Streit über Einleitungen - Brandenburg sieht Polen für hohe Salzwerte in der Oder fast allein verantwortlich

Di 29.08.23 | 17:00 Uhr
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Archivbild:Eine Mitarbeiterin vom Nationalpark Unteres Odertal holt mit Schutzbekleidung tote Fische aus dem deutsch-polnischen Grenzfluss Westoder, nahe dem Abzweig vom Hauptfluss Oder am 16.08.2022.(Quelle:dpa/P.Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 29.08.2023 | Sabine Tzitschke | Bild: dpa/P.Pleul

Hohe Salzwerte sollen die Umweltkatastrophe in der Oder mitverursacht haben. Das Brandenburger Umweltministerium gibt zu, dass auch deutsche Unternehmen Abwasser in den Fluss einleiten - für die Salzfrachten sei aber Polen fast allein verantwortlich.

Im Zusammenhang mit dem Fischsterben 2022 in der Oder streiten Polen und Deutschland darüber, wer für die Umweltkatastrophe die Verantwortung trägt. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht, wer für die Salzfrachten in die Oder verantwortlich ist. Das Brandenburger Umweltministerium veröffentlichte jetzt Schreiben, aus dem hervorgeht, dass die polnische Regierung die Verantwortung für das Fischsterben auf deutscher Seite sieht.

Zu finden sind die Angaben in einer Antwort des Umweltministeriums auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Petér Vida (BVB/Freie Wähler) [parlamentationsdokumentation.brandenburg.de]. Darin informiert das Ministerium über Anfragen des Medienunternehmens "Axel Springer Polska" an das Bundesumweltministerium. In der Kommunikation werde "dargelegt, dass die polnische Regierung davon ausgeht, dass die deutsche Industrie möglicherweise in erster Linie für die Verschmutzung der Oder und das Fischsterben verantwortlich wäre".

Umweltministerium: Salzlasten stammen zu 90 Prozent aus Polen

Das Umweltministerium nennt die Angaben von "Axel Springer Polska" als "spekulativ bar jeder erkennbarer Fakten". "Die Oder bringt ihre Salzfracht bereits zu 90 Prozent aus Polen mit", heißt es. "Einleitungen auf deutscher Seite führen bezogen auf die Grundbelastung zu keiner signifikanten Mehrbelastung."

Es gibt deutsche Einleiter - aber andere

Laut der Anfrage hatte bereits im Juni der "Business Insider Polska", der zu dem Medienunternehmen "Axel Springer Polska" gehört, eine Liste von Verschmutzern veröffentlicht. Diese soll durch die polnische Regierung als Reaktion auf das Fischsterben erstellt worden sei. In dieser Liste seien sechs Einleiter aus Brandenburg aufgeführt, heißt es - darunter das Kraftwerk Schwedt, die Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft FWA oder den Veolia Umweltservice. Die "Märkische Oderzeitung" berichtete demnach zuerst.

Einige der erwähnten Unternehmen würden allerdings "selbst nichts in die Oder einleiten", heißt es nun vom Ministerium. Im Zusammenhang mit dem Fischsterben sei überprüft worden, ob die Unternehmen ihr Abwasser korrekt entsorgten.

Gleichzeitig, heißt es in der Anfrage, fehlten auf der Liste Unternehmen, die tatsächlich große Mengen an Abwasser einleiten - wie die PCK-Raffinerie und die Leipa-Papierfabrik Schwedt sowie Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt und die dortige Papierfabrik.

Einfach nur ergoogelt?

Laut der Anfrage von BVB/Freie Wähler sind die in der Liste aufgeführten Unternehmen mit ihrer Unternehmensbezeichnung so auf Google Maps zu finden und lägen nie weiter als 250 Metern vom Ufer der Oder entfernt. "Die nicht aufgeführten großen Unternehmen, die tatsächlich große Mengen Abwasser in die Oder einleiten, sind hingegen weiter von der Oder entfernt. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die angeblich von der polnischen Regierung stammende Liste nicht das Resultat gründlicher Recherche und Untersuchungen vor Ort ist, sondern einfach Unternehmen aufgelistet wurden, die laut Google Maps direkt an der Oder liegen", heißt es in der Anfrage. Das würde auch erklären, "warum das gleiche Unternehmen unter zwei Namen doppelt auf der Liste auftaucht, denn es ist in Google Maps ebenfalls unter zwei Namen doppelt aufgeführt".

"Das Fischsterben hat nachgewiesenermaßen mehr als 300 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt seinen Ursprung im Oberlauf der Oder und seinen Zuflüssen", stellt das Ministerium in seiner Antwort fest. "Der deutsche Anteil an der Oder ist mit den Auswirkungen konfrontiert worden." Dies sei umfassend auch von polnischen Experten und Wissenschaftlern dokumentiert und bestätigt worden.

