Zwei Todesfälle in Berlin-Wedding - Kardiologe der Berliner Charité steht unter Mordverdacht

Mo 08.05.23 | 15:37 Uhr
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Symbolbild: Charite, Virchow-Klinikum, Augustenburger Platz, Wedding. (Quelle: dpa/Joko)
Audio: rbb24 Inforadio | 08.05.2023 | Ingo Janssen | Bild: dpa/Joko

Seit August 2022 steht ein Charité-Arzt in Verdacht, Patienten Medikamente überdosiert verabreicht zu haben - zwei Menschen starben dadurch. Ein Gutachten konnte inzwischen das Fehlverhalten beweisen, der Mann wurde festgenommen.

  • Charité-Kardiologe soll Patienten überdosierte Beruhigungsmittel verabreicht haben
  • Fälle ereigneten sich 2021 und 2022 am Standort Wedding
  • Gutachten musste zunächst Überdosierung beweisen
  • Ob weitere Todesfälle untersucht werden, ist unklar

Nach dem Tod von zwei schwer kranken Patienten der Charité in Berlin steht ein Kardiologe unter Mordverdacht. Der 55-Jährige wurde am Montag festgenommen, wie Staatsanwaltschaft und Polizei mitteilten.

Gegen den Arzt bestehe der Verdacht, in zwei Fällen in den Jahren 2021 und 2022 Patienten auf der Intensivstation wissentlich so hohe Dosen eines Beruhigungsmittels verabreicht zu haben, dass diese starben. Der Mann wurde laut Staatsanwaltschaft bereits im August 2022 von der Charité freigestellt.

Gutachten musste zunächst ausgewertet werden

Die Staatsanwaltschaft hatte nach eigenen Angaben damals aufgrund einer Anzeige des Universitätsklinikums Ermittlungen aufgenommen. Der dringende Tatverdacht habe sich aber erst ergeben, nachdem ein medizinisches Gutachten erstellt worden war. Die Staatsanwaltschaft habe daraufhin einen Haftbefehl beantragt. Am Montagmorgen sei der Mediziner dann festgenommen worden. Der 55-Jährige sollte noch am selben Tag bei einer Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Tiergarten vorgeführt werden.

Bevor das Gutachten vorlag, konnte nach Angaben der Ermittler nicht ausgeschlossen werden, dass die hohe Dosierung des Sedierungsmittels noch medizinisch vertretbar gewesen wäre. Nach Einschätzung des Gutachters sei dies aber zumindest in zwei von insgesamt vier untersuchten Todesfällen nicht der Fall gewesen. Dies soll demnach auch für den Beschuldigten auch erkennbar gewesen sein.

Fälle ereigneten sich am Standort in Wedding

Ob weitere Todesfälle in der Charité untersucht werden müssen, ist nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwaltschaft noch unklar. Davon, dass der Arzt von den schwer kranken Patienten um Unterstützung gebeten sein könnte, gehen die Ermittler bislang nicht aus. "Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen gibt es keine Hinweise darauf, dass von den Patienten Sterbehilfe erbeten worden wäre", sagte der Behördensprecher.

Die Charité erklärte zum Hintergrund des Verdachts, dass im August 2022 ein anonymer Hinweis zu "einem nicht-rechtmäßigen medizinischen Vorgehen mit Todesfolge" eingegangen sei. Demnach soll sich dies am Charité-Standort im Wedding ereignet haben - in der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin auf dem Campus Virchow-Klinikum.

Charité: Facharzt wurde sofort freigestellt

"Die Charité hat den Hinweis sehr ernst genommen, den unter Verdacht stehenden Facharzt sofort freigestellt und umgehend alle weiteren notwendigen Maßnahmen zum Schutz potenziell betroffener Personengruppen eingeleitet", teilte ein Kliniksprecher weiter mit.

Das Universitätsklinikum habe von Beginn an mit der Staatsanwaltschaft "vollumfänglich zur Aufklärung des Sachverhaltes" kooperiert und werde das weiter tun. Weitere Informationen könne die Charité wegen der andauernden Ermittlungen derzeit nicht publik machen, hieß es.

