Abgeordneter Zeschmann wechselt zur AfD - Von Orange zu Braun?

Di 07.11.23 | 18:10 Uhr | Von Thomas Bittner
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Die Brandenburger AfD-Vorsitzende Birgit Bessin (l-r), Philip Zeschmann, ehemals Fraktionsmitglied von BVB/Freie Wähler, Hans-Christoph Berndt, AfD, und Dennis Hohloch, AfD, kommen am 07.11.2023 im Landtag zu einer Pressekonferenz. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 07.11.2023 | Material: Brandenburg aktuell | Bild: dpa/Soeren Stache

Der Brandenburger Abgeordnete Philip Zeschmann wechselt von den Freien Wählern zur AfD. Die Mitstreiter sind schockiert. Was hat der Schritt zu bedeuten? Eine Analyse von Thomas Bittner

Vor populistischen Forderungen scheuen sich Brandenburgs Freie Wähler nicht. Manches wirkt schrill und aufgesetzt. Als jüngst die Orange als neues Symbol der Vereinigung propagiert wurde, zwängte sich Vorsitzender Péter Vida in einen apfelsinenfarbenen Anzug und biss in die Schale einer Orange, als würde er in einen Apfel beißen. Als hätte er gerade den Verstand verloren, während er hinter dem überdimensionalen Schriftzug "Gesunder Menschenverstand" stand.

Ein schwerer Schlag für die Freien Wähler

Dennoch: Orange ist nicht braun. Anders als die Freien Wähler in Bayern standen die Spitzen der Brandenburger Vereinigung BVB/Freie Wähler bisher nicht im Verdacht, rechtsextreme oder rassistische Positionen zu vertreten. Dass jetzt einer der prominenteren Abgeordneten ins Lager der äußersten parlamentarischen Rechten rückt, ist für die orange Partei des "gesunden Menschenverstands" ein schwerer Schlag. Selbstgewissheiten des Vorsitzenden Vida sind von einem Tag auf den anderen ins Wanken geraten.

Dass seine Vereinigung Richtung acht Prozent bei der nächsten Landtagswahl marschiert, hat offensichtlich nicht mal der Abgeordnete Zeschmann geglaubt, der von Listenplatz 5 im Jahr 2019 auf Platz 8 der Landesliste für 2024 gesetzt war.

Dass sich unter dem Label "Freie Wähler" auch in Brandenburg Menschen versammeln, die ohne Skrupel selbst mit Rechtsextremisten im Verbund agieren können, ist offensichtlich geworden. Gegen diese Wahrnehmung müssen die verbliebenen Abgeordneten jetzt Zeichen setzen.

"Gesunder Menschenverstand" als Programm ausreichend?

Ob "Gesunder Menschenverstand" als Programm ausreicht, ist fraglich. Die "inhaltliche Bindungswirkung" der Vereinigung sei offensichtlich nicht besonders groß, meint CDU-Landeschef Jan Redmann. Es seien Politiker aus anderen Parteien zu den Freien Wählern gekommen und gingen von dort weiter zu anderen.

Zeschmann war über 20 Jahre Mitglied der SPD, bevor er über den Flughafenprotest zu einer Bürgerinitiative kam und nach dem Parteiaustritt bei den Vereinigten Bürgerbewegungen landete. BVB/Freie Wähler seien ein "bunter Mischmasch-Laden", sagt jetzt auch Zeschmann. Was die Menschen dort eint, sei die "Unzufriedenheit mit der bisherigen Politik, mit den bisherigen Parteien auf Bundes- und Landesebene". Reicht das als Politik-Konzept?

Zeschmann selbst ist mit akribischem Nachfragen und detailversessenem Insistieren bei Wirtschafts- und Energiethemen aufgefallen, was Mitbewerber und Mitstreiter nicht selten nervte. Er hat sich wohl in einen Alarmismus hineingesteigert. "Ich will nicht zugucken, dass wir im nächsten Winter im Blackout sitzen", sagt Zeschmann auf der Pressekonferenz der AfD-Fraktion. "Ich möchte nicht zugucken, wenn immer mehr Menschen arbeitslos werden." Dabei halten Experten das Risiko eines flächendeckenden Stromausfalls für gering. Und in Brandenburg gibt es derzeit auch kein Heer von Arbeitslosen, im Gegenteil.

Weg aus der Verdrossenheit nicht gefunden

Zeschmann hält das Angebot von Vida, nach der nächsten Wahl wieder in Koalitionsverhandlungen mit derzeit regierenden Parteien zu gehen, offensichtlich für verwerflicher als seinen eigenen Wechsel zur AfD. Er promovierte als Politikwissenschaftler zu "Wegen aus der Politiker- und Parteiverdrossenheit". Er selbst scheint einen solchen Weg für sich nicht gefunden zu haben.

