Mangelnde Versorgung - Ukrainische Kriegsversehrte leiden unter Berliner Bürokratie

Do 14.09.23 | 14:37 Uhr | Von Andrea Everwien und Julian von Bülow
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Operation im Brandverletzungszentrum im Unfallkrankenhaus Berlin. (Quelle: dpa/Annette Riedl)
dpa/Annette Riedl
Video: rbb24 Abendschau | 13.09.2023 | Andrea Everwien | Bild: dpa/Annette Riedl

Schwer verletzte ukrainische Soldaten werden in Berlin operiert. Doch Krankenkassen, Jobcenter und Sozialamt machen den Versehrten das Leben schwer. Seit Monaten hat sich daran nichts getan, gesteht der Senat ein. Von A. Everwien und J. von Bülow

Auf seinem Smartphone zeigt Oleg das Bild seines offenen Beines. "Ich wurde durch eine Minenexplosion morgens um fünf verletzt und habe viel Blut verloren", sagt der ukrainische Soldat. "Meine Jungs, meine Soldaten haben mich vier Kilometer weit getragen, damit ich überhaupt behandelt werden konnte." Nun sitzt Oleg im Rollstuhl.

Verletzte Soldaten wie er aus dem russischen Krieg gegen die Ukraine werden auch in Berlin von Ärzten behandelt. Ihre Verletzungen sind so schwer, dass sie in der Ukraine möglicherweise nicht überlebt hätten. Doch nach der Behandlung stehen die verletzten Soldaten allein vor den bürokratischen Anforderungen in einem fremden Land. Denn in Deutschland werden sie wie Geflüchtete behandelt.

Wegner kündigte schon vor Monaten Besserung an

"Ich bin nicht als Geflüchteter hergekommen, sondern als kriegsverletzter Soldat", sagt Oleg, "ich habe eine offizielle Einladung von Deutschland erhalten, dass sie mich hier unterstützen werden: Ich werde im Krankenhaus behandelt und soll eine Unterkunft bekommen, es soll angeblich alles für mich eingerichtet sein." Deutschland hilft der Ukraine bereits seit 2014 mit der Versorgung verletzter Soldaten.

Doch im Mai schrieb Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew (Kyiv), einen Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU): In anderen Bundesländern laufe die Hilfe unbürokratischer ab, in Berlin sei die Finanzierung medizinischer Behandlungen nicht immer sichergestellt. Wegner kündigte daraufhin in der rbb24 Abendschau an: "Wenn das in anderen Ländern, in anderen Städten besser läuft, muss das auch in Berlin besser laufen."

Ehrenamtliche helfen den Kriegsversehrten

Doch Oleg und andere Versehrte kämpfen nach wie vor mit der Bürokratie. Die Kriegsversehrten landen zwischen ihren zahlreichen Operationen immer wieder im Ukraine-Ankunftszentrum Tegel, sollen dort schwerbehindert in Zelten mit tausenden anderen Geflüchteten leben. Der Lärm dort sei für Oleg äußerst unangenehm gewesen. "Durch die Minenexplosion wurde mein Gehirn gequetscht. Manchmal höre ich Alarmsignale - Töne, die gar nicht wirklich da sind. Das ist umso schlimmer, je lauter es um mich herum ist", sagt Oleg.

Unterstützung erhalten Kriegsversehrte seit über einem Jahr von der Ukrainerin Olena Gräfe-Elefant. Sie wohnt seit gut 20 Jahren in Berlin und hilft mit ihren zehn ehrenamtlichen Mitstreiterinnen etwa bei Post von Sozialamt, Krankenkasse und Jobcenter. Vor wenigen Tagen half sie Oleg, ein Zimmer in einem Pflegeheim zu finden.

Allerdings weiß Oleg nicht, ob er in dem Heim bleiben darf. Eigentlich hätte er sich in die lange Schlange der Geflüchteten einreihen und sich vom Sozialamt eine Wohnung zuweisen lassen müssen.

