Tödliche Angriffe in Berlin - Verband der Frauenberatungsstellen kritisiert mangelnden Schutz vor Gewalt

Mo 02.09.24 | 11:26 Uhr
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Symbolbild: Gestelltes Bild zum Thema häusliche Gewalt. (Quelle: dpa-Bildfunk/Maurizio Gambarini)
Bild: dpa-Bildfunk/Maurizio Gambarini

Fast jeden zweiten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. In Berlin gab es zuletzt zwei Fälle von mutmaßlicher Partnergewalt. Der Verband der Frauenberatungsstellen sieht noch viele Lücken im Schutz von Frauen.

Beim Schutz von Frauen vor schlimmstenfalls sogar tödlicher Partnerschaftsgewalt ist in Deutschland aus Sicht des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (BFF) noch viel zu tun. Häufig bekämen betroffene Frauen den lapidaren Rat "Trenn dich doch einfach", doch dies könne gefährlich sein, wenn die Gefahr ignoriert werde, erläuterte die Geschäftsführerin des Dachverbandes BFF, Katja Grieger.

Es sei wichtig, dass Frauen professionelle Hilfe bekommen, zum Beispiel in einer Beratungsstelle. Insgesamt werde in Deutschland viel zu wenig Geld in den Schutz von Frauen investiert, betonte Grieger auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Gleich zwei Todesopfer innerhalb weniger Tage in Berlin

Im Jahr 2023 wurden nach Zahlen des Bundeskriminalamts in Deutschland 155 Frauen durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet - das waren 22 mehr als im Vorjahr. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum wurden 24 Männer Opfer tödlicher Partnerschaftsgewalt.

Allein in Berlin gab es zuletzt gleich zwei solcher Fälle, bei denen Frauen umgebracht wurden. Am Freitagabend wurde eine 28-Jährige ersten Erkenntnissen zufolge von ihrem ehemaligen Lebensgefährten erstochen. Nur wenige Tage zuvor war eine 36-Jährige mutmaßlich von ihrem Ex-Mann ermordet worden.

Generell würden sogenannte Femizide - die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts - häufig in Trennungssituationen oder nach Trennungen verübt, erläuterte Grieger vom Bundesverband BFF. "Wenn eine Partnerschaft zuvor bereits gewaltbelastet, kontrollierend und demütigend war, dann besteht das größte Risiko für eine Tötung dann, wenn die betroffene Frau eine Trennungsabsicht äußert, sich trennt oder getrennt hat."

Solidarität aus dem nahen Umfeld wichtig

Wenn Frauen Gewalt erlebten oder davon bedroht seien, wendeten sie sich oft zunächst an Menschen aus dem nahen sozialen Umfeld, etwa Freundinnen oder Familienmitglieder. "Hier ist es sehr wichtig, dass die angesprochenen Vertrauenspersonen solidarisch und unterstützend reagieren", betonte Grieger. Nicht selten berichteten Betroffene jedoch, dass sie so etwas gehört haben wie "da gehören doch immer zwei dazu" oder "das kann ich mir gar nicht vorstellen, das ist doch so ein netter Kerl".

Grieger erläuterte: "Unterstützung bekommen Betroffene in Beratungsstellen. Dort arbeiten kompetente Spezialistinnen, die sich mit dem Thema auskennen und auch gemeinsam mit der Frau eine Abschätzung der Gefährdung vornehmen können." Bei großer Gefährdung könnten Frauen in ein Frauenhaus gehen, sofern sie einen Platz finden. "In Fällen akuter Eskalation und Gefahr sollte die Polizei hinzugezogen werden, sie ist für die akute Gefahrenabwehr zuständig."

Gefährdungsmanagement in Deutschland nicht flächendeckend

Grieger wies darauf hin, dass die sogenannte Istanbul-Konvention - ein Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt - in Deutschland seit 2018 geltendes Recht sei. Aber leider gebe es das darin vorgesehene Gefährdungsmanagement in Deutschland bisher nicht flächendeckend.

