8. Mai in Brandenburg - Gedenken ohne russische Offizielle
An verschiedenen Orten erinnert Brandenburg am 8. Mai an die Befreiung vom Nationalsozialismus durch die Rote Arme. Doch wie genau ist das möglich, wenn Russland einen Krieg gegen die Ukraine führt? Von Michael Schon
- Landtagspräsidentin: Gedenken mit offiziellen Vertretern Russlands verbietet sich
- Perspektive Polens steht im Zentrum von Brandenburgs offizieller Gedenkfeier
- Potsdam erwartet zahlreiche russische Gäste beim Gedenken der Landeshauptstadt
Im Innenhof des Landtags werden am Montag Töne der Turmbläser Potsdam zu hören sein. Darius Pawłoś, Botschafter der Republik Polen, wird eine Rede zur Rolle seiner Landsleute bei der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus halten. Offizielle Vertreter der Russischen Föderation aber werden nicht anwesend sein bei der offiziellen Gedenkveranstaltung des Landes Brandenburg. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) hat sie nicht eingeladen.
Ein Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs ohne Russland – für viele Menschen in Brandenburg mag das nach wie vor schwer vorstellbar sein. Für die Landtagspräsidentin aber gibt es keine Zweifel: "Wir sind sensibilisiert durch 14 Monate Krieg in der Ukraine. Es werden neue Gräber ausgehoben für Zivilisten, für junge Menschen." In dieser Situation, in der keine Verhandlungsbereitschaft auf Seiten des "russischen Aggressors" bestehe, verbiete sich ein Gedenken mit offiziellen Vertretern Russlands, so Liedtke. Es schließe aber individuelles Gedenken von Menschen mit russischen Wurzeln oder russischer Staatsangehörigkeit nicht aus.
Die offizielle Linie Brandenburgs gegenüber Russland an diesem 8. Mai ist also eindeutig. Viele Teilnehmer wird das Gedenken an den Denkmalen zur Befreiung von Nationalsozialismus in diesem Jahr erneut nachdenklich machen: Blumen niederlegen an sowjetischen Ehrenmalen? In Zeiten des Ukraine-Krieges?
Gedenken als Mahnung zu Frieden und Verständigung
Auch die Landeshauptstadt Potsdam hat am Montag zum Gedenken geladen. Auf dem Bassinplatz am sowjetischen Ehrenfriedhof wird Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) eine Ansprache halten. Der 8. Mai verpflichte, Frieden, Freiheit und Demokratie zu erwirken und für Verständigung zwischen Menschen und Nationen zu sorgen, heißt es in der Einladung. Das Gedenken an die millionenfachen Opfer des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus schließe auch die Mahnung für einen aktiven Einsatz für Frieden und Verständigung ein.
Die Veranstaltung wird traditionell auch von vielen Menschen mit russischen Wurzeln besucht. Die "Brandenburgische Freundschaftsgesellschaft" ist Mitorganisatorin des Gedenkens, eine Nachfolgeorganisation der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft in der DDR. Sie hat sich klar vom russischen Krieg in der Ukraine distanziert.
Dennoch sei die Lage vor der Gedenkveranstaltung nicht einfach, sagt Tobias Büloff, wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Erinnerungskultur der Stadt Potsdam. "Natürlich gibt es Spannungen in der Stadt. Und es mag sein, dass da Menschen stehen, die Anhänger der Kreml-Politik sind." Wie die Mahnung zum Frieden bei denen ankommt? Er habe den Eindruck, dass an diesem Tag zumindest das Gedenken an die Opfer des Krieges ein verbindendendes Element sei, sagt Büloff. "Als Stadt versuchen wir, auf das historische Ereignis zu verweisen und das Opfergedenken in den Mittelpunkt zu stellen." Potsdam sei darauf bedacht, dass die Veranstaltung nicht von der russischen Seite vereinnahmt werde. Die Polizei werde vor Ort sein.
Siegesfahne der Roten Armee kann verboten werden
Eine Orientierungshilfe, wann bei Veranstaltungen an öffentlichen Totengedenkstätten Grenzen überschritten sind, gibt Brandenburgs Innenministerium. In einem Rundschreiben an Landräte und Oberbürgermeister, das nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine verschickt wurde, weist es darauf hin, dass beispielsweise das "Z-Zeichen" als Symbol der Solidarisierung mit Russlands Angriff verboten werden könne. Gleiches gelte für die Flagge der UdSSR und die Siegesfahne der Roten Armee. Beide werden als Zeichen von Putins Machtstreben gewertet, Russland in den Grenzen der Sowjetunion wiederherzustellen. Auch Kennzeichen der sogenannten "Nachtwölfe" können verboten werden. Der nationalistische und putinnahe russische Motorradclub hat sich auch in diesem Jahr wieder auf dem Weg nach Berlin gemacht, seine Route führt unweigerlich durch Brandenburg.
Eine mögliche Vereinnahmung von Gedenkfeiern durch Kreml-Sympathisanten oder offizielle Vertreter Russlands verurteilt auch die Deutsche Stiftung Aufarbeitung. In einer Erklärung heißt es: "Es ist eine Tragödie, dass die letzten ukrainischen Überlebenden des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion heute von den Bomben und Raketen Russlands bedroht sind." Der Schwur "Nie wieder Krieg" sei von Russland in unvorstellbarer Weise gebrochen worden.
Landtagspräsidentin Liedtke weist darauf hin, dass die Rote Armee nicht die russische Armee gewesen sei, zu ihr hätten beispielsweise polnische Divisionen gehört. "Jeder zehnte Soldat in der Schlacht um Berlin war ein Pole", sagt Liedtke. Deshalb stelle der Landtag in diesem Jahr mit der Einladung des polnischen Botschafters den Blick seines Landes in den Mittelpunkt des Gedenkens, das die Wehrmacht von Beginn des Krieges an unter Beschuss genommen habe. "Das nimmt den Befreiern der Roten Armee nichts weg", so Liedtke. "Es erweitert die Perspektive."
Sendung: rbb|24, 08.05.23, 13:00 Uhr