Die traditionsreiche Charité zählt zu den größten Universitätskliniken Europas und ist einer der größten Arbeitgeber Berlins. Sie ist berühmt für Nobelpreisträger wie Emil von Behring, Robert Koch und Paul Ehrlich. Überregional ist vor allem das Bettenhochhaus in Mitte bekannt - tatsächlich verteilt sich die Krankenversorgung aber auf drei Standorte in Berlin.

Sendung: rbb24 Abendschau, 8.5.2023, 19:30 Uhr

21 Kommentare

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  1. 21.

    Ich gehe sogar noch nen Schritt weiter: Praktisch über Nacht hat die Regierung beschlossen, dass sich Menschen Ü80 keine tendenziell decarbonisierenden Heizungen einbauen müssen, weil sie eh kaum noch was davon haben dürften.

    Da müssen auch keine 78 Experten über 10 Jahre befasst werden, ob das nu bei 78 oder doch erst bei 83 liegen sollte.

    80 ! da sollte ich dann das Grundrecht haben, in der Apotheke folgende Bestellung aufzugeben, ohne vorher ne Indikation prüfen zu lassen: "Ich hätte gern 2 Aspirin gegen den Kater von morgen, ne Packung Fishermans Friend und einen für-immer-Einschlafcocktail für übermorgen"

    Es werden in Eigenregie so viele menschenunwürdige Versuche unternommen. Was das an zusätzlicher Lebensqualität für alternde Menschen bis dahin allein bedeutet !

  2. 20.

    Korrekt geht das über z.B. Mit Hilfe der Malteser o.a. Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. Gesetzlich perfekte Verfüungen.
    Man wird sehen in wieweit der Arzt sich schuldig gemacht hat.

  3. 19.

    Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben das Video vorerst durch ein Audio ersetzt und geben das an die Redaktion weiter.

  4. 17.

    "Ein Mensch hat auch das recht zu sterben wenn er dies möchte! Genau jenes Grundrecht wird schwer kranken verweigert..." Nein, jeder kann eine Patientenverfügung haben und so seinen letzten Weg selbst bestimmen. Das sorgt auch bei Ärzten und Pflegekräften für Rechtssicherheit.

  5. 16.

    Ich denke, das er den schwer erkrankten nur helfen wollte. Da ich selber an ALS erkrankt bin, würde ich mir wünschen, nicht die komplette Lähmung aushalten zu müssen, habe es in meiner Patientenverfügung hinterlegt. Man sollte auf alle Fälle beachten, das dieses evtl. zu einem guten Zweck passiert ist.

  6. 15.

    Danke an Ärzte, Schwestern, Pfleger, DANKE für die Grauzone.
    Ja, und auch eine gut gemeinte Patientenverfügung kann leider völlig "nach hinten losgehen "... Aus gegebenen Anlass kann ich nur appellieren: eine Verfügung sehr, sehr, genau zu formuliern. Aus Ablehnung verschiedener med. Maßnahmen darf im Ernstfall eben Verdursten oder Ersticken nicht die letzte Möglichkeit sein, diese Welt zu verlassen. Jeder möchte zur gegebenen Zeit einach nur friedlich eingeschlafen.

  7. 14.

    Wieso filmt ihr das Schild des eigenständigen Deutschen Herzzentrums ab, obwohl die Morde in der Kardiologie in der Mittelallee des Virchows stattfanden? Steht sogar in eurem Text! Gehört beides nicht zusammen.

  8. 13.

    Ich persönlich bin zwar für Sterben auf Verlangen, aber da ich hier nicht wirklich weiss, was passiert ist, halte ich mal lieber meine Klappe!

  9. 12.

    Teil 2: Und jeder Mensch hat die Möglichkeit, seine Patientenverfügung zu machen. Und da ist es nicht leicht, den gewählten Weg zu begleiten. Aber das ist der Beruf. Ob die Sterbehilfe erleichtert werden sollte…sehr schwierige Frage. Ist als Nicht-Betroffener nur schwer einzuschätzen. Ich selbst bin an Krebs erkrankt….und ich kann die Frage nicht beantworten, ob ich aktive Sterbehilfe möchte oder nur Palliative Zuwendung.