Mahnendes Beispiel sind die anderen Versehrten Vitalij und Taras. Das für sie zuständige Jobcenter leiste seit Juli keine Mietzahlungen, womöglich, weil auch diese beiden Kriegsversehrten nicht den üblichen bürokratischen Weg gegangen sind. Gräfe-Elefant hat dafür kein Verständnis: "Ein behinderter Junge, der nicht richtig sprechen kann, nicht laufen kann, der nur seine Hände bewegt – wie soll der zum Sozialamt gehen?"

"Konkrete Maßnahmen können noch nicht genannt werden"

Wie der "Tagesspiegel" am Dienstag berichtete, analysierte die Sozialverwaltung des Senats die Situation der Kriegsversehrten. Sie antwortete auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus: "Im nächsten Schritt werden nun Lösungsansätze entworfen. Konkrete Maßnahmen oder Zeitangaben können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genannt werden."

In der rbb24 Abendschau wies Sozialstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) am Mittwoch darauf hin, dass der Bund sich nun einmal dafür entschieden habe, die Kriegsversehrten in die Regelsysteme der deutschen Sozialversicherung zu integrieren. Man müsse schauen, wie man diese Leistungen von Jobcenter und Sozialamt nun für die Versehrten in einem Bezirk bündeln könne, so Bozkurt. Dadurch solle es einen stringenten Prozess geben, sodass sich die Handhabe nicht je nach Bezirk unterscheide. Das fordert auch die Ehrenamtliche Olena Gräfe-Elefant.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 hat Berlin rund 40 Kriegsversehrte aus der Ukraine aufgenommen. Gräfe-Elefant sagt: Es werden weitere kommen. Für sie wünscht sie sich angemessene Unterkünfte, am liebsten in einem Haus, das Berlin zur Verfügung stellt. So sei es etwa in Hamburg geschehen. Staatssekretär Bozkurt sagte dazu, auch diese Idee wolle man in den Blick nehmen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 13.09.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Andrea Everwien und Julian von Bülow

61 Kommentare

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  1. 61.

    bitte die in #57 benannte Abendschau datums- und Sendezeitmäßig exakt datieren.

  2. 60.

    Warum das Gemaule gegen den jetzigen Senat von Wählern/Wählerinnen, die das amtliche Endergebnis der Wiederholungswahl für Berlin 2023 durch ihr Wahlkreuz herbeiführten? Vor der nächsten Berlinwahl kommen wieder die Gebärden, dass man die Politik abstrafen würde, während das nächste Wahlergebnis wieder fast nur Gemaule herbeiführt - irgendwie mechanisch-langweilig.

  3. 59.

    " es soll angeblich alles für mich eingerichtet sein."

    wenn Berlin das nicht leisten kann oder will , sollte sich Berlin mit den Versprechungen an verletzte Soldaten zuückhalten , eine Op ist ja gut und hilfreich, aber dann ist Nachsorge erforderlich

  4. 58.

    in welcher Abendschausendung hat Wegner wann an welchem Tag sowas geredet?

  5. 57.

    " Wegner kündigte daraufhin in der rbb24 Abendschau an: "Wenn das in anderen Ländern, in anderen Städten besser läuft, muss das auch in Berlin besser laufen."

    wird wohl bei der Ankündigung bleiben

  6. 56.

    "Machen wir Kerzen an, halten uns an den Händen"
    Schon vergessen?
    Rückblick 1989 DDR - da funktionierter das im Herbst.
    Rückblick Baltikum 1989 - da funktionierte das gegen die von Gorbatschow in Marschgesetzte Rote Armee.

  7. 55.

    Ich kann nur wiederholen, die deutsche Bürokratie ist gleich dem Vodka-Konsum der Russen zu stellen. Die Bekämpfung der nationalen Sünden ist in beiden Fällen genauso sinnlos, es scheint in den Genen dauerhaft eingegraben zu werden.

  8. 54.

    Wenn Sie auch wie eine Königin behandelt werden wollen, sollten Sie sich auf‘s Schlachtfeld begeben und sich eine Kugel einfangen oder auf eine Mine treten.
    Dann bekommen Sie auch alles. Also, nur zu!

  9. 53.

    Da frage ich mich glatt, wie Berlin seine neue Partnerstadt beim Wiederaufbau und auch humanitär unterstützen will.
    Machen wir Kerzen an, halten uns an den Händen und haben alle gemeinsam warme Worte?
    Na ja, in Berlin läuft z.Zt. eh alles etwas anders. Traurig!