Er könne keinen Rechtsextremismus bei der AfD entdecken, sagt Zeschmann. Selbst SPD-Landräte würden doch heute die Überforderung angesichts der Migration beklagen. Er übersieht dabei den gravierenden Unterschied, dass genau diese Landräte in den vergangenen Jahren oftmals gegen den vehementen Widerstand der AfD mit ihren Verwaltungen und Helferinnen und Helfern für Unterbringung und Integration Zugezogener gesorgt haben. Zeschmann habe den Kompass verloren, sagt Linken-Landeschef Sebastian Walter. Man wolle ihn jetzt rechts liegen lassen.

Warum wechselt einer wie Zeschmann ausgerechnet in die AfD? Als Einzelabgeordneter könne man nicht viel bewegen, meint der Abtrünnige selbst. Man sei nicht in Fachausschüssen, könne die Debatte nicht mitbestimmen, nicht weiter intensiv nachfragen. Deshalb dieser Schritt. Was er nicht bedacht hat: Dass er jetzt in einer Fraktion gelandet ist, in der er nur noch einer von 24 Abgeordneten ist, seltener zu Wort kommen wird. Dass er in einer Fraktion gelandet ist, die selbst tief zerstritten ist. Dass er in einer Fraktion gelandet ist, die sich dem offenen demokratischen Diskurs verweigert und in der jeder Missstand im Lande am Ende mit der Migration in Verbindung gebracht wird.

"Fraktion in Liquidation"

Der Schaden für BVB/FW könnte nicht größer sein. Am Dienstagabend teilte die Landtagspräsidentin den vier Abgeordneten mit, dass der Fraktionsstatus erloschen sei. Man sei bis auf weiteres eine "Fraktion in Liquidation". Als Fraktionslose können sie nur eine parlamentarische Gruppe bilden. Es folgt die Entlassung von Fraktionsmitarbeitern, die Entziehung finanzieller Mittel, der Verlust von Rederechten und Ausschuss-Sitzen.

Die Lage der Opposition im Brandenburger Landtag ist nach diesem Tag so verheerend wie nie zuvor. Die AfD hat sich bewusst ins demokratische Abseits gestellt. Die Linke steht wegen Sahra Wagenknecht vor einer Spaltung. Und die Abgeordneten von BVB/Freie Wähler stehen erkennbar unter Schock. Anders konnte man den Auftritt der vier Politikerinnen und Politiker am Tag nach dem Zeschmann-Austritt nicht bewerten.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.11.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Thomas Bittner

82 Kommentare

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  1. 82.

    Marianne, Sie sind verwirrt. Sie kennen wohl nicht die Definition Islamismus.
    "Islamismus ist eine extremistische Bestrebung. Sie richtet sich gegen den demokratischen Verfassungsstaat und seine fundamentalen Werte, seine Normen und Regeln. In Abgrenzung zur Religion Islam bezeichnet der Begriff Islamismus eine religiös verbrämte Form des politischen Extremismus.
    https://www.bmi.bund.de › sicherheit"

    Also erst denken, dann reden.
    Ich sprach von Verbot von Islamismus, nicht von Islam.

  2. 81.

    Ein Wechsel von SPD, zu BVB/Freien Wählern und schließlich AfD; was ist daran bitte schön normal?
    Ein Gutes hat die Sache schon; Zeschmann wird die Brandenburgische AfD genauso fertigmachen, wie alle anderen Parteien davor, wenn er nicht bekommt was er will. Und das ist eine ganze Menge. Die AfD lebt doch in dem irrigen Glauben, man hätte Zeschmann unter Kontrolle.

  3. 80.

    Mittlerweile dürfte der Wechsel zu der rechtsextremen afd aber in seiner Vita stehen...

    Für Anhänger:innen der rechtsextremen afd ist das aber natürlich weder Mangel, noch Magel, noch Nagel...

    Dass Sie das Verurteilen von Rechtsextremismus mit Verschwörungstheorien gleichsetzen, überrascht auch nicht.

  4. 79.

    "Er selbst scheint einen solchen Weg für sich nicht gefunden zu haben". Da irrt der ÖRR. Herr Zeschmann hat doch den Weg gefunden. Er wechselt von den Freien Wählern zur AfD. Klar, dass dieser Wechsel nicht allen gefällt. Das ist eine normale Erscheinung bei Parteien, die im politischen Wettbewerb stehen.

  5. 78.

    Tim es ist schon bemerkenswert,nein was sage ich Wahnsinn ,wie Sie es immer wieder schaffen mit Ihren messerscharfen, Faktenreichen Kommentaren hier, den Rechtsextremen,Rechtspopulisten,Nazis die Stirn zu bieten.
    Das Sie bei soviel Demokratiefeindlichkeit in diesem Land überhaupt noch gut schlafen können!
    Im besten Deutschland was wir je hatten.

