Mobile Augenuntersuchung - Wie ein Berliner Startup versucht, eine Ärzte-Lücke zu schließen

Di 22.10.24 | 13:27 Uhr
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Symbolbild: Augenuntersucung mit einem Tonometer. (Quelle: dpa/zoonar)
dpa/zoonar
Audio: Antenne Brandenburg | 22.10.2024 | Phillipp Manske | Bild: dpa/zoonar

Wer versucht, als neuer Patient einen Termin bei einem Augenarzt zu bekommen, weiß, wie schwierig das sein kann, gerade in Brandenburg. Ein Berliner Startup will dem etwas entgegensetzen - mit einem umstrittenen Geschäftsmodell. Von Phillipp Manske

Die Augenarztpraxis von Simon Zabel und Konstantin Hahne passt in einen großen Koffer. Mit ihren Gerätschaften touren die beiden jungen Männer eines Berliner Startups, gegründet 2022, durch die Pampa, halten überall dort, wo Brandenburger kaum bis keine Augenarzttermine kriegen.

An diesem Vormittag ist das die Lausitzer Kleinstadt Drebkau im Spree-Neiße-Kreis. "Wir waren auch schon in Orten, die deutlich kleiner sind", sagt Projektleiter Simon Zabel, "auch schon mit tausend und weniger Einwohnern." Die Leute seien dann vor Ort "deutlich älter" als anderswo in Deutschland - "und teilweise seit vielen, vielen Jahren nicht beim Augenarzt gewesen."

Fachpersonal statt Augenarzt

In Drebkau hat das Duo seine mobile Praxis im Klassenraum einer Grundschule eingerichtet. Einen Augenarzt sucht man allerdings vergeblich. Stattdessen wirbt das Unternehmen mit erfahrenem Fachpersonal, das die Untersuchungen macht, so wie Konstantin Hahne, der studierter Augenoptiker ist.

"Wir kommen zum einen mit einem Tonometer, mit dem wir den Augeninnendruck messen können. Dann kommen wir mit einer Funduskamera, mit der wir uns die Netzhaut anschauen und den Augenhintergrund beurteilen können. Und wir kommen mit einer Spaltlampe, ein Spaltlampenmikroskop, mit dem wir den vorderen Augenabschnitt untersuchen können."

Der Tag ist dicht getaktet. 20 Leute haben in Drebkau einen Termin für eine Augenvorsorgeuntersuchung gebucht. Jutta van Almsick ist eine von ihnen. Die Preise unterscheiden sich etwas von Ort zu Ort, abhängig vom Anfahrtsweg der beiden Männer. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht. Jutta van Almsick zahlt für die Untersuchung 69 Euro - und zwar notgedrungen, "weil man im Grunde genommen keinen Augenarzttermin bekommt." Als ihr Mann zum Augenarzt musste, sei er zu fünf Ärzten in Cottbus gefahren, aber von niemandem angenommen worden. "Letztendlich sind wir nach Berlin gefahren."

Try and error

Auch der Autor dieses Textes hat im Zuge der Recherchen stichprobenartig in Cottbus und Großräschen (Oberspreewald-Lausitz) versucht, als Neupatient zeitnah einen Termin für Untersuchungen zu bekommen. In allen drei Fällen hieß es, man solle es nochmal Anfang nächsten Jahres probieren, oder jeweils zu Beginn eines Quartals. Geht es allerdings um akute Fälle, kann sich jeder zu den Sprechstundenzeiten an jeden Augenarzt oder an die kassenärztliche Notfallnummer 116 117 wenden.

Wer es über das elektronische Terminportal der Kassenärztlichen Vereinigungen [eterminservice.de] probiert, bekommt aktuell im Umfeld von Cottbus bei drei Ärzten Termine vorgeschlagen, einen davon in Finsterwalde (Elbe-Elster), zwei davon in Sachsen (Weißwasser und Hoyerswerda). Der früheste Termin wäre am 6. November zu haben.

Kritik an dem Geschäft mit der Gesundheit

Das Berliner Startup will mit seinem Angebot Facharztversorgungslücken im ländlichen Raum schließen, erntet dafür aber auch viel Kritik. Zum Beispiel vom Berufsverband der Augenärzte in Deutschland, weil "bestimmte Krankheitsbilder unmittelbar in einer augenärztlichen Praxis oder Klinik diagnostiziert und behandelt werden müssen", heißt es in einer Stellungnahme des Verbands.

Simon Zabel, der Projektleiter des Startups reagiert mit Unverständnis. "Wir wollen uns gar nicht mit Ärzten vergleichen", sagt er. Sie würden eine nichtärztliche Augenuntersuchung anbieten. "Der Optometrist erhebt Messdaten und diese werden dann den Ärzten vorgelegt. Daraus wird ein Ergebnisbericht zusammengestellt, der an den Kunden geschickt wird."

Der Bürgermeister von Drebkau, Paul Köhne (CDU), sieht dieses Angebot als Mehrwert für seine Kommune. "Rund um Drebkau gibt es keine Augenärzte, lange Wartezeiten für Augenarzttermine zum Beispiel auch in Cottbus." Auch, als das Startup im Juni das erste Mal im Ort war, sei das Angebot gut angenommen worden, so Köhne. "Alle Termine waren ausgebucht." Drebkau habe daraufhin das Startup gefragt, ob es wiederkommen könnte.

Das Berliner Startup hat nach eigenen Angaben seit Jahresanfang mehr als 5.000 solcher Augenvorsorgeuntersuchungen gemacht, vor allem im Osten Deutschlands, aber auch im Raum Hamburg. Die Ergebnisse würden von Augenfachärzten ausgewertet und bei Bedarf per Videoschalte mit den Patienten besprochen.

Längst bieten auch andere große Optikerunternehmen derartige Check-Ups an - und Brandenburger werden wohl auch weiter extra Geld in die Hand nehmen, wenn sie es sich leisten können, um nicht monatelang auf einen Termin beim Augenarzt warten zu müssen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.10.2024, 14:40 Uhr

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3 Kommentare

  1. 3.

    "Die Ergebnisse würden von Augenfachärzten ausgewertet und bei Bedarf per Videoschalte mit den Patienten besprochen."
    Welche Ergebnisse? Die Ergebnisse sind Meinungen/Beurteilungen von Nicht-Augenärtzen.
    Eher kommt noch eine Rechnung für die angebliche Auswertung.

    In der Augenarztpraxis macht das Personal auch einige Untersuchungen mit Apparaten, aber nur solche die eindeutige Daten liefern; Blickfeldmessung, Augeninnendruck mittels Luftdruck, Sehschärfetest.
    Nichts mit Spaltlampe usw., weil es keine eindeutigen Ergebnisse für Dritte liefert.

    Teuer ist doch die Untersuchung und nicht die Auswertung der Daten. Ich denke mal, das ist für Augenärzte nicht lukrativ.
    Außerdem müsste der Kunde seine Krankenkassenkarte vom StartUP einlesen lassen und seine Emailadresse für eine Videoschalte hinterlassen.
    Und der auswertende Augenarzt kann irgendwo (auf der Welt) sitzen, mit dem Ergebnis: Gehen Sie zu ihrem Augenarzt.

  2. 2.

    Bedankt Euch bei dem tollen Woidke der soviele Jahre regiert und nichts getan hat für Verbesserungen.

  3. 1.

    "Extra Geld in die Hand nehmen müssen" ist nicht "gottgegeben" es ist das Ergebnis einer gewissen politischen Einstellung. Seit über 3 Jahrzehnten...

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