Schuldenbremse umgangen - "Brandenburg-Paket" soll nach Urteil zu Sondervermögen geprüft werden

Di 21.11.23 | 19:34 Uhr
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Symbolbild: Katrin Lange (SPD), Finanzministerin des Landes Brandenburg, unterhält sich während der Landtagssitzung mit Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident des Landes Brandenburg. (Quelle: dpa/B. Settnik)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 21.11.2023 | Material: Andreas W. Hewel | Bild: dpa/B. Settnik

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt des Bundes beunruhigt auch die Brandenburger Landespolitik. Denn auch hier wurde die Schuldenbremse umgangen. Finanzministerin Lange zeigt sich aber optimistisch.

Die Brandenburger Landesregierung prüft, welche Auswirkungen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum 60-Milliarden-Euro-Sondervermögen der Bundesregierung möglicherweise auf den Landeshaushalt hat. Die Karlsruher Richter hatten die Umwidmung der Mittel durch die Ampel-Koalition für verfassungswidrig erklärt [tagesschau.de].

Brandenburg hat im Doppelhaushalt 2023/24 das sogenannte Brandenburg-Paket verankert. Mit zwei kreditfinanzierten Milliarden sollten darüber die Auswirkungen des Ukraine-Krieges abgefedert werden. Der Landtag hatte dafür für beide Jahre eine Notlage erklärt.

Finanzministerin sieht andere Situation als im Bund

Landesfinanzministerin Katrin Lange (SPD) sagte am Dienstag in Potsdam, sie halte das Brandenburg-Paket nach wie vor für verfassungsgemäß. "Anders als der Bund hat Brandenburg nicht nachträglich Corona-Kredite umgewidmet", so Lange. Sie forderte, das Prinzip der Schuldenbremse zu überdenken. "Für mich ist die Schuldenbremse eine Schön-Wetter-Regel." Gerade in Krisenzeiten dürfe aber das Budgetrecht der Parlamente nicht durch sie beschränkt werden, damit der Staat handlungsfähig bleibe. "Es muss den Parlamenten freigestellt sein, wofür sie Schulden aufnehmen und wofür nicht", so Lange.

Ihr Parteikollege und parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Ludwig Scheetz, kritisierte die Schuldenbremse ebenfalls. Sie produziere Investitionsstau. "Wenn alle Bundesländer über kreative Wege versuchen, die Schuldenbremse zu umgehen, etwa in Form von Sondervermögen, dann muss man resümieren, dass die Schuldenbremse nicht funktioniert." Er plädierte dafür, sie für Investitionen zu lockern.

CDU: Jede einzelne Maßnahme in Brandenburg-Paket prüfen

Für eine solche Regelung sprach sich auch der finanzpolitische Sprecher von Bündnis90/Die Grünen, Thomas von Gizycki, aus. Für das Brandenburg-Paket befürchtet er keine negativen Konsequenzen aus dem Bundes-Urteil. Immerhin sei für die beiden Jahre 2023 und 2024 vom Brandenburger Landtag explizit die Notlage erklärt worden, um die Kreditaufnahme zu rechtfertigen. Die Brandenburger Landesverfassung sieht für Notlagen Ausnahmen von der Schuldenbremse vor.

Neue verfassungsrechtliche Anforderungen an das Brandenburg-Paket sieht hingegen Jan Redmann, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag. Das könne bedeuten, dass der Landtag die Notlage für beide Jahre noch einmal separat feststellen müsse. Aber auch für Projekte, die über das Brandenburg-Paket bezahlt werden, stellt Redmann Konsequenzen in Aussicht: Es sei jetzt zu prüfen, "ob jede einzelne Maßnahme im Brandenburg-Paket auch den Veranlassungszusammenhang erfüllt, den das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung definiert hat", so Redmann.

Das Gericht hatte unter anderem kritisiert, dass Maßnahmen, die aus dem 60-Milliarden-Sondervermögen des Bundes finanziert werden sollten, nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der vorher definierten Krise standen [tagesschau.de].

Landesrechnungshof und AfD gegen Brandenburg-Paket

Der Brandenburger Landesrechnungshof sieht derweil seine Kritik am Brandenburg-Paket bestätigt. Präsident Christoph Weiser sagte dem rbb: "Die mitunter sehr kreativen Haushaltsgestaltungen in den Ländern werden künftig der Vergangenheit angehören und das wird die Politik auch in Brandenburg vor große Probleme stellen."