  6. 77.

    Na ja, es sind auch immer die selben, die eisern das gleiche plappern (Verschwörungstheorie). Nur mal zum Faktencheck lieber Tim.
    Zeschmann hat KEINEN EINZIGEN MAGEL in seiner Vita, die ihre Beleidigungen rechtfertigen. Genau genommen ist auch noch Verleumdung anhängig.

  7. 76.

    Braun ist schon richtig. Denn alle Mitglieder, Wähler und die, die den Gedanken in sich tragen, zu wählen, unisono alles Nazis.

  8. 75.

    Niemals sollte man in Krisenzeiten den Extremen auf den Leim gehen, weil die so schön die eigene Wut bedienen. Extreme haben immer die Unfreiheit der Menge im Auge, niemals Demokratie und Freiheit. Egal aus welcher Richtung der Extremismus sich breit macht, er ist keine Hilfe, keine Heilsbringung, er bringt immer nur Verschlechterung für die Bürger. Das sollte man nie vergessen und egal wie schlecht es einem geht, es wird mit Extremen aller Art viel schlechter. Etwas zu verbessern und zu verändern gelingt nur, wenn das tatsächlich von uns allen gewollt ist. Freiheit und Würde gibt es nicht mit den Extremen.
    Wollt ihr etwas ändern, denkt an die Freiheit eurer Kinder in den freien demokratischen Gesellschaften, es gibt kein besseres Fundament für die Zukunft.

  9. 74.

    Ich habe mir gerade mal sein Dissertationsthema angeschaut:
    "Wege aus der Politiker- und Parteiverdrossenheit: Demokratie für eine Zivilgesellschaft".
    Hmmmm......versucht er jetzt selber, seine Parteiverdrossenheit loszuwerden, oder sucht er noch oder wie kann ich das verstehen. Zwei Versuche hatte er ja schon und es hat nicht geklappt. Oder nimmt er jetzt einfach die Partei, von der er vermutet, dass die Parteiverdrossenheit bei den eigenen Wählern am kleinsten ist und seine Chancen deshalb am größten? Wenn er Demokratie für eine Zivilgesellschaft will: ist diese Partei jetzt da eigentlich die beste Wahl? Ich weiß ja nicht.

  10. 73.

    Und? Leider ist es ja nicht gelungen, ihm während all seiner Studienjahre demokratische Werte zu vermitteln...

  11. 72.

    "Ob er ein zweiter Dr. Dr. Curio wird?"

    Uff, dann muss er aber noch eine Menge Hetzreden halten...

  12. 71.

    Bei den vielen akademischen Abschlüssen einschl Promotion könnte ja die Völkerrechtlerin erblassen. Die hat ja bekanntlich überhaupt keinen hiesigen Abschluss. oder wie sich der ältere Herr mit rotem Pullover bei dem Bürgergespräch mit BK Scholz äußerte, "sie können nichts".

  13. 70.

    Mal sehen, wie sich der neue AfD Landtagsabgeordnete in seinen Redebeiträgen dort schlägt. Ein neues Gesicht, mit viel kommunalpolitischer Erfahrung. Ob er ein zweiter Dr. Dr. Curio wird?

  14. 69.

    Schaut man sich seine Hochschulabschlüsse an, kann man sagen, er ist das Gegenmodell von verschiedenen Berufslosen in der Politik.

  15. 67.

    Der link wurde nicht veröffentlicht aber eine Suchmaschine ihrer Wahl hilft ihnen weiter.

  16. 66.

    Sie brauchen 1.000 Zeichen um zu beschreiben womit die Rechtsextremen recht hatten? Dann fangen sie doch einfach klein an, ich wette sie schaffen nicht mal 50 Zeichen.

  17. 65.

    Für Ihre vermeintliche Argumentation dürfte es völlig belanglos sein, ob Sie 1000 oder 100.000 Zeichen zur Verfügung haben. Statt mit auch nur einem einzigen Argument wussten Sie sich ja jetzt auch nur mit einer albernen Antwort zu helfen...

  18. 64.

    Und immer das wenn die rechtsextremen Wähler der AfD nicht weiterwissen kommt whataboutism ins Spiel.

    So vorhersehbar wie das Amen in der Kirche.

  19. 63.

    "Bitte überlegen Sie, ob Sie nicht damit auch eine gesunde Debattenkultur zerstören und so andere aus dem Diskurs ausschließen. So erzeugt man Trotzhandlungen und schafft selbst Protestwähler."

    Den Singsang der AfD Sympathisanten kennen wir auswendig.

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