Im Sommer 2022 war es in der Oder zu einem massenhaften Fischsterben gekommen. Fachleute gehen davon aus, dass hoher Salzgehalt, Niedrigwasser, hohe Temperaturen und das Gift einer Algenart mit dem Namen Prymnesium parvum das Fischsterben verursacht haben. In dem Fluss werden weiterhin stark überhöhte Salzfrachten gemessen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 29.08.2023, 12:30 Uhr

Korrektur: In einer ersten Fassung dieses Beitrags waren einige Informationen zu der hier erwähnten Kleinen Anfrage fälschlicherweise als Antwort des Umweltministeriums beschrieben worden, tatsächlich stammten sie aus der ursprünglichen Anfrage von BVB/Freie Wähler. Im Detail betraf es die Auflistungen des "Business Insider Polska" und Angaben zu der Mutmaßung, ob die gelisteten Unternehmen möglicherweise lediglich auf Entfernungsrecherchen beruhen. Wir haben die entsprechenden Stellen jetzt überarbeitet und bitten um Entschuldigung für diese Fehlzuschreibung.

8 Kommentare

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  1. 8.

    Nichts is weder klar noch logisch! Tote Fische wurden bereits bei Brieskow-Finkenheerd und Neuzelle, schon weit vor Eisenhüttenstadt gefunden!
    Die Katastrophe begann auf polnischer Seite. Oder weshalb sollten polnische Umweltschützer die ersten gewesen sein, die Brandenburg über das Fischsterben informiert haben?
    https://www.tagesschau.de/ausland/fischsterben-oder-127.html
    https://www.eisenhuettenstadt.de/Kurzmen%C3%BC/Startseite/Fischsterben-in-der-Oder-Landkreis-Oder-Spree-empfiehlt-Oderwasser-derzeit-nicht-zu-nutzen.php?object=tx,2852.5&ModID=7&FID=2852.17036.1
    Und Polen soll im Juni schon wieder einen Krisenstab wegen toter Fische eingesetzt haben:
    https://www.tagesschau.de/ausland/europa/polen-oder-krisenstab-100.html

  2. 7.

    Da haben wir es wieder: Es scheint ganz so, als ob das brandenburger Umweltministerium seinem Ruf „Andere müssen... „Ich“ teile zu“ zunehmend als „Feststeller“ verändern will.

  3. 6.

    Die ganze Diskussion dazu ist für das Thema irrelevant, da die Salzgehalt und auch die Algen schon so bei Ratzdorf ankamen. Alle hier diskutierten Einleiter liegen begreits stromabwärts von dieser Meßstelle. Wie man leicht aus den öffentlich zugänglichen Meßwerten sehen konnte, haben sich die Gehalte dann nicht mehr weiter (im Rahmen der Meßgenauigkeit) stromabwärts nach ober verändert, also spielen auch alle anderen Einleiter bis ans Haff für das beobachtete Phänomen keine zusätzliche wesentliche Rolle mehr.

  4. 5.

    ArcelorMittal und die Papierfabrik liegen wesentlich weiter als 250 m neben der Oder. Das Stahlwerk leitet behandeltes Abwasser über eine Rohrleitung bei Vogelsang ein, die Papierfabrik erweitert gerade ihr Klärwerk in Zusammenarbeit mit der örtlichen Wasserverband, wie in der MOZ zu lesen war.

  5. 4.

    'Brandenburg sieht Polen für hohe Salzwerte in der Oder fast allein verantwortlich'

    Ja das ist doch ganz logisch und fast selbstverständlich, wie könnte es denn auch anders sein. Passt zu Brandenburg.

  6. 3.

    Endlich mal ein Kommentar zu diesem Thema, der mit Verstand geschrieben ist. Nicht nur Hetze gegen die Nachbarn und jaaaaa keine Mitschuld einräumen. Sehr gut, besser hätte ich das nicht formulieren können.

  7. 2.

    Was tun wir Menschen der Natur an. Mit der größten Selbstverständlichkeit.

  8. 1.

    "Gleichzeitig würden auf der Liste Unternehmen fehlen, die tatsächlich große Mengen an Abwasser einleiten - wie die PCK-Raffinerie und die Leipa-Papierfabrik Schwedt sowie Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt und die dortige Papierfabrik." Das ist bemerkenswert. Was mir bei dem Salzfracht-Thema fehlt, ist eine quantifizierte Bestandsaufnahme. Vor dem Krieg war die Oder stark wirtschaftlich genutzt und schiffbar von Cosel in Oberschlesien bis an die Mündung. Schon wegen des wirtschaftlichen Nutzens hat Polen ein ganz anderes Interesse als das grün gesteuerte Umweltministerium in Brandenburg. Auch K+S in Deutschland leitet aus wirtschaftlichen Gründen erhebliche Salzfracht in die Werra ein. Interessant wären hier vergleichende Zahlen von der Werra und der Oder.

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