Unerlaubte Flughafen-Fahrten - Lizenzierte Taxifahrer kämpfen am Flughafen BER gegen illegale Konkurrenz
Um Fahrgäste am BER aufzunehmen, brauchen Taxifahrer eine Lizenz. Doch viele umgehen diese Genehmigung. Das wird für die legalen Taxifahrer ein immer größer werdendes Problem. Von Juliane Gunser
Sie sind kaum von den wartenden Menschen zu unterscheiden, die am Flughafen Berlin-Brandenburg auf Freunde und Familie warten. Meistens allein, manchmal auch zu zweit, gehen sie in der Ankunftshalle von Terminal 1 auf und ab. Sobald frisch gelandete Fluggäste durch die Schiebetüren kommen, werden sie aufmerksam.
Während sich die Reisenden in Richtung Ausgang schieben, nähern sie sich von der Seite und fragen leise: "Taxi? Taxi? Berlin?". Einige von ihnen halten ein Handy in der Hand, auf dem man Anbieter wie Uber, Freenow oder Bolt sieht. Zeigen sich die Reisenden einverstanden, lotsen die Männer sie nach draußen auf den Kurzzeitparkplatz. Dort stehen ihre Taxen – denn sie haben keine offizielle Genehmigung, am BER Fahrgäste aufzunehmen.
Auf Nachfrage des rbb gibt einer der Fahrer auch zu, illegal zu arbeiten, findet das aber unproblematisch: "Ist doch ein freier Markt, warum soll ich nicht herkommen und versuchen Geld zu verdienen?", sagt er.
Draußen vor der Tür eröffnet sich ein anderes Bild: In der eigentlichen Taxischlange vor dem BER reiht sich ein Taxi an das nächste. Die Fahrer warten geordnet. Die Fahrgäste, die dort ankommen, steigen in das vorderste Taxi ein und alle anderen rücken nach.
Doch immer mehr Fahrgäste kommen eben gar nicht mehr an der Taxischlange an, sondern werden schon in der Ankunftshalle abgefangen und in die Taxen gelotst, die in der Kurzparkzone gegenüber der Taxischlange warten – ein Ärgernis für die lizenzierten Taxifahrer.
Die Frustration wächst
Denn um in der Taxischlange zu stehen, benötigen die Taxifahrer eine Genehmigung. Sie bezahlen für jede Durchfahrt am Flughafen eine Gebühr an den Flughafenbetreiber. Die Fahrer ohne Lizenz umgehen das, indem sie im Kurzparkbereich stehen. Ein ausgeklüngeltes System, das die Lizenzfahrer frustriert: "Wir warten nicht nur oben in der Schlange eine halbe Stunde. Vorher warten wir auch noch hier unten auf dem Parkplatz, oft bis zu fünf Stunden, bis unsere Nummer aufgerufen wird und wir hochfahren können zur Taxischlange", erzählt ein Taxifahrer, "das ist frustrierend und nicht Sinn der Sache. Und wir verdienen dadurch weniger Geld."
Er und seine Kollegen sind sich einig, dass es so nicht weitergehen kann. "Da muss was passieren! Das Land, die Politik, der Flughafen – irgendwer muss sich für uns einsetzen", sagt ein anderer Taxifahrer.
Der Betrug hat System
Einer von ihnen wird in Bezug auf ihre Situation noch konkreter: "Das ist ein richtiges System. Viele von denen, die hier als 'Klauer' arbeiten, erkenne ich wieder. Die habe ich auch damals in Tegel schon gesehen."
Michael Firyn von der Taxi-Innung Königs Wusterhausen spricht gar von einer "Taximafia": "Keiner will sich mit diesen illegalen Fahrern anlegen. Teilweise kommt es auch zu Schlägereien zwischen den illegalen und den lizenzierten Fahrern. Da muss einfach viel härter durchgegriffen werden und auch mal eine höhere Strafe verhängt werden."
Lizenzen gibt es nicht ohne Grund
Die Lizenz ist die Voraussetzung, um am BER Fahrgäste einladen zu dürfen. Für den Flughafen Berlin-Brandenburg gibt es insgesamt 1.000 solcher Lizenzen, wobei jeweils die Hälfte in Berlin und die andere Hälfte im Landkreis Dahme-Spreewald liegen. Daran sind Bedingungen und Voraussetzungen geknüpft, die die Taxifahrer erfüllen müssen. So müssen sie beispielsweise über Ortskenntnisse verfügen, mit Taxometer fahren, die Reihenfolge einhalten und pro Durchfahrt am Flughafen eine Gebühr von 2,23 Euro bezahlen.
