Berliner Landgericht - Prozess um Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park beginnt
Von mehreren Männern soll im Juni letzten Jahres eine 27-Jährige im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg vergewaltigt worden sein. Ab Donnerstag müssen sich drei mutmaßliche Täter vor dem Berliner Landgericht verantworten. Von Ulf Morling
Die angeklagte Gruppenvergewaltigung soll in den Morgenstunden des 21. Juni stattgefunden haben. Das Pärchen aus Georgien, das seit über einem halben Jahr in Neukölln mit seinen beiden Kindern lebte, hatte sich in den Görlitzer Park nach Kreuzberg aufgemacht, um Marihuana zu kaufen, bestätigten später die jungen Eheleute.
Nachdem sie auf einer Bank im Park Kokain geschnupft haben sollen und sich in ein Gebüsch zurückgezogen hatten, um Zärtlichkeiten auszutauschen, sollen sie kurz darauf Ziel des Verbrechens geworden sein: 1.200 Euro und ein Handy wurden laut Staatsanwaltschaft dem 27-jährigen Oleg T. aus seiner Bauchtasche geraubt, seine gleichaltrige Ehefrau Esmer soll von mehreren Männern mehrfach vergewaltigt worden sein. Ihr Ehemann wurde dabei laut Anklage mit Schlägen von unbekannten Mittätern abgehalten, seiner Frau zu helfen.
Wochenlange Suche nach den Angeklagten
Das Landeskriminalamt musste in wochenlanger Puzzlearbeit die mutmaßlichen Täter ermitteln. Am 26. Juli 2023 war Abdi B. festgenommen worden, ein zur Tatzeit 21-jähriger Somalier, der als 14-jähriger nach Deutschland gekommen war und nach eigenen Angaben in Berlin auf der Straße als Bettler lebte. Er bestritt die Vorwürfe.
Fünf Tage später kam der zweite Angeklagte in Untersuchungshaft. Boubacar B. (23) war 2017 allein aus Guinea nach Deutschland gekommen, nachdem seine Familie ihn als 16-jährigen verlassen haben soll. Sein Asylantrag wurde inzwischen unanfechtbar abgelehnt. Er schwieg bisher im Verfahren.
Als letzter bisher bekannter mutmaßlicher Täter kam sechs Wochen nach dem angeklagten Verbrechen Mountaga D., ebenfalls aus Guinea, in Untersuchungshaft. Er war auch als 16-jähriger nach Deutschland gekommen, sein Asylantrag wurde abgelehnt, heute besitzt er eine Duldung.
Der inzwischen 23-jährige D. soll während einer Haftprüfung im Dezember letzten Jahres erklärt haben, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich zwischen dem mutmaßlichen Opfer und ihm stattgefunden habe. Oleg T. sei im Görlitzer Park auf ihn zugekommen und habe sogar Geld dafür geboten, weil seine Ehefrau einmal mit "einem Schwarzen Sex haben wolle", sagte er vor einem Richter aus, wie gegenüber dem rbb versichert wurde. Deshalb sei u.a. auch die DNA seines Spermas im Slip des mutmaßlichen Opfers gefunden worden, habe D. erklärt.
Frau musste mehrmals aussagen
Zweimal musste im Verlauf der Ermittlungen das Ehepaar aussagen. Einen Tag nach dem Geschehen im Görlitzer Park soll das Landeskriminalamt (LKA) der Ehefrau Esmer T. für einen möglichen Strafprozess gegen die Täter die Betreuung durch eine "psychosoziale Prozessbegleitung" angeboten haben, ebenso eine richterliche Vernehmung per Video, so die Ermittler. Mit einer Videovernehmung kann u.a. eine Retraumatisierung von Opfern verhindert werden, weil diese dann nicht immer wieder bei Vernehmungen das brutale Tatgeschehen schildern müssen.
Nach rbb-Informationen hatte die 27-jährige bereits einen Tag nach der angeklagten Gruppenvergewaltigung über das Angebot einer richterlichen Vernehmung, die auch in der Verhandlung vor dem Landgericht hätte abgespielt werden können, gesagt: "Das wäre schön." Doch eine Videovernehmung soll nie erfolgt sein.
Stattdessen sollte die Frau Einzelheiten der Tat berichten und beschrieb einen der damaligen Vergewaltiger als jungen Mann, der eine Rastafrisur wie der jamaikanische Reggaestar Bob-Marley getragen habe. Anfangs seien fünf bis sechs Männer anwesend gewesen, dann seien weitere unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Hautfarbe, "dunkel und hell", dazugekommen. Einer von ihnen habe gerufen "Fuck Bitch!".
Einen Monat später fand die zweite kurze Vernehmung des Ehepaares statt. Wieder soll Esmer T. aufgefordert worden sein, die Vergewaltigungen "detailliert" zu beschreiben. Die Vernehmung des mutmaßlichen Opfers soll schließlich abgebrochen worden sein, weil T. angegeben habe, emotional "blockiert" zu sein, berichteten Verfahrensbeteiligte.
Urteil im März?
Die 28. Große Strafkammer mit dem Vorsitzenden Richter Thilo Bartl plant bisher neun Verhandlungstage gegen die drei Angeklagten. 47 Zeugen werden von der Staatsanwaltschaft in der Anklage benannt. Unter ihnen ist der Bewohner eines an den Görlitzer Park angrenzenden Mietshauses. Er hatte nach den Hilfeschreien Esmer T.s die Polizei alarmiert.
Ob sie und ihr Mann aber zu dem Prozess überhaupt erscheinen, sei fraglich, sagte Verteidiger Eckart Fleischmann dem rbb. Die beiden Hauptbelastungszeugen hätten Deutschland seit langer Zeit verlassen, "und unklar ist, ob sie überhaupt nach Deutschland kommen und eine Aussage tätigen". Ende Dezember sei darüber hinaus ein neues Beweismittel aufgetaucht, das das Geschehene möglicherweise in einem "ganz anderen Licht schildert". Die Polizei sei derzeit noch mit der Auswertung beschäftigt. Klar scheint aber, dass von allen drei Angeklagten DNA-Spuren am Tatort gefunden worden sein sollen.
Am 11. März soll das Urteil fallen. Weitere mutmaßlich an dem angeklagten Verbrechen Beteiligte sind bis heute unbekannt.
Sendung: rbb24 Abendschau, 18.01.2024, 19:30 Uhr