Berlinale-Wettbewerb | "Mother's Baby" - "Das ist alles. Völlig. Normal"

Die Österreicherin Johanna Moder schickt einen stetig anschwellenden Horror-Film um eine Mutter, der ihr Baby nicht geheuer ist. "Mother's Baby" kann mit "Rosemary's Baby" zwar nicht mithalten, hat aber eigene Qualitäten. Von Fabian Wallmeier
Eine schwierige Geburt in einer privaten Geburtsklinik nimmt ihr abruptes Ende. Kaum ist das Kind entbunden, wird es eilig herausgetragen, die Eltern werden im Unklaren gelassen und beschwichtigt. Am nächsten Morgen erklärt der Arzt, das Kind habe ein Sauerstoffdefizit gehabt, weil die Nabelschnur um seinen Hals gewickelt gewesen sei, und schnell in die Neugeborenenstation eines anderen Krankenhauses gebracht werden müssen. Aber: "Das ist alles völlig normal", sagt Dr. Vilfort (Claes Bang) immer wieder. Mit Nachdruck: "Alles. Völlig. Normal."
Wenn jemand so sehr betont, dass alles normal ist, darf man davon ausgehen, dass so ziemlich nichts normal ist. Kein Wunder also, dass die frischgebackene Mutter Julia (Marie Leuenberger) ihm nicht glaubt, vor allem weil dieser Dr. Vilfort so enervierend energisch und keinen Widerspruch duldend auftritt. Auch wenn sein Lächeln freundlich ist und sein Ton bei aller unterschwelligen Bedrohlichkeit ruhig und zugewandt bleibt.
Langsam heranschleichender Thriller
Mit Johanna Moders "Mother's Baby" ist am Dienstag ein höchst beunruhigender Film in den Wettbewerb gestartet. Die Österreicherin hat einmal ganz anders angefangen: Ihr Debüt-Spielfilm "High Performance" (2004) war eine leichtfüßige, aber durchaus böse Komödie über ein ungleiches Brüderpaar. Das Komische hat sie nun ganz hinter sich gelassen. "Mother's Baby" ist ein sich langsam, aber sicher heranschleichender Thriller.
Der Titel ist ein offenkundiger Verweis auf "Rosemary's Baby" (1968) von Roman Polanski. In dem markerschütternd gruseligen Klassiker des Horrorfilms ahnt eine werdende Mutter, dass mit dem Kind in ihrem Bauch etwas nicht stimmt. Niemand glaubt ihr - und am Ende (bei einem so alten Film sei der Spoiler erlaubt) stellt sich heraus, dass sie von einem Dämon vergewaltigt wurde und das Kind des Teufels austrägt.
Zweifel an ihren Zweifeln
Der Horror in Johanna Moders Film ist subtiler, auch wenn es natürlich Parallelen gibt. Hier wie dort ist die Mutter zunehmend isoliert mit ihren Zweifeln, hier wie dort verhält sie sich für Außenstehende immer irrationaler, hier wie dort wird sie pathologisiert, als verrückt abgetan. Julias schluffiger, ständig arbeitender Mann Georg (Hans Löw) ist zunächst verständnisvoll, zweifelt dann aber zunehmend an ihren Zweifeln.
Diese Zweifel werden von Woche zu Woch immer größer: Hatte das Kind nicht bei der Geburt noch viel mehr Haare als das, was man ihr am nächsten Tag auf den Bauch legte? War es nicht viel größer? Und warum ist dieses Kind eigentlich so still? Ihre Entfremdung ist so groß, dass sie den Jungen anfangs als "es", "das Baby", bezeichnet, während Georg längst von "er" spricht. Die Entscheidung, welchen Namen er tragen soll, zögert sie immer weiter heraus, während Georg ihn als "Arbeitstitel" schon einmal Adrian nennt - vielleicht macht Moder damit eine kleine Anspielung auf ein weiteres unheimliches Kind aus einem Horrorklassiker: Damian aus "Das Omen" klingt zumindest ähnlich.
Julia testet aus, ob mit ihrem Kind tatsächlich etwas nicht stimmt. Dass ihr Kind so still ist und kaum auf laute Geräusche reagiert, irritiert die erfolgreiche Dirigentin enorm. Sie dreht die Musik laut auf - keine Reaktion. Erst als sie ihm mit einem Stofftier direkt ins Ohr quietscht, zuckt der Junge zusammen - und Julia gleich mit.
Bärenwerte schauspielerische Leistungen
Marie Leuenberger spielt Julia enorm feingliedrig und subtil - eine ganz andere, aber keinen Deut schwächere Mutter-Performance als Rose Byrne im viel lauteren "If I Had Legs I'd Kick You". Vom Glück über die unerwartet schnell geglückte Schwangerschaft über den Schmerz bei der Geburt, die taube Fassungslosigkeit nach den Komplikationen, die wachsenden Zweifel am Kind und die wachsende Verzweiflung an der Isolation bis hin zur kämpferischen Kraft: Das spielt sie facettenreich, nuanciert und ohne je das Maß zu verlieren. Dass man ihr die Szenen am Orchesterpult nicht ganz abnimmt - geschenkt. Eine großartige schauspielerische Leistung, die sicher mit im Rennen um den Hauptrollen-Bären sein dürfte. Ein heißer Anwärter für den Nebenrollen-Bären ist zudem Claes Bang - der eine wirklich gruselige Gefährlichkeit hinter seiner freundlichen Fassade ausstrahlt.
Im Direktvergleich mit "Rosemary's Baby" ist natürlich "Mother's Baby" der deutlich schwächere Film. Aber Johanna Moder weiß dem Thema einen eigenen Anstrich zu verleihen. Statt der düsteren New Yorker Wohnungen in Polanskis Film lauert das Grauen hier im Reich der Reproduktionsmedizin, in den edel ausgestatteten Räumen einer schicken Privatklinik mit herrlichstem Blick ins Bergige. Und während das Grauen in "Rosemary's Baby" am Ende monströs-dämonisch offen liegt, ist es in "Mother's Baby", ohne zu viel verraten zu wollen, hermetisch verschlossen - und darin vielleicht sogar noch entsetzlicher.
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