Berlinale-Wettbewerb | "The Message" - Tiere gehen immer
Der argentinische Wettbewerbsfilm "The Message" erzählt von einem Mädchen, das angeblich mit Haustieren kommunizieren kann. Ein ruhig erzähltes Road Movie mit vielen Tieren - und einem wiederkehrenden Song der Pet Shop Boys. Von Fabian Wallmeier
"Anika nimmt jetzt Kontakt zu Junior" auf, verspricht Myriam (Mara Bestelli). Anika ist ihre Enkeltochter - und Junior eine dicke faule Katze. Anika schaut Junior in die Augen, Junior schnurrt - und Anika beginnt ruhig zu erzählen. Ob sie glaubt, was sie da fabuliert, ist offen. Ersichtlich ist aber: Sie fühlt, was sie da sagt, und sie weiß um die Bedeutung ihrer Worte für Juniors Besitzerin.
Der argentinische Wettbwerbsfilm "The Message" ist ein ruhig erzähltes Road Movie. Anika und Myriam und Myriams stummer Partner Roger (Marcelo Subiotto) reisen in einem Campingbus über Land und machen Anikas angebliche Gabe zu Geld: Anika kann Kontakt mit Tieren aufnehmen - mit lebendigen, aber auch mit toten, mit anwesenden, aber auch mit weit entfernten, solange sie nur ein Foto von ihnen bekommt.
In Schwarz-Weiß lässt Regisseur Iván Fund Wiesen und Sträucher am Fenster des Busses vorbeiziehen. Es ist ein ruhiges Leben, das die drei hier größtenteils führen. Tagsüber packen sie an irgendeinem Fluss Campingtisch und -stühle aus und schauen in die Welt. Nachts holen sie sich Sandwiches und Chips von der Tankstelle.
"Always on My Mind" im Radio
Anika muss zwar liefern, damit die bescheidene finanzielle Existenz der drei gesichert ist, aber sie behüten sie auch, man spürt beim Zuschauen die Liebe und Zärtlichkeit. Wenn im Radio "Always on My Mind" in der Version der Pet Shop Boys läuft, dreht Roger auf und Anika tanzt.
Ob der Bandname Zufall ist oder auch als kleiner Gag fungiert - schließlich sind Haustiere (pets) der zentrale Fokus der drei in ihrem Campingbus: geschenkt. Ob Gag oder nicht: Von einem gut gesetzten Pet-Shop-Boys-Song kann im Grunde jeder Film nur profitieren.
Ansonsten schläft Anika oder schaut nach draußen, Roger fährt und regelt das Finanzielle und Myriam ist für die Akquise der Kundschaft zuständig. Per Whatsapp, am Telefon und auf Hausbesuch bei der Kundschaft fabuliert sie geschickt das Blaue vom Himmel. Eine Schalte mit einem lokalen Fernsehsender nutzt sie so überzeugend, dass der Reporter keine einzige kritische Frage stellt und am Ende sogar Werbung dafür macht, sich mit dem Trio in Verbindung zu setzen. Oder aber sie haben für die Werbung schlicht gezahlt - das zeigt der Film nicht.
Die Zahnfee existiert nicht
Im Lauf der Reise verliert Anika einige Milchzähne. In der Hoffnung auf die Zahnfee legt sie die Zähne unters Kopfkissen - und als sie dort eines Morgens endlich einen Geldschein findet, steht darauf mit der Hand geschrieben, dass es die Zahnfee nicht gibt. Ein netter kleiner Gag, aber natürlich auch symbolisch aufgeladen - und das nicht nur, weil das Verlieren der Milchzähne vom Ende der Kindheit kündet. Denn die drei leben in einer Welt, die zwar so realistisch ist, dass die Zahnfee nicht existiert, aber eben auch magisch genug, dass ein Mädchen mit Tieren kommuniziert.
Dass Myriam den Menschen Geld aus der Tasche zieht für zweifelhafte Dienstleistungen, ist offensichtlich. Die Sprachnachrichten an die Kund:innen mit den angeblichen Botschaften ihrer Haustiere, spricht sie auch schon mal selbst, weil Anika nach einem langen Tag zu erschöpft sei. Das Motto "Tiere gehen immer" hat sie in jedem Fall verinnerlicht.
Aber der Film verurteilt Myriam und ihre Mitreisenden nicht - im Gegenteil. Er zeigt, dass die drei alles andere als reich werden für ihre Dienstleistungen - und dass es vielleicht in Ordnung ist, für das kleine Glück, das eine angebliche Botschaft von Bello oder Junior, ihren Besitzern verschafft, ein bisschen Geld zu nehmen, um über die Runden zu kommen. Und schließlich gehören zu einer durch nichts belegbaren Botschaft vom Haustier auch immer noch die Besitzer:innen, die bereit sind sie zu glauben.
Von Dorf zu Dorf, von Tier zu Tier
Iván Fund nimmt sich mehr Zeit dafür, einige der Tiere zu zeigen, mit denen Anika Kontakt aufnimmt, als dafür, was sie ihren Besitzer:innen angeblich zu sagen haben. Und so sehen wir in schönen Einstellungen, wie Anika guckt, wie ein Pferd guckt, wie ein Hund guckt, wie eine Katze guckt, wie eine Schildkröte guckt, wie ein Igel guckt. Ja, Tiere gehen immer.
Viel passiert nicht in den anderthalb Stunden des Films - abgesehen von einem anrührenden Besuch bei Anikas Mutter in einem psychiatrischen Krankenhaus sind die drei permanent unterwegs von Dorf zu Dorf, von Tier zu Tier. Streckenweise fühlt "The Message" sich ein bisschen zäh an.
Und doch steht am Ende ein Umschwung, eine Verschiebung, deren Zustandekommen hier nicht gespoilert werden soll. Anika, ob ihre Gabe nun echt ist oder nicht, hat verstanden, wie sie sie gezielt einsetzen kann, um Trost zu spenden.
Der Film endet mit dem Funkeln eines vom Tankstellenlicht angestrahlten Mückenschwarms am Nachthimmel - und den Pet Shop Boys: "You were always on mind", singt Neil Tennant wieder - und man weiß, dass irgendwie alles in Ordnung sein wird.

Sendung: Radiodrei, 18.02.2025, 17:40 Uhr