Berlinale Special | "Mickey 17" - Der Jedermann aus dem Körperdrucker
Bong Joon-ho legt sechs Jahre nach dem Oscar-Hit "Parasite" einen neuen Film vor: "Mickey 17" ist eine lustvoll überdrehte Science-Fiction-Geschichte mit Robert Pattison als immer wieder neu erzeugtem Maschinenmenschen. Von Fabian Wallmeier
Es rattert und hakt ein bisschen, dann kommt der Neue aus dem Drucker geglitten. Nackt liegt er nun da: Der 17. Mickey ist nach dem Tod der vorangegangenen Nummer 16 gleich einsatzbereit. Bong Joon-hos neuer Film, der am Samstag auf der Berlinale seine Deutschlandpremiere gefeiert hat, zeigt eine Zukunft, in der sogenannte Expandables produziert werden: Alle Erinnerungen und Wesensmerkmale eines Menschen werden auf einer Art rotem Ziegelstein gespeichert - und ist der Expandable tot, ist ein Körperdrucker dazu in der Lage, aus aufbereitetem Bioabfall und Leichenteilen eine exakte Kopie zu erstellen.
Robert Pattison spielt in "Mickey 17" die verschiedenen Mickeys. Der erste Mickey war ein etwas tumber Jedermann, der nicht so genau aufgepasst hat, als man ihm erklärte, was sein neuer Job von ihm verlangte. Als Expandable ist er nun auf dem Weg zu einer Kolonie auf einem fernen Planeten. Er stirbt auf meist enorm brutale Art bei Menschenexperimenten: Man setzt ihm einem tödlichen Virus oder radioaktiver Strahlung aus, um zu beobachten, wie er reagiert.
Mickey Nummer 17 landet nun in einer Gletscherspalte auf einem fremden Planeten, und weil er für tot gehalten wird, gleitet nun Nummer 18 aus dem Körperdrucker. Als beide Mickeys aufeinander treffen, bricht die Hölle los.
Hingabe an die Übertreibung
Der Koreaner Bong Joon-ho hat sechs Jahre keinen Film mehr gedreht. Die Bürde war natürlich hoch: "Parasite" gewann die Goldene Palme in Cannes und war der erste nicht-englischsprachige Film, der den Oscar für den besten Film erhielt. Er hat sich für eine Science-Fiction-Geschichte mit vornehmlichen amerikanischen Figuren entschieden. Es ist nicht das erste Mal, dass er außerhalb von Korea dreht - schon der an Bord eines der Apokalypse enteilenden Zuges spielende Action-Thriller "Snowpiercer" war eine internationale Produktion mit Stars wie Tilda Swinton. Was beide Filme verbindet, ist die lustvolle Ausstattung und die unbedingte Hingabe an die Übertreibung.
Pattinson etwa darf diese Übertreibung voll auskosten. Seinen Mickey stattet er mit einem absurden Südstaaten-Twang aus, und wenn die beiden Mickeys dann doch ihre Unterschiede offenbaren, ist das freudvollster Slapstick und herrliches Over-Acting.
Doch der Meister in dieser Kategorie ist hier ein anderer. Mark Ruffalo hat in konsequenter Fortführung seiner Darstellung des pompösen, windigen Anwalts in "Poor Things" seine Paraderolle gefunden: Hier spielt er den selbstverliebten Kenneth Marshall, der die geplante Kolonie leitet. Für diese Karikatur eines Egomanen verschneidet er Trumpsche dümmliche Aufgeblasenheit mit Muskscher linkischer Gefährlichkeit - mit ziemlicher Sicherheit schon jetzt die lustigste darstellerische Leistung dieser Berlinale.
Versuchsanordnung - ähnlich wie in "Parasite"
Doch auch mit "Parasite" hat Bongs neuer Film etwas gemeinsam. Der Oscar-Hit, in dem eine arme Familie versteckt in einem unteren Stockwerk des Hauses einer reichen lebt und beide Welten sich schließlich blutig kreuzen, funktioniert am ehesten als eine Versuchsanordnung. Auch "Mickey 17" ist eine Versuchsanordnung - wenn auch in einem weitaus größeren Ausmaß: Es geht nun um das Erforschen des menschlichen Sterbens und Wiedergeborenwerdens.
