Berlinale-Wettbewerb | "What Does that Nature Say to You" - Ach, Teufel Alkohol!
Hong Sangsoo lässt bei seiner achten Teilnahme am Berlinale-Wettbewerb einen Dichter auf die Eltern seiner Freundin treffen. Das Treffen beginnt freundlich - bleibt es aber nicht. Ein lustiger, schmerzhafter kleiner Film eines Meister-Regisseurs. Von Fabian Wallmeier
Die Eltern der Partnerin oder des Partners kennenzulernen will gut vorbereitet sein. Oder aber man stolpert einfach rein in diese herausfordernde Situation: In Hong Sangsoos am Donnerstag in den Wettbewerb gestartetem "What Does That Nature Say to You" will Danghwo (Ha Seongguk), ein mit Mitte 30 noch immer angehender Dichter, eigentlich nur seine Freundin Junhee (Cho Yunhee) bei ihren Eltern absetzen. Dann macht er eine erstaunte Bemerkung über die Größe des Hauses - und schon ist er mit ihr die Einfahrt hochgefahren. Dort trifft er den Vater - und verbringt den ganzen restlichen Tag mit ihrer Familie.
Die Struktur des Films ist, anders als früher oft bei dem koreanischen Meister-Regisseur, geradlinig und simpel. In nummerierte Abschnitte unterteilt, erzählt er chronologisch, wie sich der Tag und der Abend entwickeln. Das Treffen beginnt recht offen und freundlich - und Hong bringt das sehr lustig zum Klingen. Der Vater, dargestellt von Hongs enorm peinlichkeitsbegabgtem Stamm-Schauspieler Kwon Haehyo, findet zunächst einmal wahnsinnig komisch, was für ein altes Auto Danghwo fährt. Kurzerhand macht er selbst eine Spritztour in dem stotternden Kia Pride, Baujahr 1996.
Niederknien zum Wohlgefallen
Die beiden Männer verbringen nun einige Zeit zusammen, trinken das alkoholische Reis-Gebräu Makkgeoli und schauen sich das Grundstück des Hauses an. Danghwo schindet Eindruck, er lobt den Vater für seine enge Bindung zur Tochter, preist das Haus und kniet ergriffen nieder vor dem Grab von dessen Mutter weiter oben auf dem Hügel, alles sehr zum Wohlgefallen des Vaters.
Auch die Mutter, die am Abend für den Gast auftischt. ist zunächst positiv gestimmt. Nur Junhees Schwester, die gerade psychisch angeschlagen bei den Eltern untergekommen ist, tritt gleich deutlich skeptischer auf. Verpackt in Komplimente verspottet sie ihn für seinen Bart, preist Junhees Beständigkeit, offenkundig um ihn zu testen und einzuschüchtern - und auch wie er als Hochzeitsfotograf über die Runden kommt, missfällt ihr, ohne dass sie es klar zur Sprache bringen würde.
Vater holt den Schnaps raus
Schon in Hongs "A Traveler's Needs" aus dem Berlinale-Wettbewerb 2024 ging es um finanzielle Ungleichheiten. Isabelle Huppert spielt darin eine ältere Französin, die in Korea mehr schlecht als recht als Sprachlehrerin gutbetuchter Menschen über die Runden kommt. Hier sieht es nun etwas anders aus: Danghwo ist zwar knapp bei Kasse, aber er will es so. Sein Vater ist ein wohlhabender, weithin respektierter Anwalt, von dem Junhees Familie immer wieder fast hochachtungsvoll spricht. Doch Danghwo will kein Geld von seinem Vater. Ein wunder Punkt offenbar, wie im Laufe eines Abendessens klar wird.
Bei diesem Essen bekommen wir, wofür Hong Sangsoo wohl am bekanntesten ist und was er inszenieren kann wie kein Zweiter: ein Trinkgelage, das in Scham und Schande endet. Der Vater holt den Schnaps raus, schenkt sich und Danghwo immer wieder ein - und der redet sich erst um Kopf und Kragen und dann zunehmend in Rage. Seine immer wirreren Einlassungen über seine Lebensverhältnisse und seine Vorstellungen von Freiheit und Poesie zerstören alles, was er sich bei Junhees Eltern erworben zu haben scheint. Ach, Teufel Alkohol!
Ha Seongguk spielt diesen peinlichen Ausbruch sehr komisch, aber auch mitleidserweckend. Nie ist das trunkenheitsinduzierte Scheitern am guten Ton und an der Contenance bei Hong nur lustig, immer steckt auch eine tiefe Traurigkeit darin. Das ist hier ganz besonders so. Wenn Danghwo nachts auf der Bank liegt, auf dem er ein paar Stunden vorher noch Junhees Vater imponiert hat, ist das ein großer kleiner Moment einer schmerzlichen Niederlage.
Unscharf aus gutem Grund
Der Look des Films ist bewusst etwas schäbig. Hong hat seine Digi-Kamera etwas unscharf eingestellt. Das macht er nicht zum ersten Mal: Bei "In Water" (2023 im der mittlerweile eingestellen Sektion Encounters) spiegelte die extreme Unschärfe sehr berührend die Schaffenskrise der Hauptfigur, eines Regisseurs, wie so oft bei Hong - aber auch Hongs eigene Geschichte spielte eine Rolle: Eine Erkrankung hatte dazu geführt, dass er zu erblinden drohte.
Dieses Mal sind die Bilder nicht so extrem unscharf, nur ein bisschen aus dem Fokus - und natürlich ist das auch hier keine Nachlässigkeit des Kameramanns Hong Sangsoo, sondern eine bewusste Entscheidung. Wieder haben wir es mit einer krisenhaften Hauptfigur zu tun: Donghwa hat noch nicht richtig Fuß gefasst im Leben, wie im Laufe des Films immer deutlicher wird. Und die Unschärfe hat noch eine weitere Funktion: Auch Donghwa sieht verschwommen, wie er sagt. Er setzt sich eine Brille auf - doch zumindest das Kinobild bleibt unscharf. Ein kleiner widerspenstiger Gag, den Hong nicht weiter erklärt.
Ein sehr guter kleiner Film
Eine besondere Pointe dabei ist, dass ausgerechnet dieser Film wie kaum ein Hong-Film zuvor das Betrachten zum Thema hat. Ständig sehen wir jemanden von hinten, der die Schönheit der Natur oder eines Bauwerks bewundert - und von dem, was dort bewundert wird, sehen wir nur ein verschwommenes Etwas.
"What Does That Nature Say to You" gehört vielleicht nicht zu Hongs allergrößten Filmen. Aber ein sehr guter kleiner Film ist er allemal.
Allein sieben Mal war Hong Sangsoo schon zuvor schon im Berlinale-Wettbewerb. Zuletzt hat er auch immer irgendeinen Preis gewonnen - 2023 für "A Traveler's Need" sogar zum zweiten Mal den Großen Preis der Jury. Der Goldene Bär fehlt ihm noch- Dass er ihn nun für diesen kleinen Film erhält, ist nicht allzu wahrscheinlich. Aber von der Jury unbeachtet dürfte er auch in diesem Jahr nicht bleiben. Den Goldenen gibt es dann vielleicht im nächsten Jahr?
Berlinale-Stars positionieren sich politisch
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.02.2025, 08:55 Uhr
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