Das Brandenburg-Paket sei zwar mit der Ukraine-Krise begründet, aber zu weit gefasst. "Transformation, Klimaschutz oder auch Infrastrukturmaßnahmen sind Themen, die auch schon vor der Ukraine-Krise auf der politischen Tagesordnung standen", so Weiser. Das Brandenburg-Paket könnte damit gegen die Schuldenbremse verstoßen, die auch in der Landesverfassung verankert ist.

Gegen den Doppelhaushalt 2023/24 und das Brandenburg-Paket klagt derzeit die AfD-Landtagsfraktion vor dem Brandenburger Landesverfassungsgericht. Ihr Fraktionsvorsitzender Hans-Christoph Berndt begründet das damit, dass die Landesregierung sich mit dem Brandenburg-Paket einen "Schattenhaushalt für Klientelpolitik" geschaffen habe. Er erwarte, dass das Landesverfassungsgericht das Paket in dieser Form nun für rechtswidrig erkläre. Ein Eilantrag der AfD-Fraktion gegen den Doppelhaushalt war bereits vom Landesverfassungsgericht abgelehnt worden. Das Hauptsacheverfahren steht noch aus.

Die Linke im Landtag befürchtet derweil weitreichende Auswirkungen des Sondervermögen-Urteils auf Brandenburg. "Die Landesregierung muss jetzt klären: Was passiert mit Strukturmitteln für die Lausitz? Was passiert mit Umbaumitteln für Schwedt?", so der Fraktionsvorsitzende Sebastian Walter. Auch er plädierte dafür, die Schuldenbremse abzuschaffen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 21.11.2023, 19:30 Uhr

22 Kommentare

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  1. 22.

    Privat dürfen Sie Ihren Haushalt verschulden.
    Politiker haben sich eine Verfassung gegeben.... aus gutem Grund. Und sind durch Corona gekommen.
    Ich sehe Verschwendung, wenn man 2/3 des Haushaltes „aufisst“ statt richtig investiert. Sie sehen ein „Kaputtsparen“. Jeder „chinesische Suppenhändler“ erkennt, dass gar nicht gespart wurde. Es wurde die Neuverschuldung begrenzt. Sie setzen Nebelkerzen um Ungesetzliches so darzustellen als wenn die Zukunft gefährdet ist. Es ist aber umgedreht eher der Fall. Das Prinzip um zu einer Staatspleite zu kommen ist... Die Schulden Stück für Stück auszuweiten. Und unter Linksgerichteten reicht es nie... Nichteinmal ohne die Schuldenbremse.

  2. 21.

    "Merz der Retter statt „Dieb“? "
    Bislang kam außer "Ampel schlecht und doof" nicht all zu viel von Hr. Merz.
    Ein Rückfall in die Zeiten Merkel/Schäuble nur mit noch konservativerer und weniger christlicher/sozialer Ausprägung bringt unserem Land was?
    Das was wir seit Jahren erleben und immer weiter an die Nachfolgegenerationen vererben?
    Kaputte Bahn, kaputte Straßen, zu wenig günstige Wohnungen, veraltete importabhängige umweltschädliche Energieversorgung, überbordende Bürokratie, was noch? Einen ausgeglichenen Haushalt, toll und was machen wir damit?
    Hinterlassen den Enkeln wenig Schulden aber ein kaputtgespartes Land, dass sie sich noch teurer wieder aufbauen dürfen.

  3. 20.

    "Für mich ist die Schuldenbremse eine Schön-Wetter-Regel" sagt die Landesfinanzministerin Katrin Lange (SPD)
    Solche Formulierungen entstehen, wenn immer wieder seit 34 Jahren in Brandenburg kein Erfolg eintritt, indem die letzten Plätze verlassen werden und eines Tages nicht einmal mehr die gesetzlich erlaubten Schulden ausreichen. Es wird nicht überlegt richtig mit dem Geld (Haushalt + erlaubte Schulden) umzugehen sondern wie weiter getrickst werden kann. Und es gibt bald die nächsten Opfer solcher Überlegungen: Die Reichen.
    Also alle über Mindestlohn. Wir werden sehen.

  4. 19.

    Investitionen ja, Verbrauch bis zu 2/3 des gesamten Haushaltes NEIN. Merz der Retter statt „Dieb“? Ihre Kinder werden es danken.

  5. 18.

    "Für mich ist die Schuldenbremse eine Schön-Wetter-Regel" sagt die Landesfinanzministerin Katrin Lange (SPD). Diese Meinung kann sie privat haben. Die Schuldenbremse ist allerdings geltendes Recht. Auch unter dem rechtlich unbestimmten Begriff "Brandenburg.Paket" müssen die beiden verausgabten Milliarden darauf geprüft werden, ob sie den Auslegungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechen.