So verlange das Übereinkommen, dass eine systematische Risiko- und Gefährdungseinschätzung vorgenommen werde, bei der alle relevanten Akteure - etwa Polizei, Jugendamt oder Beratungsstellen - gemeinsam die Gefahrenlage und das Risiko für die Frau und ihre Kinder abschätzen und dann passende Maßnahmen ergreifen. Doch das koste Geld, weil es personalintensiv sei, erklärte Grieger.

Gewalthilfegesetz soll kommen

Auch kritisierte sie, dass sich das sogenannte Gewalthilfegesetz immer noch nicht im Gesetzgebungsverfahren befinde. "Nur ein solches Gesetz gekoppelt mit einem Aufwuchs an finanziellen Mitteln kann wirklich etwas an der täglichen Gewalt ändern, die an jedem zweiten Tag für eine Frau tödlich endet."

Als Reaktion auf die beiden Gewalttaten in Berlin hatte Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) betont, sie bereite das Gewalthilfegesetz derzeit vor - es solle allen Gewaltbetroffenen einen Anspruch auf Hilfe einräumen. "Das rettet Leben. Das wird auch Geld kosten, damit wir die Bundesländer unterstützen, mehr Prävention und Schutzplätze für Frauen bereitzustellen. Wir haben viel zu wenige davon", hieß es dazu von Paus.

18 Kommentare

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  1. 18.

    Ihr Erklärungsversuch macht Ihren Kommentar nicht wirklich besser. Das Wort "verharmlosen" in Ihrem ersten Kommentar ist nach wie vor die vollkommen falsche Wahl gewesen und war deplatziert. Sie versuchen sich jetzt irgendwie zu erklären, anstatt wirklich sehen zu wollen, dass diese Wortwahl vollkommen unpassend von Ihnen war. Jede Tötung einer Frau ist eine Tötung zuviel. Da passt das Wort "verharmlosen" einfach überhaupt nicht. Und weil ich Sie und Ihre Argumentation kenne, schreibe ich noch dazu, dass Gleiches natürlich auch für Männer gilt. Aber hier geht es um Femizide und egal, was Sie jetzt noch versuchen zu erklären, dieser hier genannte Bereich gehört nun mal dazu. Warum lesen Sie sich nicht, wie schon vorgeschlagen, wirklich die Definition von Femizid durch?

  2. 17.

    "Was ist bitte an der Einordnung 'Femizid' verharmlosend?" Ganz einfach. Es lenkt von der wahren Ursache ab, indem es die Tat zu verallgemeinern versucht. Nicht jeder Frauenmord ist auch ein Femizid, aber jeder Femizid ist ein Frauenmord

  3. 16.

    "Bitte verharmlosen Sie die Taten nicht als Femizid."

    Verharmlosen? Meinen Sie nicht, dass das Wort "verharmlosen" bei diesem Thema vollkommen deplatziert ist? Manchmal wünschte ich mir wirklich, manche Menschen würden etwas mehr nachdenken, wie ihre Worte wirken, bevor sie ihren Kommentar abschicken.

  4. 14.

    Was ist bitte an der Einordnung 'Femizid' verharmlosend? Wenn Sie die Definition des Begriffs nicht kennen, dann finden Sie, bei Interesse, Hilfe zur Begriffsklärung bei seriösen Medien, wie etwa tagesschau.de, notfalls bei Wikipedia. Ein sogenannter "Ehrenmord" ist lediglich Teilaspekt im Straftat-Bereich 'Femizide'.
    Eine anspruchsvollere Rechtseinordnung finden Sie hier:

    https://www.bpb.de/themen/gender-diversitaet/femizide-und-gewalt-gegen-frauen/517633/femizide-rechtlicher-rahmen-und-strafverfolgung/

    Wenn Sie dann bereits bei 'Begriffserklärungen' sind, dann nehmen Sie sich bitte auch etwas Zeit für den Begriff 'Derailing'.

  5. 13.

    Was regt ihr euch auf. Alle wissen worum es geht. Wollen wir aber nicht näher erläutern. Fehlt auch irgendwie im Beitrag.

  6. 12.

