Die 75. Berlinale geht am Wochenende zu Ende. Höhepunkt ist die feierliche Preisgala am Samstagabend, bei der die Bären verliehen werden. Neben den Film-Hightlights steht auch die politische Dimension des Festivals im Fokus. Von Ula Brunner
Am Samstagabend erreicht die Berlinale am Potsdamer Platz ihren letzten Höhepunkt: Bei der festlichen Preisgala im Berlinale-Palast wird bekanntgegeben, welche Filme mit einem Goldenen oder Silbernen Bären ausgezeichnet werden. Insgesamt 19 Wettbewerbsbeiträge, darunter 17 Weltpremieren, konkurrieren um die Hauptpreise. Wer wird gewinnen?
Am Samstagabend werden die Hauptpreise der 75. Berlinale verliehen. Unsere Filmkritiker:innen Anna Wollner und Fabian Wallmeier verraten, welche Filme sie für bärenwürdig halten - und welche nicht.
Der Wettbewerb - solide, aber ohne herausragende Höhepunkte
rbb|24-Filmexpertinnen Anna Wollner und Fabian Wallmeier bewerten den Wettbewerb als gediegenes Mittelmaß, jedoch ohne herausragende Höhepunkte. "Ich fand es einen erstaunlich soliden Wettbewerb, wenige richtig herausragende Filme, aber eben auch kaum Totalausfälle - was es ja auch schon gab", sagte Wallmeier.
Thematisch dominierten persönliche Geschichten und private Beziehungen. Deutschland ist mit der Tragikomödie "Was Marielle weiß" von Frédéric Hambalek und dem Exil-Drama "Yunan" von Ameer Fakher Eldin, einer internationalen Koproduktion, vertreten. Beide Filme gelten unter Kritiker:innen allerdings nicht als Favoriten für eine Bären-Auszeichnung.
Das sind die Favoriten für den Goldenen Bären ...
Ein großer Anwärter auf den Goldenen Bären ist hingegen der brasilianische Film "The Blue Trail" von Gabriel Mascaro. Er erzählt die Geschichte einer Seniorin, die in eine Kolonie für alte Menschen abgeschoben werden soll und Zuflucht auf dem Amazonas sucht. Dag Johan Haugeruds "Dreams (Sex Love)" über ein Mädchen, das sich in seine Lehrerin verliebt sowie "Mother‘s Baby" von Johanna Moder, der psychologische Aspekte der Mutterschaft beleuchtet, wurden ebenfalls positiv aufgenommen.
"Timestamp", die einzige Doku im Wettbewerb, zeigt den Schulbetrieb in der Ukraine während des russischen Angriffskriegs. Ein sehr eindrücklicher Film, der zum engen Favoritenkreis für den Goldenen Bären gehört. Von Fabian Wallmeier
Besonders beeindruckt hat die bewegende Dokumentation "Timestamp" von Kateryna Gornostai über den Schulalltag im Ukraine-Krieg. Politische Dokumentationen gelten wohl oft als sichere Wahl für den Hauptpreis, doch die Jury könnte auch eine unerwartete Entscheidung treffen und einen narrativen Spielfilm auszeichnen.
Da politische Themen auf der Berlinale traditionell eine wichtige Rolle spielen, könnten aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen den Ausschlag geben. Michel Franco etwa thematisiert in "Dreams" das Verhältnis zwischen den USA und Mexiko sowie soziale Ungleichheiten. Der rumänische Regisseur Radu Jude präsentiert mit "Kontinental '25" eine bissige Satire auf Doppelmoral und gesellschaftliche Missstände. Jude hatte bereits 2021 mit "Bad Luck Banging or Loony Porn" den Goldenen Bären gewonnen.
Wie politisch kann und sollte ein Filmfestival sein? Unter neuer Leitung von Tricia Tuttle versucht die Berlinale den Spagat zwischen gesellschaftlicher Relevanz, künstlerischem Anspruch und internationalem Glamour. Eine Bilanz der ersten Tage. Von Andreas Lueg und Jannis Byell
... und den Darstellerpreis
Gute Chancen auf den genderneutralen Silbernen Bären für die Beste Schauspielerische Leistung hat Ethan Hawke. Er spielt den alkoholkranken Songwriter Lorenz Hart in Richard Linklaters "Blue Moon". Auch Rose Byrne überzeugt mit ihrer bravourösen Darbietung einer überforderten Mutter in "If I Had Legs I’d Kick You". Ebenfalls hochgehandelt wird "Blue Trail"- Star Denise Weinberg.