Und es geht um das Aufeinandertreffen mit einer außerirdischen Lebensform. Die kommt dem 17. Mickey schon zu Beginn des Films entgegen, als er in der Gletscherspalte den sicheren Tod erwartet. An eine Kreuzung aus Kellerasseln und Armadillo erinnern diese Tiere, das Muttertier ist mindestens dreimal so groß wie Mickey. Auch wenn sie letztlich für den moralisch-humanistischen Kern des Films verantwortlich sind (mehr zu sagen, wäre ein zu großer Spoiler), sind diese Wesen zusätzlich noch furchteinflößend und haben sogar etwas Putziges - nur ein Beispiel für das ideenreiche Artwork und Produktionsdesign, das "Mickey 17" ausmacht.
Der Humor in "Mickey 17" ist mitunter derb
Auch für eine im Lauf des Films immer lebendigere Liebesgeschichte findet der Film Platz: Mickey findet in Nasha (Naomi Ackie) eine Verbündete, die jede neue Version aus dem Körperdrucker anzunehmen bereit ist. Und auch ein paar weitere Seiten- und Nebenstränge nimmt "Mickey 17" auf. Ein bisschen vollgestopft wirkt er dadurch, auch wenn er mit seinen 137 Minuten nicht gerade kurz ist.
Der Humor in "Mickey 17" ist mitunter derb, herrlich derb. Umso erstaunlicher, dass der Film dennoch - im Rahmen des überdrehten Settings - glaubhaft eine unwahrscheinliche Entwicklung nehmen kann: Erst ist er böse Menschheits-Satire, dann buntes Science-Fiction-Abenteuer und schließlich ein tief moralisches Märchen, das den Glauben an das Gute im Menschen nicht aufgibt. Wie und warum genau? Sie ahnen es: Das wäre ein Spoiler und wird nicht verraten.
Schön, dass Bong Joon-ho zurück ist.
Sendung: ttt - titel, themen, temperamente, 16.02.2025, 23:05 Uhr
Nächster Artikel
Liveticker zum 1. Mai - +++ DGB-Demo mit tausenden Teilnehmern zieht zum Roten Rathaus +++
Tag der Arbeit - Hier wird am 1. Mai in Berlin und Brandenburg demonstriert
Bildergalerie | 1. Mai und Walpurgisnacht - Protestieren und Tanzen in den Mai
Berlin-Prenzlauer Berg - Bauarbeiter wird beim Einweisen von Lkw überrollt und stirbt
Prignitz - Auto zerreißt bei Unfall in zwei Teile - Fahrer stirbt
Interview | Tierpräparatorin im Museum - "Man darf sich das nicht wie in einer Schlachterei vorstellen"
Vorabend des 1. Mai - Berliner Polizei spricht von "friedlichster Walpurgisnacht der letzten Jahre"
2. Fußball-Bundesliga - Hertha-Juwel Ibrahim Maza wechselt zu Bayer Leverkusen
Wechsel nach Leverkusen - Was der Abschied von Ibrahim Maza für Hertha BSC bedeutet
Neue BVG-Regeln ab 1. Mai - Mutwilliges Aufhalten von Bus- und Bahn-Türen kann jetzt zu Geldstrafe führen
Passbilder, Namensrecht, Extra-Feiertag - Das ist neu im Mai
Interview | Nadeschda Tolokonnikowa - "Kunst und Aktivismus sind für mich immer Hand in Hand gegangen"
Reform zum 1. Mai - Sorbische Familiennamen dürfen nun auch weiblich sein
Uckermark - Landkreis will Kliniken in Angermünde und Prenzlau übernehmen
Handball-Champions-League - Füchse Berlin ziehen ins Final Four ein
Interview | Tiktok-Kanal über NS-Verbrechen - "Es ist schon ein Balanceakt, dass man respektvoll bleibt bei dem Thema"
Basketball-Bundesliga - Alba wahrt durch deutlichen Sieg gegen Weißenfels Play-off-Chance
Berliner Infrastruktur - Brücke an der Wuhlheide wegen Schäden komplett gesperrt
Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt - A9 Berlin Richtung Leipzig nach schwerem Lkw-Unfall gesperrt
Im Februar - Journalistin gab Hinweis auf geplanten Anschlag auf Senftenberger Flüchtlingsheim