    Ehe Sie Unsinn schreiben, sollten Sie sich informieren! Sie haben nicht immer recht, wie schon öfter:
    ,,Der intime Femizid bezieht sich auf die Tötung einer Frau durch aktuelle oder frühere Intimpartner wie Ehemann, Lebensgefährte, Freund oder Sexualpartner. Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass Frauen generell ein deutlich höheres Risiko tragen, durch einen Intimpartner getötet zu werden, als Männer. Laut UNODC lag 2017 weltweit der Anteil der weiblichen Mordopfer bei 19 %, bei Morden durch Intimpartner oder Familie bei 64 % und bei Morden durch Intimpartner bei 82 %. Dazu kommt noch, dass viele Frauen, die ihren Intimpartner töten, aus Notwehr handeln, nachdem sie in der Beziehung fortwährend Gewalt und Einschüchterung erlebt haben.[66][67][68]''W.

  7. 11.

    Was soll das denn sein? Der Bedeutung nach wären das Morde nach Vergewaltigung. Darum geht es hier aber definitiv nicht. Nennen wir es doch beim Namen. Es sind Ehrenmorde, von mir aus auch Eitelkeitsmorde, Gekränktsein-Morde, Verletztsein-Morde oder sonstwie. Aber es sind eben keine Frauenhass-Morde im Allgemeinen, da sich der Hass gegen die weibliche Person an sich und nicht deren Geschlecht richtet.

  8. 10.

    Hier handelt es sich in den meisten Fällen um den sogenannten Intim-Femizid.

  9. 9.

    Machen wir uns ehrlich! Es wird niemals einen absoluten oder ausreichenden Schutz für Frauen vor gewalttätigen Ehemännern geben, es sei denn, sie tauchen unter. Genau das ist aber in den meisten Fällen keine Option, da dies das Abbrechen sämtlicher sozialer und familiärer Kontakte erfordert. Unser Rechtsstaat kennt leider keine wirklich geeigneten Mittel zum Schutz, da eine vorauseilende Sanktionierung nicht möglich ist. Die vorausgegangenen Gewalttaten sind oftmals nicht juristisch ausreichend belegt und selbst wenn, dauert es bis zur Verurteilung viel zu lange. Wird der Täter nicht zu Haft verurteilt, besteht dauerhafte Gefahr, zumal dann oft noch Rachegelüste dazu kommen. Auch gemeinsames Umgangsrecht mit den Kindern birgt eine ständige Gefahr, die von Familiengerichten oft ignoriert wird. Eine kurzfristige Lösung sind Frauenhäuser und davon braucht es deutlich mehr. Aber langfristig hilft nur räumliche Distanz, sehr viel Distanz. Und das heißt innerhalb Deutschlands umziehen.

  10. 8.

    Bitte verharmlosen Sie die Taten nicht als Femizid. Diese Frauen werden nicht wegen ihres Geschlechts getötet, sondern wegen ihrer Abkehr vom gekränkten Ehemann bzw. Freund. Femizide bedeuten einen allgemeinen Hass auf Frauen, diese Täter haben aber Hass auf eine ganz bestimmte, in ihren verqueren Vorstellungen ihnen gehörende Frau. Es sind schlicht und ergreifend Ehrenmorde und die kommen auch nicht nur in einem Kulturkreis vor. Sie resultieren aus einem mangelnden Selbstbewusstsein und der damit einhergehenden Selbstüberhöhung, um ein Gefühl der Überlegenheit auszuleben.

  11. 7.

    Offenbar schaffen es Täter regelmäßig den Aufenthaltsort ihrer Opfer ausfindig zu machen. Da kann man sich vorstellen, wie groß der Hass und die kriminelle Energie sein muß, um in einer Großstadt wie Berlin einen Menschen aufzuspüren. Warum werden Betroffene nicht mit neuer Identität ausgestattet und an einem anderen Ort (deutschlandweit, besser europaweit) in Sicherheit gebracht. Die zusätzlichen Kosten können doch eher überschaubar genannt werden.

