Bergmann-Klinikum Potsdam - LKA-Beamtinnen könnten Zeugenaussage fingiert haben

Mo 06.02.23 | 06:11 Uhr | Von Gabi Probst
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Ein Schild weist auf dem Gelände vom Landesbehördenzentrum auf die "Polizei Land Brandenburg" und das Landeskriminalamt hin, aufgenommen am 06.07.2020. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 06.02.2023 | Gabi Probst | Bild: dpa/Jens Kalaene

Zwei Beamtinnen des LKA Brandenburg werden der Fälschung von Zeugenaussagen verdächtigt - im Rahmen von Betrugsermittlungen zum Bergmann-Klinikum Potsdam. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Urkundenfälschung. Doch sie musste "zum Jagen getragen" werden. Von Gabi Probst

Zwei Brandenburger LKA-Beamtinnen sollen im Rahmen von Ermittlungen rund um das Ernst-von Bergmann-Klinikum in Potsdam eine Zeugenaussage gefälscht haben. Dadurch wurde ein ehemaliger Geschäftsführer des Klinikums schwer belastet. Inzwischen wird gegen die beiden Verdächtigen ermittelt.

Die mutmaßlich gefälschte "Zeugenaussage" fiel dem Anwalt des früheren Geschäftsführers bei der Akteneinsicht auf. Er stellte daraufhin gemeinsam mit der Anwältin der angeblichen Zeugin Strafanzeige.

2020 titelte der "Tagesspiegel": "Ermittlungen gegen neuen Geschäftsführer" und sah damit den "Neuanfang am Bergmann-Klinikum von Betrugsvorwürfen überschattet". Der Anwalt des Geschäftsführers, Stefan Klauser aus Berlin, kämpft seitdem gegen den Vorwurf der Staatsanwaltschaft Potsdam, die seinem Mandanten Beihilfe zum Betrug vorwirft: "Auf den Punkt gebracht ist der Vorwurf gegen meinen Mandanten der, dass er ein System von falschen Abrechnungen erfunden, an die Ärzte weitergeleitet und aufrechterhalten habe", sagt Klauser.

Das heißt konkret: Sein Mandant hätte gemeinsam mit Ärzten und Apothekern teure Medikamente - wie Remicade für Rheumakranke - bei der Krankenkasse doppelt abgerechnet. Seit 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam mit hohem Aufwand. 130 Polizisten durchsuchten fast 30 Wohnungen, Labore und Apotheken in Berlin, Hamburg, Rostock und Hennef in Nordrhein-Westfalen. Für die Auswertungen von beschlagnahmten Computern seien extra IT-Spezialisten engagiert worden.

Von 25 nur noch vier Beschuldigte

Doch keinem einzigen Arzt konnten die Ermittler eine Straftat nachweisen. Gegen 21 Personen wurde das Verfahren inzwischen eingestellt. Von einst 25 sind heute noch vier Beschuldigte übrig - drei Apotheker und der Mandant von Rechtsanwalt Klauser. Doch dieser war zur Tatzeit kein Arzt, der Rezepte ausstellen konnte, sondern Controller im Klinikum.

Anwalt Klauser spricht deshalb von falschen Verdächtigungen durch eine sehr wahrscheinlich erfundene Vernehmung, auf die er bei der Akteneinsicht gestoßen war. Klauser sagt: "Diese Vernehmung wurde aus meiner Sicht fingiert, um meinen Mandanten zum Beschuldigten zu machen." Er kommt zu diesem Schluss, weil sich die Vorwürfe gegen seinen Mandanten seit zwei Jahren vor allem auf diese "Aussage" stützen würden.

Vernehmung gefälscht, sagen Zeugin und Mutter

Die in Rede stehende Vernehmung soll eine Polizeibeamtin des Landeskriminalamtes geführt und aufgeschrieben und dabei auch die Unterschrift der Zeugin – einer ehemaligen Apothekerin - gefälscht haben. Nach Aktenlage sei die Beamtin mit einer Kollegin am 5. Juli 2019 bei der heute 61-jährigen Zeugin zu Hause gewesen.

Die Frau ist schwerkrank und wird seit Jahren rund um die Uhr von ihrer Mutter betreut. Auch wenn sie anonym bleiben wollen, können sich jedoch beide gut erinnern. "Am 5. Juli 2019 hatte ich keinen Besuch von einer Polizeibeamtin", sagt Elke L. "Es fand auch keine Vernehmung statt", sagt sie weiter. Auf die Frage, warum sie sich noch so gut erinnern könnte, antwortet sie, dass die LKA-Beamtin an diesem 5. Juli früh angerufen und dann bei ihrer Mutter das Treffen abgesagt hätte.

Die Mutter, Eva L., bestätigt dies. Die Kriminalbeamtin hätte ihr damals mitgeteilt, dass sie sich zu einem späteren Termin wieder melden und einen neuen Termin vereinbaren würde. Ihre Tochter hätte auch nicht allein den Termin verabreden und der Beamtin die Tür öffnen können. "Das ist ganz unmöglich", sagt die rüstige 93-jährige Mutter. "Meine Tochter lag zu dieser Zeit fest im Bett." Die Tochter hätte seinerzeit auch weder einen Rollstuhl gehabt, noch hätte sie allein aus dem Bett gekonnt: Sie hatte sich das Bein gebrochen.

