Porträt | Tilda Swinton - Eine Ikone des Kinos wird endlich mit dem Goldenen Ehrenbären gewürdigt

Als Tilda Swinton 2009 Berlinale-Jurypräsidentin war, lief sie bereits in 26 Festivalfilmen. Nun erhält sie den Goldenen Ehrenbären – eine längst überfällige Würdigung. Von Anke Sterneborg.
Eine androgyne, hoch und schmal gewachsene Silhouette. Weich fließende oder auch mal aufgeplusterte und gebauschte Stoffe. Ausladende Kragen und verwegene Schnitte in leuchtenden Farben und pudrigen Tönen: Tilda Swinton tänzelt auf einem schmalen Grat zwischen Frau und Skulptur.
Wann immer sie auf dem roten Teppich oder einem Catwalk erscheint, zieht sie die Blicke magisch auf sich. Sie ist wandelbar und doch immer unverwechselbar Tilda Swinton: sehr präsent und zugleich ätherisch entrückt. Mit apart blassen Gesichtszügen und leuchtend blauen Augen, die sie bewusst ohne Mascara trägt, um klassischen Schönheitsidealen und dem Bild eines Filmstars zu widersprechen. Dazu die flammend roten, aber auch mal blond oder schwarz gefärbten Haare, die mal jungenhaft kurz geschoren und mal damenhaft hochgesteckt sind. Im Grunde ist Tilda Swinton eher Gesamtkunstwerk als Schauspielerin, was nur konsequent ist, da sie eine solche ohnehin nie werden wollte.
Künstlerische Wurzeln in der Londoner Subkultur
Geboren wurde Katherine Matilda Swinton am 5. November 1960 in London, die Wurzeln ihrer Familie lassen sich bis ins 9. Jahrhundert zurückverfolgen. Ihr Vater war Generalmajor Sir John Swinton, siebter Lord of Kimmerghame und Befehlshaber einer Division der Haustruppen Königin Elisabeths II. Sie besuchte dasselbe Mädcheninternat wie Lady Diana Spencer, arbeitete nach dem Schulabschluss zunächst zwei Jahre lang ehrenamtlich an Schulen in Südafrika und Kenia, studierte danach in Cambridge Englische Literatur, Sozial- und Politikwissenschaften.
Sie trat in die Kommunistische Partei Großbritanniens ein, wollte eine Zeitlang Schriftstellerin werden und entdeckte mit Anfang 20 das Theater für sich. 1984 war sie kurze Zeit Mitglied der Royal Shakespeare Company, die sie jedoch nach einer Saison wieder verließ, weil Schauspieler in der Truppe "wie Papierunterhosen" behandelt würden. Als sie sich gerade vom Schauspiel abwenden wollte, lernte sie in der Subkultur Londons den Maler und Filmregisseur Derek Jarman kennen, der sie zum Kino verführte. Aus dem ersten gemeinsamen Film "Caravaggio" im Jahr 1986 entstand eine intensive Zusammenarbeit bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1994: "Er hat mich für immer verdorben", erzählt sie in Interviews. "Ich habe neun Jahre mit ihm gearbeitet, wir haben sieben Filme gemacht, es war eine fortlaufende Konversation, die sich entwickelt hat, wie jede Beziehung zwischen Freunden."
Mit ihrer Prominenz unterstützt sie die Finanzierung der Projekte, vor allem aber geht es ihr um diese Art der intensiven Zusammenarbeit, bei der "absurd ehrgeizige europäische Filme über Jahrzehnte gemeinsam entwickelt werden". So hat sie unter anderem mit der Amerikanerin Lynn Hershman ("Teknolust") oder dem Italiener Luca Guadagnino ("I am Love") jeweils mehrere Filme gedreht: "Regisseure laden mich ein, Maskottchen ihrer Filme zu werden", sagt sie, "zumindest fühlt es sich so an." Diese von ihr bevorzugte Form des Filmemachens beschreibt sie als "ideale Gelegenheit, mit anderen Film-Nerds rumzuhängen".
Losgelöst von Raum und Zeit
Fließend wandelt sie zwischen Europa und Hollywood, zwischen Arthouse und Mainstream, zwischen Historie und Sciencefiction, zwischen entrücktem Märchen und harscher Realität. Die ätherische Eisprinzessin in "Die Chroniken von Narnia" kann sie ebenso spielen wie eine zerrüttete Alkoholikerin in "Julia". Eine Anwältin zum Fürchten in "Michael Clayton" brachte ihr den Oscar für die beste Nebenrolle ein, in "I am Love" gerät sie als mondäne Lady der italienischen Upper Class auf erotische Abwege. Eine Jahrhunderte alte Vampirin ist sie in Jim Jarmuschs "Only Lovers left alive" und den Engel Gabriel im übersinnlichen Horror Fantasy-Film "Constantine". Ihre große Lust an der Verkleidung bis zur Unkenntlichkeit kann sie unter anderem in den Filmen von Wes Andersen und den Coen-Brüdern ausleben.
Weniger Schauspielerin als Gesamtkunstwerk
Ihre Schauspielkünste spielt die alterslos aparte Schönheit herunter: "Ich lebe gar nicht das Leben einer Schauspielerin, und ich habe das ja auch nie gelernt. Ich sehe mich eher als Modell eines Malers, als Instrument, auf dem gespielt wird." Das ist nur die halbe Wahrheit, da sie klassische Rollen, wenn überhaupt, dann nur in Hollywood-Produktionen übernimmt. Zu ihrem Leben als Gesamtkunstwerk gehören Auftritte als Mode-Ikone, unter anderem auf dem Catwalk des Modeschöpfer-Duos Victor und Rolf, die 2003 eine ganze Kollektion für sie entworfen haben, ein Musikvideo mit David Bowie und ein Filmprojekt mit Cynthia Beatt, für die sie auf dem Fahrrad zweimal den Verlauf der Berliner Mauer folgte. Die Kunstinstallation "The Maybe", die sie zusammen mit der britischen Künstlerin Cornela Parker für die Londoner Serpentine Gallery entwickelt hat, wurde danach auch im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt. Eine Woche lang lag sie täglich acht Stunden lang wie ein Kunstschneewittchen schlafend in einer Vitrine.
Swinton - eine Rakete im All
2022 hat sie das Ende ihrer Schauspielkarriere angekündigt, um als Sterbehelferin tätig zu werden. Doch gab es dann wieder Projekte, die ihre Spiel- und Experimentierfreudigkeit herausfordern und sie aus ihrem medienfernen Familienleben in den schottischen Highlands weglocken konnten, darunter der Auftragsmörder-Thriller "The Killer" von David Fincher und Pedro Amodovars "The Room Next Door", ein Drama über Sterbebegleitung. Demnächst wird sie in "The End" von Joshua Oppenheimer zu sehen sein.
"Mit dem Alter wird alles immer besser" sagt Tilda Swinton: "Alles fühlt sich immer leichter an, ich komme mir vor wie eine Rakete, die ins All fliegt und auf dem Weg immer mehr Ballast abwirft!"
Tilda Swinton - wandelbare Schauspielerin
Am 13. Februar wird Tilda Swinton auf der Eröffnungsgala der Berlinale mit dem Goldenen Ehrenbären des Festivals für ihr Lebenswerk geehrt. Am 14. Februar zeigt die Berlinale ihren Film "Friendship's Death" (Regie: Peter Wollen, 1987) um 11:45 Uhr im Zoo Palast 1.
Sendung: rbb24, 14.02.2025, 18:00 Uhr
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