    Was ist mit der Frau in der Residenzstraße, deren Kinder soviel Glück hatten, bei der Flucht vor der Gewalt des Täters zufällig auf Polizisten zu treffen, die einen vollendeten Femizid glücklicherweise verhindern konnten. Weshalb taucht sie in der Aufzählung am Anfang nicht auf? Ist sie jetzt nicht mehr Opfer, da sie anscheinend knapp überlebt hat? Vielleicht lässt sich eine "Dunkelziffer" besser in einen "Hellraum" wandeln, wenn man Opfer immer den Raum lässt, der ihnen zusteht, nämlich im schützenden Mittelpunkt der Gesellschaft.

  12. 5.

    Leider ist ihre Aussage nicht ganz richtig. Bei häuslicher Gewalt wird grundsätzlich durch die Polizei eine zehntägige Wohnungsverweisung gegen den Verursacher ausgesprochen. Diese Zeit soll dem Opfer die Möglichkeit geben, sich an mögliche Stellen zu richten. Leider sind es oftmals die Opfer selbst, welche die Täter auch innerhalb dieser Zeit wieder in die Wohnung lassen. Sicherlich nicht unbedingt schuldhaft sondern eher weil sie in einer Art Abhängigkeit stehen.

  13. 4.

    ...manch späteren Opfer sind nicht in der Lage oder nicht mehr in der Lage, wirklich Hilfe zu suchen. Die Dunkelziffer dieser gewalttätigen Männer ist bedrückend. Nationalität egal. Es gibt auch genug german Boys die nichts anderes gelernt haben und können.
    Gesellschaftliche Stellung, arm oder reich, Häuslebauer oder Plattenwohnung: völlig egal. Es geht quer durch. Ganz ganz üble Chose.
    Zunehmend. Ich meine hier die wirkliche Gewalt an Frauen. Ich bin keine Männerhasserin. Aber meine Söhne sind dahingehend tugendhaft erzogen; keine Gewalt.

  14. 3.

    Stimme Ihren Kommentar zu. Leider ist das Realität. In manchen Fällen kann auch die Opferhilfe sehr viel tun. Habe es schon mal bei einer leidgeprüften Frau mit erlebt. Die Sache ging bis vors Gericht und erst dann hörte das Stalking auf. Die Richterin war sichtlich erbost und verärgert über den Angeklagten.

  15. 2.

    Wie oft sind solche Menschen vorher schon gewalttätig gewesen? Menschen die Gewalt gegen Ihre Partner ausüben, sollten - falls abschiebbar - umgehend abgeschoben werden oder falls nicht, mit einer Fußfessel versehen werden. Bei unerlaubter Annäherung an das Opfer, sollten sie sofort polizeilich gesucht und zum Schutz des Opfers in Haft genommen werden. Gewalt geht in Deutschland nicht. Schon gar nicht gegen den (Ex-) Partner. Ob der Täter (mwd) Deutscher oder Ausländer ist, darf dabei keine Rolle spielen.

    Frauenhäuser können auch erst mal helfen, aber es sollte eigentlich nicht sein, dass sich in Deutschland jemand verstecken muss, um der Gewalt durch den Partner (mwd) aus dem Wege zu gehen. Ich war gestern in der Nähe eines jüdischen Seniorenheims. Da gab es einen Zaun und einen polizeilichen Wachdienst. Schade, dass solche Sachen in D erforderlich sind.

  16. 1.

    Im Zweifelsfall hält die Polizei eine Gefähreransprache und das wars. Oder nimmt einen gewalttätigen Partner kurz in Gewahrsam und dann kehrt er zurück. Um dann noch wütender zu sein (weil ja jetzt die Behörden aktiv sind) und ggf. NOCH aggressiver.
    Na ja, und dass "Annäherungsverbote" (Ganz ehrlich, wer soll denn die durchsetzen?) nichts nützen, ist doch auch irgendwie klar.
    Also, im Endeffekt gäbe es nur die Möglichkeit Frauenhaus-Vermittlung neuer Wohnung (hahaha, in Berlin *lol*...) bzw. auch heimlicher Umzug auf eigene Faust etwas nützen würde. Das Opfer muss selber aktiv werden m.M.n., denn man kann sich nicht darauf verlassen, dass die Behörden einem IRGENDWIE helfen.

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