"Uns ärgert die Situation am BER massiv", erklärt Landrat Stephan Loge vom Landkreis Dahme-Spreewald. "Die Taxen mit Lizenz arbeiten nach den Regeln des ÖPNV. Die Schwarztaxen verursachen eine Marktverzerrung und arbeiten auch nicht im Sinne des Gesetzes, das ist illegal. Dem muss Einhalt geboten werden."
Um die Taxen ohne Lizenz zu verdrängen, braucht es Sicherheitspersonal, etwa die Kräfte des zuständigen Straßenverkehrsamtes aus dem Landkreis. Doch um durchgehend während der Öffnungszeiten des Flughafens vor Ort aktiv zu sein, fehle es an Kapazitäten. "Da braucht es zusätzlich andere Institutionen, die beispielsweise verdeckt ermitteln und auch der Flughafenbetreiber muss tätig werden", so der Landrat. Mitarbeiter des Straßenverkehrsamtes hätten bereits Untersagungen verfügt und Ordnungsgelder verhängt, können aber nur punktuell eingreifen, so Loge weiter. "Man läuft denen hinterher, die mit entsprechender Energie dem Gesetz widersprechen."
Der Flughafen sieht kein Problem
Der Landrat, die Lizenz-Taxifahrer und auch der Vorsitzende der Taxi-Innung sehen letztlich den Flughafenbetreiber in der Pflicht. Doch Jan-Peter Haak, Pressesprecher des Flughafens, erklärt dem rbb, er sehe keine Probleme, im Gegenteil: "Von den Taxifahrern hören wir, dass das hier im Moment ein sehr gutes System ist, das funktioniert gut. Wir haben hier eine extra Taxi-Spur, wir haben hier den Dienstleister, wir haben die App, in der wir informieren, wir haben hier die Fluggäste, die wir informieren und wir versuchen damit allen gut zusammenzuarbeiten, damit unsere Fluggäste das bestmögliche Angebot haben."
Das sieht Michael Firyn von der Taxi-Innung ganz anders: "Das Problem gibt es ja nun schon länger und da will auch keiner so richtig ran, weil es auch unangenehm ist. Die illegalen Fahrer werden zum Teil aggressiv." Auch die Taxenaufsicht wolle sich nicht einmischen, "weil die sich auch nicht mit den Leuten anlegen wollen. Irgendwie muss sich da grundlegend etwas ändern und härter durchgegriffen werden. Es ist einfach nicht richtig den Leuten gegenüber, die hier stehen und eine Lizenz haben."
"Schlägereien passieren immer wieder"
Um die Situation zu verbessern, bittet der Landrat nun um die Mithilfe der lizenzierten Taxifahrer: "Auf keinen Fall aggressiv werden! Besser immer wieder die illegalen Taxifahrer anzeigen und im besten Falle so mutig sein und Namen und Adressen nennen." Er geht davon aus, dass sich die Taxifahrer mit und ohne Lizenz untereinander kennen und will die betroffenen Taxifahrer ermutigen, selbst Teil der Lösung zu sein.
Michael Firyn und seine Kollegen haben allerdings inzwischen auch Angst vor Übergriffen. Mustafa Yanikoglu vom Taxiverband des Landkreises Dahme-Spreewald hat einige Videos auf seinem Handy, die körperliche Auseinandersetzungen dokumentieren. Er hat auch Aufnahmen, auf denen zwei oder auch mehrere Taxen so dicht hintereinanderfahren, dass sie gemeinsam die Ausfahrtschranke der Kurzparkzone verlassen – und damit teilweise die Parkgebühren umgehen. Yanikoglu versucht immer wieder auf das Problem aufmerksam zu machen, schreibt E-Mails an den Landkreis und versucht ein Handeln anzustoßen – bisher ohne Erfolg. Der Landrat fordert nachdrücklich, dass sich der Flughafenbetreiber stärker einmischt. Der wiederum sieht keinen Handlungsbedarf. Dass sich der Flughafen dem Problem mit den illegalen Fahrern dennoch annimmt und die illegale Konkurrenz eindämmt, hoffen die Lizenzfahrer sehr - besonders optimistisch sind sie aber nicht.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.01.2023, 7:00 Uhr
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