  10. 11.

    wir hatten in der Vergangenheit diesbezüglich schon einige Skandale ich denke das ist der Punkt warum nicht viele Leute das machen im Moment. Sie vertrauen dem System nicht.

  11. 10.

    Uiuiui……sind hier alle Kommentatoren in der Medizin tätig? In den Raum zu stellen, ob die Verstorbenen Organspender waren….heftig! Ich bin seit über 40 Jahren Krankenschwester, mein Mann ist Arzt. Ich weiß nicht, bei wieviel Sterbenden ich am Bett saß. Es verhungert keiner, die nötigen Kalorien..und vor allem Flüssigkeit…wird zugeführt. Und ich glaube, dass Mediziner, die solches tun, sehr selten sind. Jeder davon ist Zuviel, definitiv, aber bitte nicht urteilen, wenn man keine Ahnung hat!

  12. 8.

    Wenn man in der heutigen Hochleistungsmedizin ein bisschen hinter die Kulissen schaut (oder unter den Teppich), kann man als spitzfindiger Beobachter vielerlei Rechtswidrigkeiten finden. Aus meiner 30 jährigen Erfahrung als Intensivkrankenpfleger kann ich berichten, dass in den meisten Fällen kein moralisch verwerflicher Hintergrund zu erkennen ist - im Gegenteil. Wenn unter laufender Analgosedierung beispielsweise eine ECMO Therapie im Sinne des mutmaßlichen Patientenwillens (mit absehbarer Todesfolge) beendet wird ist es quasi gängige Praxis dem Patienten durch Applikation von hohen Schmerzmitteldosen ein Erstickungserleben zu ersparen. Für solche Fälle ist die Grauzone der indirekten Sterbehilfe bereits sehr dunkelgrau…

  13. 7.

    Und wenn? Feststellung des Todes und Organentnahme werden durch völlig getrennte Abteilungen vorgenommen.

  14. 6.

    Ein Mensch hat auch das recht zu sterben wenn er dies möchte! Genau jenes Grundrecht wird schwer kranken verweigert und bringt Ärzte die Patienten die keine Chance haben auf Besserung ihres Zustandes in rechtliche Probleme.

    Blockiert wird jeder Fortschritt in dem Thema von der CDU/CSU, alle Anträge wurden von Jens Spahn entweder abgelehnt oder so lange bearbeitet bis die betroffenen unter langem leiden starben. Ist dies dann Menschenwürdig?

    Wenn er nicht in der Lage ist selbst den letzten Schritt zu tun, muss Hilfe erlaubt sein! Der moralische und seelische Konflikt bedarf Menschenwürdige Reglungen, diese die Politik aber blockiert. Deswegen kann man die Schuld nicht alleine bei Ärzten suchen, die Politik ist Mitschuld rechtlich legale Wege zu schaffen.

  15. 5.

    waren diese zwei Organspender?

  16. 4.

    Das nicht weiter Verabreichen von Nahrung gehört tatsächlich ein Stück weit dazu. Es handelt sich dabei aber um eine Art der passiven Sterbehilfe, keine aktive. Sonst wäre es verboten. Haben Patienten aber ohne medizinische Apparate keine Überlebenschance und hat die künstliche Ernährung abgelehnt, steht diese Möglichkeit zur Verfügung. Damit kein Leiden entsteht, muss dann aber ausreichend Flüssigkeit und/oder Schmerzmittel verabreicht werden.

  17. 3.

    Anhand der spärlichen Informationen ist es nicht zu beurteilen, ob hier Mord aus niederen Motiven vorlag oder eine verbotene aktive Sterbehilfe auf Wunsch der Patienten selbst oder aus Mitleid mit den Patienten. Das ist zwar auch kriminell, ließe aber die Taten doch in einem differenzierteren Licht erscheinen.

  18. 2.

    Das ist offenbar üblich. Auch durch "Unterlassung", z.B. reduzieren von künstlicher Ernährung kann ein Patient sterben. Ob das ein angenehmer Tod ist zu verhungern, kann ich nicht beurteilen.

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