Kampagne vorgestellt - Brandenburger Grüne wollen Landtagswahlkampf sozialpolitischer führen

Do 27.06.24 | 19:57 Uhr | Von Nico Hecht
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Spitzenkandidat:innen Antje Töpfer und Benjamin Raschke vor dem Landtag in Potsdam (Quelle: rbb/Nico Hecht)
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Audio: rbb24 Inforadio | 27.06.2024 | Nico Hecht | Bild: rbb/Nico Hecht

"Muteinander" – Das Wahlkampfmotto von Bündnis 90/Die Grünen klingt fast wie ein Versprecher. Mit ihm startet die Partei in einen Landtagswahlkampf, bei dem sie neben dem Naturschutz auch sozialpolitische Themen ins Zentrum rücken will. Von Nico Hecht

  • zuletzt starke Stimmverluste für Brandenburger Grüne
  • Kampagne mit sachlicherem Ton gegen rauen Populismus geplant
  • Partei will Mietpreisdeckel für Brandenburg und online besser für sich werben

Auf dem Alten Markt in Potsdam, direkt vor dem Landtagsschloss gibt die Parteivorsitzende der Brandenburger Grünen, Hanna Große-Holtrup, das Signal zur Plakatpräsentation. "Das ist es!" Daraufhin enthüllen die beiden Spitzenkandidaten Antje Töpfer und Benjamin Raschke das Transparent mit Bildern von sich selbst und dem Slogan "Mehr Mut-Einander".

Es klingt wie ein Versprecher, wirkt wie ein Tippfehler – "U" und "I" liegen auf den Tastaturen immerhin direkt nebeneinander. Aber es sei genau so gemeint. Trotzdem sei es gut, wenn es Menschen zum Grübeln bringe, sagt Raschke: Es solle vermitteln, dass es Mut brauche die großen Aufgaben der Zeit anzupacken. Dass es dazu aber auch mehr Miteinander und Solidarität in diesem Land brauche.

Grüne Sachlichkeit statt Scheindebatten

Schon beim Parteitag in Cottbus Anfang März dieses Jahres hatte Antje Töpfer angekündigt, die Partei würde einen Gegenton in den politischen Debatten und im Wahlkampf einbringen. Ruhige Sachlichkeit und praxisorientierte Lösungsangebote wären ihr Stil, nicht krawalliger Populismus. Das würde die Kampagne weiterführen. Man merke schon jetzt, sagt Benjamin Raschke, wie rau der Ton sei und wie sehr reine symbolische Diskussionen geführt würden.

Raschke nennt als Beispiel die Debatte um die Bezahlkarte für Geflüchtete. Debatten, die den Landtag viel Zeit kosten würden, aber bei den realen Problemen, die mit der Versorgung von Geflüchteten einhergehen in den Dörfern und Städten nichts bewirken würden. "Wenn man mehr Kitaplätze brauche, muss man stattdessen mehr Kitas bauen", sagt der bisherige Fraktionsvorsitzende im Landtag.

Mietendeckel als Instrument für bezahlbares Wohnen in Brandenburg

Große Beliebtheit scheint der sachliche Stil der Partei aber bisher nicht beschert zu haben. Die Grünen kämpfen auf der Bundesebene mit so schlechten Umfragewerten wie lange nicht. Bei der Europawahl hatte sich ihr Rekordergebnis von 2019 fast halbiert. Analysen zu einer Forsa-Umfrage im April hatten ergeben, dass besonders Wähler der Mitte sich von den Grünen abwenden. Bei der Europawahl im Juni hatte die Partei besonders viele junge Wähler bis 25 Jahre verloren, mit einem Minus von 23 Prozent.

Da fällt auf, dass Landtagsspitzenkandidat Raschke sagt, die Wahlkampf-Kampagne wende sich vor allem an junge Familien. Er erklärt zwar, dass seine Partei sich wie keine andere für den Naturschutz einsetze. Aber Raschke und Töpfer stellen auch deutlich sozialpolitische Fragen ins Zentrum der Kampagne.

Allen voran die Forderung nach einem sicheren, bezahlbaren Zuhause in Brandenburg. Ein Problem, das längst immer größer werde, weil die Politik es bisher verschlafen hätte, sagt Raschke. Helfen solle dagegen eine neue Landeswohnungsbaugesellschaft, die selbst günstigen Wohnraum schaffen könnte. Die Grünen würden aber auch prüfen wollen, wie ein Mietpreisdeckel juristisch sicher eingeführt werden könne. Den Berliner Mietendeckel-Versuch hatte das Bundesverfassungsgericht 2021 gekippt.

Nach fünf Jahren Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/Die Grünen will Antje Töpfer, als bisherige Staatssekretärin im grünen Gesundheitsministerium aber auch mit den Erfolgen dieser Zeit werben. Sie nennt dafür zum Beispiel, dass es gelungen sei, alle Krankenhäuser in Brandenburg zu erhalten, trotz Pandemie und Energiepreiskrise, bei der gleich mehrere Kliniken in finanzielle Schieflage geraten waren.