2. Fußball-Bundesliga - Warum Thomas Herrich Hertha verlassen muss und was sein Rücktritt bedeutet
Aktionstag - Neun Berliner Bürgerämter bieten Dienste ohne Termin am 14. Mai an
80 Jahre Kriegsende - Wo in Brandenburg der Befreiung der Konzentrationslager gedacht wird
Vorzeitiger Abschied - Hertha-Geschäftsführer Herrich beendet Tätigkeit im Sommer
Rohrbruch - Tausende Berliner Haushalte in der Nacht stundenlang ohne Wasser
Ostprignitz-Ruppin - Rufbus soll Dörfer rund um Lindow besser an die Stadt anbinden
Eishockey - Sieben Eisbären für vorläufigen WM-Kader nominiert
Nach Insolvenz - Diakonissenhaus Teltow übernimmt Krankenhaus Guben
Polizeikonzept - 5.700 Einsatzkräfte sollen für Sicherheit am 1. Mai in Berlin sorgen
Märkisch-Oderland - Wie der Zweite Weltkrieg noch immer die Innenstadt von Wriezen prägt
80 Jahre nach Kriegsende - 100 Weltkriegstote in Halbe bestattet
Klage gegen Kündigung - Union und Parensen einigen sich im Vertragsstreit
Neuruppin - Fontane-Literaturpreis geht an Autorin Lisa Kränzler
Abstellfläche in Ruhezeiten - Verband will Stellplätze für Lkw auf Autobahnraststätten zählen
Interview | Team-Psychologe Markus Flemming - "Riesenvorteil, dass wir den Schmerz authentisch leben konnten"
Regierungsbildung im Bund - Berliner und Brandenburger SPD begrüßen Zustimmung zum Koalitionsvertrag
Berlin-Treptow - Polizei ermittelt nach Tumulten vor Restaurant von Clan-Mitglied
Berlin und Brandenburg - Arbeitslosenzahlen in der Region stagnieren im April - keine Frühjahrsbelebung
Robert Crumbach vom BSW - Brandenburger Finanzminister kommt zu spät zu wichtiger Haushaltssitzung - Kritik aus Koalition
Drogenkriminalität - Handel mit Kokain in Berlin weitet sich stark aus
Spielplan 2025/2026 - Neue Bühne Senftenberg bringt zwölf Premieren - und will Mut machen
Kocht nicht selbst - Restaurant von Sternekoch Tim Raue ab Juni im Berliner Fernsehturm
Joachimsthal (Barnim) - Gästehaus von Hotel in der Schorfheide ausgebrannt
Start der Sommersaison - Wasserwacht beginnt an Havel und Wannsee mit Rettungsarbeit
13. bis 15. Mai - GEW ruft Lehrer und Erzieher zu dreitägigem Warnstreik in Berlin auf
Schwimmen in Berlin - Prinzenbad eröffnet Freibadsaison mit neuen Regeln und Preisen
"Newsroom" am Theater an der Parkaue - Nachrichten per Volksabstimmung
Spreewald - Unternehmer Bernd Ragotzky zum Bürgermeister von Burg gewählt
A10 - Zwei Männer bei Unfall auf Autobahn-Parkplatz getötet - Pkw fährt unter Lkw
Filiale in Strausberg - Spektakulärer Sparkassen-Einbruch: Polizei nimmt Tatverdächtigen fest
Wohnungsmangel - Wegner will harte Sanktionen bei Verstoß gegen Mietpreisbremse
Bei Wittenberge - Neue Elbbrücke für A14-Verlängerung bald in endgültiger Position
2. Fußball-Bundesliga - Wie Hertha BSC den Abgang von Maza taktisch wie personell auffangen kann
Gerichtsurteil - Anwohnerin in Wandlitz muss Gebell von Nachbarhunden tolerieren
Abwahl gescheitert - Lenzens Amtsdirektor Ziegeler bleibt
Crumbach-Nachfolge - Brandenburger BSW-Vize Lüders strebt nicht Landesvorsitz an
Staatsanwaltschaft Neuruppin - Ermittlungsverfahren gegen frühere Potsdamer Beigeordnete eingeleitet
Haushaltsentwurf - Brandenburg will wenig genutzte Zugverbindungen streichen
American Football - Was bereits über das NFL-Spiel in Berlin bekannt ist
Koalitionsvertrag - Was die Berliner CDU-Parteibasis jetzt bewegt
Oberverwaltungsgericht - Gesichtsschleier am Steuer auch in zweiter Instanz abgelehnt
Interview | Soziologin über Schuldistanz - Wenn Schüler aussteigen