  10. 52.

    Der Text in #4 war zu kurz, erst in #46 steht die Erklärung.

  11. 51.

    "Es ist eine Schande, dass Berlin es nicht packt, 40 Kriegsverletzte unbürokratisch zu versorgen! " -Da gebe ich Hnen 100% recht!

  12. 50.

    Ja 18,4 % stimmt > https://www.rbb24.de/politik/wahl/abgeordnetenhaus/agh-2023/beitraege/berlin-wiedehrolung-wahl-agh-bvv-2023-amtliches-endergebnis.html Mein Akzent liegt darauf, daßß diese bein Parteien einen Gleichstand erzielten.

  13. 49.

    Sie sollten eine politische Unterstützung nicht mit einer finanziellen verwechseln, bei Finanzen gibt es für einen Landespolitiker wenig Spielraum, insbesonder bei Arzt- und Krankenhauskosten, zumal bei Krankenhauskosten wird in Berlin zuvor eine Kostenübernahme verlangt! Ergo, in Berlin gilt: erst die "Pinunzenzen", dann die Behandlung.

    Tja, in Berlin ist alles anders, und bei den den wichtigsten Dingen heist es : "ohne Moos läufts nicht" .

  14. 48.

    Was soll das? Sie haben medizinische Hilfe bekommen, sie haben ein Dach über dem Kopf und Essen und Trinken. Das ist Hilfe. Warum erwarten sie denn besser behandelt zu werden als andere Menschen aus Kriegsgebieten und ja, auch besser als die Berliner selbst. Wir haben weder ausreichend Wohnraum, noch ausreichend Personal und Finanzen, um Soldaten- wenn es doof läuft auch noch Leute, die freiwillig in den Krieg gezogen sind und damit die Wahrscheinlichkeit ihrer Verletzungen billigend in Kauf genommen haben- hier wie Könige zu behandeln.Auch die Psychologische Versorgung der Berliner ist überkritisch ausgereizt, da hier auch Wartezeiten von locker einem Jahr normal sind- warum ist ein Soldat besser als ein z.Bsp. selbstmordgefährdeter, depressiver Lehrer?

  15. 47.

    Warum soll das aus dem Sozialsystem bezahlt werden? Der Bund hat doch genug Geld für die Ukraine. Es reicht.

  16. 46.

    Was haben Sie an meinem Kommentar "Eine Schande! Kriegen wir noch irgendetwas auf die Reihe?" nicht verstanden?

    Also noch einmal ausführlicher für Sie:
    Es ist eine Schande, dass Berlin es nicht packt, 40 Kriegsverletzte unbürokratisch zu versorgen!

    Und das in dieser Stadt vieles andere (Bildung, Jugend, Kinder, Ämter, Rad-/Autofahrer ect.) den Bach runtergeht, steht wohl außer Frage, jedenfalls für mich!

  17. 45.

    Bitte genauer lesen, ich habe "sabi" (# 4) zitiert! Also ruhig Blut. Deswegen ja auch in "".

    Und nicht den Wegner Senat mit der Bundesregierung verwechseln.

  18. 44.

    Laut Landeswahlleiter und Auszählung aller Stimmen nach der Wiederholung der Berlin Wahl, kommen die Grünen auf 18,4 % ebenfalls die SPD. Wie kommen sie auf 34% ? Wenn die Grünen und die SPD wie Sie behaupten jeweils 34 % bei der Wahl hätten, gäbe es jetzt eine Grün /Rote Regierung in Berlin.
    Nein eine Rot/Grüne Regierung denn die SPD hatte 53 Stimmen mehr oder wird in Berlin anders ausgezählt?

  19. 43.

    Bitte genauer lesen, ich habe "sabi" (# 4) zitiert! Also ruhig Blut. Deswegen ja auch in "".

    Und nicht den Wegner Senat mit der Bundesregierung verwechseln.

  20. 42.

    Ja - immer viel Blabla um nichts, die unkompetente Nazipartei hofieren, die Klimawende verhindern, Artikel 1 aus dem Grundgesetz ignorieren: (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

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