Politische Debatten und kontroverse Themen
Neben den filmischen Höhepunkten sorgten auch bei dieser Berlinale politische Debatten für Aufsehen. Besonders in Erinnerung bleiben wird das flammende Plädoyer von Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton, die mit einem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet wurde. In ihrer Dankesrede wandte sie sich gegen "eine Politik von Ausgrenzung, Verfolgung und Abschiebung" und forderte "humane Solidarität mit allen Menschen". Kontrovers debattiert wurde später Swintons Äußerung zur umstrittene BDS-Bewegung.
Nach einer Berlinale-Veranstaltung ermittelt der Staatsschutz. Dort hatte am Wochenende der Regisseur Jun Li Deutschland vorgeworfen, "Genozid" an den Palästinensern zu unterstützen. Berlinale-Intendantin Tricia Tuttle bedauerte den Vorfall.
Auch ein anderer Vorfall sorgte für Schlagzeilen: Nach der Rede eines Regisseurs, der von "Völkermord" an Palästinensern sprach, ermittelte der Staatsschutz. Die Berlinale-Leitung distanzierte sich von diesen Äußerungen. Bereits im Vorjahr hatte die Preisverleihung mit einem Eklat geendet, nachdem Filmschaffende sich einseitig und unwidersprochen israelkritisch geäußert hatten.
Die neue Berlinale-Chefin Tricia Tuttle betonte mehrfach, dass das Festival keine politischen Statements setze. "Wir sind entschieden gegen jedweden Antisemitismus. Aber wir müssen dafür sorgen, dass die Meinungsfreiheit erhalten bleibt", erklärte sie. Um Vorfälle wie im letzten Jahr zu vermeiden, wurden für das diesjährige Festival die Moderator:innen besonders geschult. Die Gala, moderiert von Désirée Nosbusch, wird mit besonderer Spannung erwartet.
Robert Pattinson, Jessica Chastain, Ethan Hawke – sie alle strahlten auf dem roten Teppich der Berlinale. Doch nicht immer lief alles glatt. Reporterin Anna Wollner hat charmante Missgeschicke der Weltstars entdeckt.
Nun bleibt die Frage: Welche Filme und Künstler werden bei der Preisgala triumphieren?Kritiker:innen bemängeln, dass es keinen klaren Favoriten gibt. "Normalerweise gibt es diesen einen Film, auf den sich alle einigen – diesmal nicht", sagt rbb-Filmexpertin Anna Wollner. "Vielleicht wird es eine politische Entscheidung oder eine Überraschung."
Die Internationale Jury, geleitet von US-Regisseur und Produzent Todd Haynes könnte eine unerwartete Entscheidung treffen - wie es bei der Berlinale oft der Fall war. Alles ist möglich.
Der Wettbewerb der 75. Berlinale - das sind die Filme!
Berlinale-Stammgäste Richard Linklater und Ethan Hawke präsentieren das Biopic über den Songwriter Lorenz Hart. "Blue Moon"wird zur Bühne für einen Künstler, der seinen Zenit überschritten hat, erzählt an nur einem Abend.
Im Mai 1968 verbringt ein neunjähriger Junge turbulente Tage bei seinen exzentrischen Verwandten in Paris. Lonel Baiers "La cache" basiert auf dem Roman von Christophe Boltanski.
Michel Franco zeigt in "Dreams" ein ungleiches Paar: eine reiche amerikanische Wohltätigkeitsverwalterin und einen deutlich jüngeren mexikanischen Tänzer. Doch seine Ankunft in den USA und in ihrem Leben erschüttert ihre sorgfältig aufgebaute Welt.
Ein Mädchen verliebt sich in seine Lehrerin und schreibt darüber mit schonungsloser Ehrlichkeit. Dag Johan Haugeruds "Dreams [Sex Love]" ist klug, überraschend, warm, witzig und gleichzeitig komplex und leichtfüßig.
Hong Sangsoo lässt bei seiner achten Teilnahme am Berlinale-Wettbewerb einen Dichter auf die Eltern seiner Freundin treffen. Das Treffen beginnt freundlich - bleibt es aber nicht. "What does nature say to You" ist ein lustiger, schmerzhafter kleiner Film eines Meister-Regisseurs.
In der glühenden Hitze Almerías sucht Rose mit ihrer Tochter Sofia einen Heiler auf. Während Rose Heilung sucht, fühlt sich Sofia zur freigeistigen Ingrid hingezogen. "Hot Milk" - mit Emma Mackay und Vicky Krieps -ist Rebecca Lenkiewicz' Debüt als Filmregisseurin.
Mary Bronstein zeigt im Berlinale-Wettbewerb ihren zweiten Spielfilm. "If I had legs I´d kick You" ist ein radikal parteiischer Film über eine überforderte Mutter und Therapeutin.