  6. 17.

    Durch die Klage in Karlsruhe 60 schon fest für die Subventionierung von grünem Stahl, „den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft“ (Robert Habeck) und andere gute Dinge verplanten Milliarden müssen jetzt anders finanziert werden oder fallen weg. Auch die grüne Fraktionschefin Britta Haßelmann und die saarländische Regierungschefin Anke Rehlinger mahnen vereint, bei der grünen Transformation ginge es um „viele tausend Arbeitsplätze“. Das müsse Merz, der 60-Milliarden-Dieb, endlich begreifen. Um tausende Jobs geht es tatsächlich – nur auf etwas andere Weise, als die beiden Politikerinnen meinen. Der Getriebehersteller ZF in Saarbrücken will demnächst gut 6.000 Arbeitsplätze abbauen – wegen des Verbrennerverbots der EU. Bei der Dillinger Hütte könnten durch die Umstellung auf grünen, also mit Energie aus teurem Wasserstoff hergestellten und damit international nicht konkurrenzfähigen Stahl bis zu 20.000 Arbeitsplätze verloren gehen.

  7. 16.

    Es gilt nicht und das sagen sogar „schwäbische Hausfrauen“ und sind beleidigt über dieses Narrativ.
    Sie fahren eine Volkswirtschaft im Sinne der „Schwäbischen Hausfrau“ unweigerlich an die Wand. Schauen sie sich doch um, wohin ein jahrzehntelanger Investitionsstau (Politik der ruhigen Hand) führten. Vieles der dadurch entstehenden Mehrkosten hätte man durch frühzeitige Investitionen vermieden.
    Wenn wir und jetzt wieder Jahrzehnte selbst verwalten, kann sich Deutschland endgültig vom Modell der Sozialen Marktwirtschaft verabschieden.

  8. 15.

    Ergänzung:
    Ihr Investitionen in die Zukunft sind ja gar keine. Schauen Sie hin, wo auch dieses Geld (was man nicht hat) nicht investiert wird. Auch dies wird „aufgegessen“ also nicht alles investiert. Es wird also immer schlimmer. Wenn Sie dies auch noch mit Ungenauigkeiten verteidigen.

    P.S. Das Prinzip der „schwäbischen Hausfrau“ gilt auch für Volkswirtschaften: Nur das dann alle „schwäbischen Haushalte“ im Zusammenhang betrachtet werden.

  9. 14.

    Ich schrieb:
    Und wenn 2/3 des Haushaltes „aufgegessen“ werden statt investiert, dann stimmt die Einstellung nicht.
    und
    Investitionen müssen angeregt werden: 11% schafft nur der Staat. 89% müssen privat (!!!)motiviert werden.
    Da liegen die schlauen Effekte. Nicht im Subventionswettlauf.
    Und gerade in Brandenburg, wo alle Großprojekte, also Investitionen mit fremden Geld (!), gescheitert sind, müsste man von Rückzahlung, wegen des Versagens, sprechen. Und dann richtig investieren statt „aufessen“. Mit den richtigen Einstellungen von Leuten die es können.

  10. 13.

    Investitionen (in die Zukunft) sind immer schuldenfinanziert, egal wie sie das Kind beim Namen nennen. Es gibt kein „schwäbisches Hausfrauen Konzept“ in Volkswirtschaften.
    Sie können sich als Volkswirtschaft entscheiden zwischen Sparen also Stillstand, Stagnation und Vermeidung von dringenden Investitionen in die Zukunft oder für schuldenfinanzierte Investitionen, also Machen, Bewegung und dadurch Vermeidung von enormen Wachstumskosten in der Zukunft.
    Die USA geht beispielsweise mit dem Inflation Reduction Act gerade All-In. Und dreimal dürfen sie raten wie sich Unternehmen nun zukünftig entscheiden.

  11. 12.

    Die Schuldenbremse auf keinen Fall aufheben. Sparen ist angesagt! Ich weiß auch wo!!!

  12. 11.

    Schon die Wortwahl: „Brandenburgpaket“ und „Sondervermögen“ zu verwenden, wo es glas klar Schulden sind, lässt ja die Absicht erkennen: Verschleierung ungesetzlicher Schulden. Das wirkt nicht nur betrügerisch, dass ist es auch. Zum Nachteil Betroffener, die sich nicht wehren können: Die uns Nachfolgenden.
    Investitionen müssen angeregt werden: 11% schafft nur der Staat. 89% müssen privat motiviert werden.
    Und wenn 2/3 des Haushaltes „aufgegessen“ werden statt investiert, dann stimmt die Einstellung nicht.