Haupteingang der Klinik Ernst von Bergmann in Bad Belzig, Foto: IMAGO / Steinach
Haupteingang der Klinik Ernst von Bergmann in Bad Belzig | Bild: IMAGO / Steinach

Strafanzeige und Beschwerde

Den beiden Frauen wird die angebliche Vernehmung erst durch ihre Anwältin Petra Klein aus Berlin vorgelegt. Kurz darauf stellen sie Strafanzeige. "Hier steht ein schwerwiegender Vorwurf im Raum", erklärt die Anwältin Klein, "nämlich dass Ermittlungsbeamte, die eigentlich Straftaten verfolgen sollen, möglicherweise selbst Straftaten begangen haben. Und dem muss man energisch nachgehen."

Die Staatsanwaltschaft Potsdam, die auch zum Arzneimittelbetrug ermittelt, übernahm daraufhin auch diesen Fall – stellte das Verfahren aber nach einiger Zeit wieder ein.

Die Rechtsanwälte Klauser und Klein gingen dagegen vor. "Ich habe Beschwerde eingelegt, weil nicht einmal Mindeststandards eingehalten worden sind. Meine Mandantin ist nicht vernommen worden. Es sind keine Untersuchungen an dem Schriftstück durchgeführt worden. Weitere Ermittlungen, die sich aufgedrängt hätten, sind auch nicht geführt worden. Deshalb war die Beschwerde unerlässlich", empört sich Rechtsanwältin Klein.

Rechtsanwalt Klauser bezeichnet die Ermittlungen als äußerst dürftig. Dass zwar zum Wetter am Tag der angeblichen Vernehmung ermittelt, aber die Zeugin selbst nicht vernommen wurde, findet er unglaublich. Auf Anfrage rechtfertigt sich die Staatsanwaltschaft, dass man den "Sachverhalt zunächst (…) hinreichend aufgeklärt" habe und deshalb eine Vernehmung der Zeugin "ungeeignet" schien.

Staatsanwaltschaft ermittelt wieder

Belege für die falschen Verdächtigungen aus der angeblichen Vernehmung gibt es bis heute nicht, sagt Rechtsanwalt Klauser. Immerhin hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen die LKA-Beamtinnen wegen Urkundenfälschung wieder aufgenommen. Das begrüßt Klauser: "Von der Wiederaufnahme des Verfahrens erhofft sich mein Mandant eine gründliche Aufarbeitung des Verfahrens."

Die Staatsanwaltschaft selbst beantwortet keine weiteren Fragen zu den Vorwürfen. Denn: Vor Abschluss der Ermittlungen hätten "Medien grundsätzlich keinen Informationsanspruch über einzelne Ermittlungshandlungen".

Der Mandant von Rechtsanwalt Klauser arbeitet inzwischen nicht mehr als Geschäftsführer.

Warum die Beamtinnen die Aussagen möglicherweise fälschten - auf diese Frage gibt es derzeit keine Antwort.

Sendung: rbb|24, 06.02.2023, 13:00 Uhr

Beitrag von Gabi Probst

15 Kommentare

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  1. 15.

    Die Einlassungen von 'Dirk' und 'Gerd' sind weniger objektiv denn spekulativ, Monika. Denn diese mutmaßen, dass die Beamtinnen überhaupt keinen Grund hätten, die "Zeugenaussage" zu fingieren, die "Zeuginnen" sich geirrt haben könnten und irgendeine ominöse Macht im Hintergrund die Fäden ziehen könnte.

    Es könnte doch auch so gewesen sein, und nun spekuliere ich mal etwas, dass die Staatsanwaltschaft, und damit auch die ermittelnden Beamten, wegen des immensen Aufwands der Ermittlungen unter erheblichem Druck stand, Ergebnisse zu liefern. Die Beamtinnen hätten mgw. aufgrund des gesundheitlichen Zustands der "Zeugin" davon ausgehen können, dass diese bei einem Verfahren nicht vorgeladen wird und die zu Papier gebrachte "eidesstattliche Aussage" genügen würde. Vielleicht hat auch ein Vorgesetzter der beiden ordentlich Druck gemacht und so eine "Kurzschlussreaktion" provoziert. Dass die ersten Ermittlungen dazu wohl ziemlich mangelhaft verliefen, ist jedenfalls denkwürdig.

  2. 14.

    Zitat: "Zu fragen ist also: Wer ist derjenige, der im Hintergrund agiert, um das Verfahren zum Vorteil welcher Personen zu manipulieren?"
    Zitat: "Für mich ist es, wie auch andere Kommentatoren schreiben, fraglich, welchen Nutzen die Beamten von einer solchen Tat haben sollten (eigentlich keinen) in Relation zu dem Risiko der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Die Betroffenen müssten ja mit dem Klammerbeutel gepudert sein... "

    Dem schließe ich mich aus beruflichem Hintergrund mit voller Überzeugung an.

