Berlinale-Wettbewerb | "Blue Moon" - Am Ende braucht man einen Drink

Di 18.02.25 | 19:37 Uhr | Von Anna Wollner
Margaret Qualley, Ethan Hawke "Blue Moon" von Richard Linklater USA, IRL 2025, Wettbewerb © Sabrina Lantos / Sony Pictures Classics
Bild: © Sabrina Lantos / Sony Pictures Classics

Berlinale-Stammgäste Richard Linklater und Ethan Hawke präsentieren im Wettbewerb ihr Biopic über den Songwriter Lorenz Hart. "Blue Moon" wird zur Bühne für einen Künstler, der seinen Zenit überschritten hat, erzählt an nur einem Abend. Von Anna Wollner

"Blue Moon" beginnt – anders viele Biopics – mit dem Ende. Dem Ende von Songwriter Lorenz Hart im November 1943, Teil des erfolgreichen Broadway Duos Rodgers and Hart. Rund 1.000 Songs haben die beiden geschrieben, darunter Hits wie "Blue Moon", "The Lady is a Tramp" und "My Funny Valentine".

Regie / Termine

Vollkommen besoffen fällt er in eine Pfütze, erholt sich nicht mehr von einer Lungenentzündung. Aber darum soll es hier gar nicht gehen, weder um seinen Tod noch um sein Leben, denn Linklater konzentriert sich auf einen einzigen Abend. Der Abend des 31. März 1943, der Premiere des Erfolgs-Musicals "Oklahoma!" seines Freundes und Arbeitspartners Richard Rodgers – und dessen neuem Kompagnon Oscar Hammersteins II. Während Rodgers den größten Erfolg seiner Karriere feiert, ist Hart nur noch Zaungast in seinem eigenen Leben.

Ein Abend an der Bar

Der einzige Handlungsort des Films ist die Bar Sardi’s, Ort der Premierenfeier. Ein klassisches New Yorker Restaurant, weiße Tischdecken, eine Garderobe und eben der Tresen. Dahinter steht Barkeeper Eddy, gespielt von Bobby Cannavale, poliert Gläser, schenkt Drinks aus und hört sich die Probleme seiner Kunden an. Ob Barkeeper oder Therapeut, dass weiß er selbst nicht so genau.

Lorenz Hart ist anfangs der einzige Gast, er ist geflüchtet aus der Premiere, hat den Unsinn wie er sagt, nicht länger ertragen und will sich als trockener Alkoholiker trotzdem warm trinken, um den Rest des Abends zu überstehen. Ein Abend, an dem die Kunst gefeiert wird, die nicht seine ist.

Ethan Hawke spielt diesen Hart, mit Halbglatze und einer Körpergröße von knappen 1,50 Metern, die durch visuelle Tricks suggeriert wird. Hart redet und redet und redet: erst mit dem Barkeeper, dann mit einer Zufallsbekanntschaft, dem Schriftsteller und Essayisten E.B. White, der sich hinter seinen Notizen versteckt, mit der jungen College-Studentin Elizabeth, an die Hart sein Herz verloren hat und eben Richard Rodgers. Im Hintergrund sitzt ein Soldat auf Heimaturlaub am Klavier und klimpert sich durch die Werke Rodgers und Harts. Die Gespräche drehen sich um die großen Themen des Lebens: Freundschaft, die Liebe, die besten Dialogzeilen aus "Casablanca", und um das Schreiben an sich, wann eine Phrase sitzt, wann sie berührt und wann nicht.

Die Kamera navigiert sich, immer fest Ethan Hawke im Blick, durch das 40er Jahre Barsetting. Ein ständiges Abfahren der Räume, Hart hinterher, der sich wie ein Fremdkörper in all dem bewegt. Er hält sich an dem Gedanken fest, die besten Jahre lägen noch vor ihm, alle anderen – inklusive der Zuschauenden – wissen schnell, dass seine besten Zeiten längst hinter ihm liegen.

Ein Abend in Echtzeit

Linklater, der in seinen Filmen schon immer meisterhaft mit der Zeitebene umgehen konnte, erzählt hier in Echtzeit. Der ganze Abend läuft in seiner katastrophalen Entwicklung minutiös auf der Leinwand ab. "Blue Moon" ist eine Momentaufnahme. Eine großartige Nacht der US-amerikanischen Musicalgeschichte, erzählt ausgerechnet aus der Perspektive desjenigen, der nicht dazugehört, der zurückgelassen wird. Es ist die Perspektive eines Künstlers, der sich in dieser Szene seiner eigenen Sterblichkeit bewusst wird, auch eines Mannes, der Zeit seines Lebens seine Sexualität unterdrücken musste, sich in Schwärmereien für Frauen flüchtete, die unerreichbar für ihn waren. Wie eben (die fiktive) Elizabeth, die ihn nur als Freund sieht und durch seine Kontakte auf einen Karriereschub hofft. Margret Qualley als Elizabeth, Andrew Scott als Richard Rodgers und Bobby Cannavale sind dankbare Stichwortgeber.

"Blue Moon" fühlt sich an wie ein Barbesuch, bei dem man zufällig mit einem Gast ins Gespräch kommt, sich dessen Lebensgeschichte anhören muss und keinen Weg aus dem Gespräch findet. Denn er zwingt sie einem förmlich in all seiner scharfzüngigen und scharfsinnigen Dialoglastigkeit auf. Am Ende braucht man einen Drink. In genauso schweren Kristallgläsern wie Hart sie vor sich stehen hat.

Berlinale 2025: Stars, Glamour und Momente

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.02.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Anna Wollner

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