Bild: Radu Jude/ROU 2025
Der rumänische Filmemacher Radu Jude hat bei der Berlinale schon den Silbernen und den Goldenen Bären gewonnen. "Kontinental ´25" ist eine herrliche Satire auf unser aller Doppelmoral.
Im argentinischen Wettbewerbsfilm "The message" von Iván Fund kann ein Mädchen angeblich mit Haustieren kommunizieren. Ein ruhig erzähltes Road Movie mit vielen Tieren - und einem wiederkehrenden Song der Pet Shop Boys.
Die Österreicherin Johanna Moder schickt einen stetig anschwellenden Horror-Film um eine Mutter, der ihr Baby nicht geheuer ist. "Mothers Baby" kann mit "Rosemary's Baby" zwar nicht mithalten, hat aber eigene Qualitäten.
Der 70-jährige ehemalige Auftragskiller John lebt zurückgezogen in einem Grandhotel an der Côte d’Azur. Als seine mysteriöse Nachbarin verschwindet, wird er von Erinnerungen heimgesucht. "Reflection in a Dead Diamond" von Bruno Forzani spielt mit dem Agentenfilm-Genre der 1960er.
Der chinesische Film "Living the land" von Huo Meng hat den Berlinale-Wettbewerb eröffnet. Das ländliche Mehrgenerationen-Porträt mit einem Zehnjährigen im Mittelpunkt ist zunächst unübersichtlich, dann immer fokussierter.
"Timestamp", die einzige Doku im Wettbewerb, zeigt den Schulbetrieb in der Ukraine während des russischen Angriffskriegs. Kateryna Gornostais eindrücklicher Film, gehört zum engen Favoritenkreis für den Goldenen Bären.
"La tour de glace" ("The Ice Tower") | Bild: 3B-Davis-Sutor Kolonko-Arte
In den 1970er-Jahren flieht die 16-jährige Jeanne aus einem Kinderheim und findet Zuflucht in einem Filmstudio, wo sie von der geheimnisvollen Hauptdarstellerin der Schneekönigin magisch angezogen wird. "The Ice Tower" von Lucile Hadžihalilović zeigt eine märchenhafte Obsession.
Gabriel Mascaros Dystopie "The Blue Trail" erzählt von einer Frau, die in eine Kolonie für alte Menschen verbannt werden soll.Die 77-jährige Tereza widersetzt sie sich ihrem Schicksal und begibt sich auf eine letzte Reise durch den Amazonas.
Der deutsche Wettbewerbsbeitrag "Was Marielle weiß" Frédéric Hambalek erzählt von einem Mädchen, das plötzlich alles sieht und hört, was die Eltern tun.
"Girls on wire" von Vivian Qu: Nachdem familiäre Probleme Tian Tian und Fang Di einst getrennt haben, flieht Tian Tian Jahre später vor der Mafia in die Großstadt zu ihrer Cousine. Widerwillig vereint müssen sie all ihre Kräfte aufbringen, um ihrem Schicksal zu entkommen.
Regisseur Ameer Fakher Eldin erzählt in "Yunan" eine Geschichte von Rast- und Ruhelosigkeit, von Sehnsucht nach Heimat und der Melancholie des Verlusts. Eng verwoben ist dies mit der eigenen Biografie des Filmemachers.
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Wetten, dass der Dauergast und Langweiler der Berlinale
Hong Sang-soo wieder einen Preis bekommt? Herzliche Grüße aus dem Kino TONI am Antonplatz in Weißensee!
Mit dem Goldenen Bären ist am Samstagabend das norwegischen Liebesdrama "Dreams" von Dag Johan Haugerud geehrt worden. Doch auch in diesem Jahr blieb die Politik nicht außen vor - stellenweise fielen deutliche Worte.
Ein solider Wettbewerb, ausreichend Stars und schöne Überraschungen bei der Preisverleihung: Die erste Berlinale unter Tricia Tuttle ist gut über die Bühne gegangen - mit einigen Abstrichen. Von Fabian Wallmeier
Am Samstagabend werden die Hauptpreise der 75. Berlinale verliehen. Unsere Filmkritiker:innen Anna Wollner und Fabian Wallmeier verraten, welche Filme sie für bärenwürdig halten - und welche nicht.
Tickets für die Berlinale sind wie immer heiß begehrt. Vor allem Karten für Premieren waren nach wenigen Minuten im offiziellen Verkauf nicht mehr zu haben - und tauchten wenig später zu horrenden Preisen auf Kleinanzeigen-Portalen wieder auf.