  3. 13.

    Supi! Danke für die kurze, auf den Punkt gebrachte objektive Darstellung.

  4. 12.

    Zitat: "Es wird zunächst einmal ermittelt . . ."

    Nicht ganz, Dirk. Es wurde bereits "einmal' ermittelt" - und das wohl insoweit nicht ausreichend genug, sodass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nun wieder aufgenommen hat.

  5. 11.

    Den Beitrag nicht richtig einordnen vermögen, aber Spekulationen über die Beschuldigten niederschreiben..

  6. 10.

    Wenn das gerichtsfest bestätigt ist, sollte die Konsequenz die sofortige Entfernung aus dem Dienst und die Entlassung sein.

  7. 9.

    Natürlich regt sich sofort der Volkszorn, wenn solche Halbheiten publiziert werden. Aber: Mal halblang! Es wird zunächst einmal ermittelt und bis zum Ende des Verfahrens gilt auch für die Polizeibeamten die Unschuldsvermutung. Vielleicht interpretieren ja auch die Zeuginnen die Realität alternativ! Für mich ist es, wie auch andere Kommentatoren schreiben, fraglich, welchen Nutzen die Beamten von einer solchen Tat haben sollten (eigentlich keinen) in Relation zu dem Risiko der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Die Betroffenen müssten ja mit dem Klammerbeutel gepudert sein...

  8. 8.

    Hallo Mitberliner, das ist ein Vorgang aus dem Bundesland Brandenburg, nicht aus Berlin!
    In Brandenburg, bei der Staatsanwaltschaft Potsdam, läuft das gaaaaaanz anders, wie man eindrucksvoll schon anhand der wenigen Informationen erkennen kann.
    In NRW hätte es dazu und zu den anderen Justizvorkommnissen nach der umstrittenen Besetzung der Posten des Generalstaatsanwaltes und der Justizministerin einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegeben. ...

  9. 7.

    Das die Staatsanwaltschaft den Fall nicht ernst nimmt, ist ja nicht so verwunderlich. Denn sie würde ja in den "eigenen Reihen" ermitteln. Hier müsste von der Innenrevision ermitteln werden. Und ja auch der Staatsanwaltschaft müssen denn kritische Fragen gestellt werden. Sollten sich die Vorwürfe erhärten so sind die Beamten vor ein Gericht zu stellen und im Falle der Verurteilung aus dem Beamtenverhältnis unter Verlust der Pensionsansprüche zu entlassen.

  10. 6.

    Da hat also eine Polizistin sich vorher den Personalausweis oder den Reisepass der Zeugin besorgt, um die Ausweisnummer und Unterschrift für die angeblich vorsätzliche Urkundenfälschung zu benutzen! Was für ein Potsdamer Bären will man uns denn hier aufbinden?!

  11. 5.

    Verfahrensführend ist die Staatsanwaltschaft Potsdam. Und nur diese entscheidet gemäß Strafprozessordnung, ob das Verfahren eingestellt, ein Strafbefehl ausgesprochen oder Anklage erhoben wird.
    Was soll denn eine Polizistin, die nur das >Hilfsorgan< der Staatsanwaltschaft ist und hier IM AUFTRAG der Staatsanwaltschaft Potsdam die Ermittlung kleinstteilig erledigt, für ein Motiv und welchen Vorteil haben, ein verfahrensrelevantes Dokument zu fälschen, wo sie doch weiß, dass das die Rechtsanwälte der Verfahrensbeteiligten und das Gericht lesen und ggf. die Zeugin vor Gericht geladen wird?
    Zu fragen ist also: Wer ist derjenige, der im Hintergrund agiert, um das Verfahren zum Vorteil welcher Personen zu manipulieren?

  12. 4.

    Dem stimme ich zu, allerdings braucht es zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis eine mind. 1 jährige Haftstrafe, auch auf Bewährung. Hoffentlich gib es diese.

  13. 3.

    Eine Behörde muss sich so verhalten, dass sie mit Recht und Gesetz in Einklang ist. Wenn das nicht so ist, gehört das aufgeklärt. Eine Behörde, die sich falsch verhält, ist kein funktionierendes Organ unseres demokratischen Rechtsstaates. Das bedeutet, dass der Staat in der Pflicht ist, verdächtige Behörden zu untersuchen und ggf. zu ändern. Der Bürger kann und muss erwarten, dass eine Behörde ordentlich arbeitet. Falls eine Behörde nicht ordentlich arbeitet, lohnt es sich nach meiner Meinung, eine Beschwerde deswegen beim zuständigen Senator einzulegen.

  14. 2.

    Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, müssten die Beamten SOFORT aus dem Dienst entlassen und vor Gericht gestellt werden.

    DAS KANN ALLES NICHT WAHR SEIN !

  15. 1.

    Es stinkt in unserem Land an allen Ecken und Kanten. Vertrauen in unsere Behörden habe ich schon seit langem nicht mehr.

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