  13. 10.

    Die Schuldenbremse wurde vom Parlament beschlossen und kann vom Parlament wieder rückgängig gemacht werden. Die Verfassung ist kein Gebot Gottes. Überhaupt wurde die Schuldenbremse in dieser Form nur beschlossen, weil man sich sicher war sie leicht aushebeln zu können. Das Gericht hat jetzt das Schlupfloch, auf das die Politiker damals gebaut haben geschlossen und guter Rat ist auf einmal teuer. Die richtige Konsequenz ist es die Schuldenbremse abzuschaffen, aber bis die Konservativen da zustimmen müssen wir wahrscheinlich warten, dass sie die nächsten Wahlen gewonnen haben.

  14. 9.

    Die beiden auf dem Bild gucken grade, als haben sie entdeckt: „Ach, das kostet alles Geld, das wir nicht haben…?“
    Wenn ich zur Sparkasse gehe, und meine den neuen Maserati bezahle ich doch locker mit meinem „Sondervermögen …“
    wird man mich auch ohne Karlsruhe belehren.

  15. 8.

    Man wird auch in Brandenburg nicht aus Sonderschulden Sondervermögen "generieren" können. Die rechts- und verfassungswidrigen Tatbestände, die das Bundesverfasssungsgericht bei der Ampel-Regierung im Bund feststellte, müßte wohl auch das angerufene Landesverfassungsgericht so feststellen. Auch hier geht es um einen rechtswidrigen Schattenhaushalt.

  16. 7.

    Ich finde nicht, dass es Zeit ist, eine, Zitat s. u. "Kuh vom Eis zu bekommen", auch nicht gemeinsam und durch eventuelle andere Tricks sowie bis dato unbekannte Unworte wie "Sondervermögen" oder einen infantil klingenden "Doppelwumms", sondern endlich und - eigentlich selbstverständlich - eine den geltenden Regeln des obersten Gerichts entsprechende, solide Finanz- und Wirtschaftspolitik zu gestalten, trotz Katastrophen wie Pandemie und Kriegen auf der Welt bei Einhaltung der Schuldenbremse.

  17. 6.

    Adrian, Sie sind also dafür, daß die Regierung(en) Gesetze beschließen die gegen die Verfassung sind und alle müssen das akzeptieren. Sie sind ein sehr guter Demokrat!!!

  18. 5.

    Absolut richtig, nötig und auch für Laien selbstverständlich, dass man nicht einfach bei geltender Schuldenbremse neue Schulden als sogenannte "Sondervermögen" bezeichnen darf, sie dann auch noch nach Lust und Laune umwidmet! Gut, dass das Verfassungsgericht solches Vorgkehen endlich unterbindet und sich ab jetzt Begriffe wie auch "Doppelwumms" nur noch in kindgerechter Literatur des Herrn Habeck und nicht in Reden eines Bundeskanzlers oder eines Ministers finden.

  19. 4.

    Erstmal besser die CDU ist federführend bei der Aufklärung als andere oppositionelle Kräfte.
    Ansonsten ja eigenartige Situation.
    Der CDU wird vom Verfassungsgericht 2021 eine unzureichende Klimaschutzpolitik bescheinigt.
    Um dieses zu korrigieren wird der jetzigen Regierung eine unsaubere Finanzierung zur Lösung des CDU verursachten Problems bescheinigt.
    Und wer freut sich ganz scheinheilig bei Anne Will am meisten? Hr. Dobrindt der mit seiner vergangenen Verkehrspolitik einen Riesenanteil an der gesamten Misere hat.
    Die CDU hatte alle Zeit der Welt den Klimaschutz effizient und grundgesetzkonform voran zu treiben und wird nun wahrscheinlich wieder auf der Bremse stehen, wenn es darum geht Lösungen zu finden.
    Da Hr. Merz sagt die nächste Wahl kann die CDU nicht mehr verlieren, stellt sich die Frage wie er die Zukunftsproblem nun angehen will. Wahrscheinlich wird die CDU wieder die Ernte einfahren so wie seinerzeit nach Schröders "Sozial"Reformen.

  20. 3.

    Das Desaster im Bund wird gravierende Folgen für das PCK haben. Leider.

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