ersten, jetzt muss Alois Albert mit Baugruppen für die wenigen verfügbaren Grundstücke Schlange stehen.

"Gefühlt 40 Baugruppen-Entwickler auf zehn Wohnungen"

Genau das geschieht gerade bei einem Areal in der Nähe des Bahnhofs Südkreuz. Zwei Grundstücke sind dort für Baugruppen im Angebot. Die Zahl der Bewerber ist geheim, weil das Verfahren noch läuft. Alois Albert sagt, er vermute, dass es sehr viele seien. "Wenn im Moment mal ein Grundstück angeboten wird, dann bewerben sich gefühlt 40 Baugruppenentwickler auf zehn Wohnungen." 

Doch mehr Flächen kann auch die Bausenatorin nicht herzaubern. Die Baugruppen müssen wohl an den Stadtrand und ins Umland ausweichen, wo Land noch halbwegs bezahlbar ist. Petra Schulz und ihr Mann haben bisher noch keine neue Gruppe gefunden. Sie wohnen bis heute zu viert in ihrer Dreizimmer-Wohnung.

Sendung: Abendschau, 13.07.2017, 19:30 Uhr

Beitrag von Ute Barthel, Redaktion Investigatives und Hintergrund

3 Kommentare

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  1. 3.

    Gehören Sie auch zu der Sorte Projektentwickler, denen es nicht teuer genug sein kann?
    Warum soll die hier genannte Familie für 5000 kaufen, wenn es ohne Bodenspekulation auch für 3600 ginge?
    Berlin sollte froh sein um diese gehobene Mittelschicht und alles tun, damit sie in der Stadt bleibt und nicht den Pendlerstrom auf Straßen und S-Bahnen verschärft.
    Aber so weit scheint Ihr Denken nicht zu reichen

  2. 2.

    Ach Gottchen, die arme obere Mittelschicht, die sich nichts leisten kann. Das ist doch totaler Blödsinn, mit Verlaub. Das ist in Berlin noch immer eher eine Anspruchsfrage, wenn die Leute was eigenes wollen, dann soll es immer gleich groß sein. Zu viert kann man aber gut mit 90 Quadratmetern auskommen und selbst bei einem Quadratmeterpreis von 5.000 Euro sind das nur 450.000. Ohne Erspartem sind das auf 20 Jahre rund 2.000 im Monat - aber das Beispielpaar im Bericht hatte mit ihrer niedrigen 00er-Jahre-Miete ja wohl genug Zeit, was zur Seite zu legen.

  3. 1.

    Also, Preise von 2.000 EUR je m² gab's ja vor ein paar Jahren auch schon. Nur stand damals das Haus mit der Eigentumswohnung fix und fertig schon drauf! Wie die Grafik ja sehr anschaulich zeigt, schießen die Preise seit zwei Jahren völlig ungebremst durch die Decke. Für Investoren lohnen sich dann nur Bauvorhaben mit Luxuswohnungen, da anderenfalls eine negative Rendite rauskommen würde. Dass aber eben diese Luxus-Paläste nicht von Berlinern erworben werden können sondern wiederum zu ungenutzten Spekulationsobjekten ausländischer Investoren verkommen, ist fast unausweichlich. Nur wird diese Blase irgendwann platzen müssen - der Knall wird laut und das Beben heftig werden, fürchte ich...

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