Berliner Musiker:innen nach der Pandemie - "Die Leute wertschätzen nicht mehr, was wir machen"
Berlins Musikszene geriet durch die Corona-Pandemie in eine Krise. Drei Berliner Musiker:innen erzählen, wie sich ihre Karrieren und die Branche seither verändert haben. Von Sebastian Goddemeier
Berlin zählt zu Deutschlands Partyhauptstadt: 58.000 Clubevents finden jedes Jahr statt. Davon leben nicht nur die Veranstalter:innen, sondern vor allem die Musiker:innen selbst. Während der Coronapandemie wurde es in den rund 200 Clubs der Hauptstadt lange still.
Viele Menschen der Kulturbranche mussten um ihre Existenz bangen. Die, die finanziell überlebt haben, machen seit zwei Jahren weiter. Doch mit genauso viel Elan wie vor der Pandemie? Drei Berliner Musiker:innen erzählen von ihren Beobachtungen und den Veränderungen, die die Stadt, ihre Musikszene und sie selbst seit der Pandemie durchgemacht haben.
DJ Ployceebell, 41
Die Künstlerin ist seit über 15 Jahren als DJ in Berlin und ganz Europa tätig. Vor der Pandemie legte sie vor allem in Clubs wie dem Schwuz in Neukölln auf. Mit der Pandemie stand sie vor einem Problem. Sie musste umsatteln. "Nach den Lockdowns konnte ich erst nur auf Hochzeiten und Veranstaltungen spielen, wie dem CSD, da die Clubs noch zu waren." Corona brachte aber auch Gutes: Sie achtete vermehrt auf ihre Gesundheut, merkte, dass ihr die Nachtschichten in den Clubs nicht guttun. Bis heute arbeitet sie vermehrt tagsüber oder am frühen Abend.
Die größte Veränderung bemerkt sie jedoch im Publikum. "Ich habe den Eindruck, dass Partys inzwischen früher anfangen und früher aufhören. Vor der Pandemie kamen die Leute erst gegen zwei in den Club, nach dem Vorglühen, und sind bis sechs geblieben." Heute kämen die meisten um Mitternacht und gingen gegen drei oder vier Uhr wieder. "Die Kondition ist nicht mehr so stark wie früher, aber die Liebe zum Feiern ist geblieben." Vor allem nach der Pandemie sei ein großer Hunger auf Tanzen und Feiern dagewesen, heute sei das Publikum hingegen ein wenig aus der Puste.
Auch das Verhalten des Publikums gegenüber ihr als DJ hat sich verändert, bemerkt Ployceebell. Die Gäste seien fordernder und forscher. Auch habe sie "das Gefühl, dass die Leute teilweise nicht mehr wertschätzen, was wir machen: Wir möchten sie zum Tanzen bringen und dass sie eine gute Zeit haben."
Siri Svegler, 44
Die Singer-Songwriterin singt bereits seit über 16 Jahren auf Berlins Bühnen und hat drei Studioalben veröffentlicht. Vor der Pandemie hatte sie viele Live-Auftritte. Während der Pandemie fielen diese allerdings weg. Auch Svegler musste umdenken. Sie begann ein Studium in Musikproduktion und konzentrierte sich auf Stuioaufnahmen.
Inzwischen spielt sie zwar wieder live, aber nicht so intensiv wie vor der Pandemie. "Die Kleinkunstbühnen und die Kulturvereine mussten um ihr Überleben kämpfen. Die Menschen sind zwar mit Herz und Blut dabei, müssen aber immer noch schauen, wie sie ihre Läden vollkriegen." Sie hofft, dass das Publikum bald wieder mehr Lust auf die kleinen Bühnen bekommt – abseits der Stadien, wie sie Beyoncé und Taylor Swift füllen. "Ich habe immer noch das Gefühl, dass die Leute ein bisschen gehemmt sind, rauszugehen. Die Lücke, die in der Pandemie entstanden ist, ist noch ein bisschen da." Auch wenn Menschen wieder mehr rausgingen, "befinden wir uns trotzdem noch im Aufwachen".
Für die Zukunft wünscht sie sich offenes Miteinander und einen starken Zusammenhalt in Berlins Musikszene, "damit wir unsere Musik auch weiter spielen können."
Till Käfert, 37
Auch Till Käfert spielte vor der Pandemie vor allem live, womit er als Musiker seinen Lebensunterhalt bestritt. Mit der Pandemie fiel auch ihm das Einkommen weg. "Ich habe viele Leute in meinem Umfeld, die in dieser Zeit ihre Karriere beendet haben. Es war zu anstrengend und oft hat das Geld gefehlt, um zu überleben." Der gebürtige Berliner wurde kreativ und überlegte sich, wie er dennoch erfolgreich als Musiker weitermachen konnte. Sein damaliger Nebenjob wurde zu seinem Hauptjob und er begann online als Musikproduzent und Sound Engineer zu arbeiten. "Ich habe mich als Produzent und Engineer so positioniert, dass ich mit Musiker:innen über ein Online-System remote arbeiten konnte – so wie viele andere auch, die auf einmal im Home Office saßen.“ Sein Konzept wurde sehr gut angenommen – heute arbeitet er mit Branchengrößen wie Shirin David, Katja Krasavice und Laas.
Im Rückblick auf die Pandemie bekommt Till Käfert vor allem das Gefühl, "dass ein ganzer Schwung an Musiker:innen während der Pandemie einfach verschwunden ist". Die meisten hätten bis heute große Probleme live zu spielen. Die Veranstalter:innen seien teilweise in andere Branchen und Berufe gegangen, wodurch für manche die Netzwerke zusammengebrochen sind und somit die Perspektive genommen wurden. "Wer in der Pandemie hingegen über Social Media durchgestartet ist, hat heute teilweise live ein Problem, weil Bühnenerfahrungen und die Live-Skills fehlen." Auch das könne ein Karriere-Killer sein.