49 Millionen Euro Beute - Prozess um ausgeräumte Tresore in Berliner City West beginnt
Fünf Männer müssen sich ab Donnerstag vor dem Landgericht Berlin unter anderem wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall verantworten. Bei der Tat im November 2022 wurden Luxusuhren in zweistelligem Millionenwert gestohlen. Von Ulf Morling
- Fünf Täter machten im November 2022 Millionen-Beute - darunter Uhren und Wertpapiere
- Prozessstart am Donnerstag unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen
- Beute ist seit dem Einbruch verschwunden
Vom Morgen bis zum Abend des 19. November letzten Jahres hatten die Täter die drei Tresorräume in der Charlottenburger Fasanenstraße ausgeräumt, während nichtsahnend an jenem Samstag in der Nähe auf dem Ku‘damm geshoppt wurde. Von 7.13 Uhr bis 19.34 Uhr sollen der Angeklagte Kenan S. (28) mit vier bis heute unbekannt gebliebenen Tätern die Türen der 200 Quadratmeter großen Tresorräume aufgebrochen und unter anderem aus 295 Schließfächern Schmuckstücke und Wertpapiere im Wert von knapp 35 Millionen Euro entwendet haben.
Aus den beiden angemieteten Tresorräumen des international tätigen Online-Uhrenhändlers "Watchmaster", in dem laut Staatsanwaltschaft 2.000 Luxusuhren gelagert wurden, sollen die Täter 996 Uhren im Wert von knapp 15 Millionen entwendet haben. Der mitangeklagte Geschäftsführer des Unternehmens, das die Tresorräume vermietet hatte, soll es ermöglicht haben, dass die ausführenden Täter und deren mutmaßliche Hintermänner eine Beute von knapp 50 Millionen Euro machten.
Ein Angeklagter soll auspacken und wird von der Polizei geschützt
Die laut Staatsanwaltschaft drei wichtigsten handelnden Personen in dem Coup sind allesamt nicht vorbestraft und leben bisher ein eher unauffälliges, bürgerliches Leben: Bilal M. (42) soll laut Staatsanwaltschaft zwei Gesellschaften unterhalten, die allein für den Zweck gegründet worden seien, sein Vermögen zu betreuen. Außerdem soll er seit langer Zeit mit dem An- und Verkauf von Antiquitäten beschäftigt sein.
Sein mitangeklagter Verwandter Mahmoud M. (26) betreibt unter anderem ein einfaches Hotel in Berlin-Wilmersdorf. Sie entstammen beide einer Familie, deren Nachname stadtbekannt ist. Den mitangeklagten Geschäftsführer Thomas S. (52), der durch seinen vorgeworfenen Tatbeitrag den zweistelligen Millionendiebstahl erst ermöglichte, soll den beiden M. über frühere Geldwäschegeschäfte im Zusammenhang mit Goldhandel verbunden sein. S. sollte deshalb laut Ermittlern 1,3 Millionen Euro "Schulden" bei den beiden M. haben, die mit dem Millionencoup in der Fasanenstraße, so einer der Vorwürfe, die Schulden des S. endlich beglichen sehen wollten.
S. ist in der Szene bekannt als insbesondere den Hells Angels und dem Rotlichtmilieu in Berlin verbunden. Als Geschäftsführer des Unternehmens, das zwei der drei Tresorräume im Keller der Fasanenstraße vermietet hatte, hatte er für seinen mutmaßlichen Tatbeitrag im wahrsten Sinne des Wortes die Schlüssel in der Hand.
Gefälschte Mails und falsche Fährten
Nach gemeinsamer Planung aller Angeklagten, inklusive des Muhammet H. (42), der unter anderem die Mitangeklagten als "Fachmann" für solche Fälle beraten haben soll, soll S. dem bisher für die Tresorräume im Keller zuständigen Wachdienst gekündigt haben. Mittels einer neu eingerichteten E-Mail-Adresse soll er versucht haben, vorzugaukeln, dass ein anderer Berliner Wachschutz nunmehr für sein Unternehmen tätig sei, dessen Namen zwar tatsächlich in Berlin existiert, das aber von seiner angeblichen Beauftragung der Überwachung der Alarmanlage der Tresore nichts wusste. Noch wenige Minuten vor Tatbeginn am 19. November soll S. noch einmal um das Abschalten der Alarmanlage in allen drei Räumen des Tresors eine weitere Wachschutzfirma gebeten haben, die für das Scharfschalten der Alarmanlage zuständig war. Grund: angebliche Bauarbeiten.
Kenan S. soll schließlich als angeblicher Wachschützer in den Tresorräumen, mit einem entsprechenden Transponder als Schlüssel, eingesetzt worden sein mit vier weiteren Unbekannten. Nach dem Aufhebeln der Tresor- und Schließfachtüren sollen sie die Beute über zwölf Stunden lang immer wieder weggefahren haben und schließlich unbehelligt von dannen gezogen sein.
"Man möchte ja nicht so hart bestraft werden"
Werte von über 49 Millionen Euro sind seit dem Einbruchsdiebstahl spurlos verschwunden. Die Täter zu ermitteln wurde auch dadurch erschwert, dass beim Verlassen der aufgebrochenen Tresorräume Feuer gelegt und die Kohlendioxid-Löschanlage ausgelöst wurde.
Einer der ersten Anhaltpunkte für die Ermittler war unter anderem, dass kurz vor dem zweistelligen Millionencoup die Wachschutzfirma von jenem Unternehmen gewechselt worden war, wo S. als Geschäftsführer tätig war. Der erste Erfolg der Polizei war schließlich die Festnahme des 42-jährigen Bilal M. Anfang Mai dieses Jahres. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er die Tat initiierte. Drei Tage später wurde Thomas S. verhaftet. Nachdem er lange zögerte, soll er ausgepackt haben, um die Kronzeugenregelung in Anspruch nehmen zu können und damit auf eine geringere Strafe hoffen zu können.
"Er wird sich zu den Vorwürfen äußern", sagt sein Verteidiger Steffen Tzschoppe. Das sei relativ naheliegend. "Man möchte ja nicht so hart bestraft werden." Bisher soll Thomas S. an zwei Verhandlungstagen im November als Kronangeklagter aussagen. Er lebt im Zeugenschutz unter permanenter Bewachung der Polizei an unbekanntem Ort. 23 Prozesstage bis Ende Januar sind derzeit vorgesehen.
Sendung: rbb 88.8, 05.10.2023, 06:30 Uhr