Töpfer einzige Spitzenkandidatin der großen Parteien

Gerade bei sozialpolitischen Themen wäre ihre weibliche Perspektive ein Pfund, mit dem sie im Wahlkampf wuchern werde, kündigte Töpfer an. Sie sei immerhin die einzige Spitzenkandidatin einer großen Partei. "Wenn ich durch die Stadt gehe, habe ich einen ganz anderen Blick. Da gucke ich nach Barrierefreiheit, ob man mit Rollator oder Kinderwagen vorankommt", sagt sie. Frauen hätten eine andere Perspektive und es sei wichtig diese mit einzubringen.

Grüne wollen wieder zweistellige Ergebnisse

Trotz viel Gegenwind auf der Bundesebene geben die beiden Spitzenkandidaten das Ziel aus, ein ähnliches Ergebnis wie bei der letzten Landtagswahl 2019 zu erreichen. Damals waren es 10,8 Prozent. Eine realistische Erwartung, so Raschke. Das würden die aktuellen Kommunalwahlen mit – nach seinen Worten "stabilen Ergebnissen" – im Vergleich zu den letzten im Jahr 2019 nahelegen. Das amtliche Endergebnis im Juni zeigte für Bündnis 90/Die Grünen ein Stimmenanteil von 6,7 Prozent, ein Minus also von 4,4 Prozentpunkten.

Helfen, das Ziel zu erreichen, soll auch ein ausgeweiteter Online-Wahlkampf. Budget und Personal dafür habe man erheblich aufgestockt, erklärte Brandenburgs Co-Parteivorsitzende Alexandra Pichl. Man werde Auftritte auf verschiedenen Plattformen posten, erklärte Sie, etwa bei Facebook und Tiktok. Auch auf Instagram habe man bereits eine ordentliche Reichweite, so Pichl. Mut mache den Grünen außerdem, so Spitzenkandidat Benjamin Raschke, dass man diesen Wahlkampf mit so vielen Mitgliedern wie noch nie stemmen werde. Mittlerweile seien es in Brandenburg fast 3.000.

Beitrag von Nico Hecht

36 Kommentare

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  1. 36.

    Das Programm hat jedenfalls Potential, um eine Chance für weitere 5 Jahre zu bekommen.
    Entwicklung der letzten Jahre fortsetzen und an manchen Punkten nachsteuern, wäre definitiv gut für Brandenburg.
    Mal sehen was der Personalumbruch mit sich bringt.

  2. 35.

    Korrektur : Es muss natürlich Steuerverschwendung lauten ! Sorry !

  3. 34.

    Ich habe Ihren Rat schon vor einiger Zeit befolgt, und das Parteiprogramm studiert. Enttäuschendes, wie Sie hier warnend und reißerisch versprechen, konnte ich jedoch nicht erkennen. Ganz im Gegenteil ! Allein schon die Einführung eines Straftatbestandes der Steuerhinterziehung, Angriffe auf Amtspersonen härter zu bestrafen und die Polizei zu stärken, sind sehr sympathische Forderungen, die auch meinem Geschmack entsprechen. Extremes Gedankengut habe ich nicht nicht feststellen können. Wo findet man denn das, was Sie meinen, genau ? Natürlich kann man über einiges auch sicherlich streiten. Ob man z.B. Staatsschulden planmäßig tilgen kann, ist angesichts der aktuellen Regierung fragwürdig und ob überhaupt jemals so etwas umgesetzt werden kann. Zumindest ist aber der Wunsch schon mal da.

  4. 33.

    Wieso nur sozialpolitischen „Wahlkampf“ . Was ist mit sozialpolitischer Politik.

  5. 32.

    Grüne und Linke schnallen nicht die Zeichen der Zeit, daß sie spätestens zur Bundestagswahl kleinprozentig dahin dümpeln, bzw. dann weg vom Fenster sind, es sei denn beide gründen zusammen das BGR (Bündnis gegen Rechts) als Supertrick.

  6. 31.

    Wat habe ich beim lesen des Beitrages gelacht.

  7. 29.

    Im ersten Satz teilen Sie schon mit, dass die Grünen aktuell keine vernünftige Politik ersinnen. Sie erwarten das für die Zukunft und erwarten das von anderen nicht, die auf der Opposionsbank sitzen.
    Das nenne ich mal voreingenommen, selbst Ihre Bemerkung bezüglich "Großteil der Wählerschaft" klingt weder demokratisch noch tolerant. Mir scheint, Sie haben sich im Sonnenblumenfeld verirrt. Ich habe die Grünen auch mal gewählt, damals blieben die Plastikbecher leer, woraus die erfüllten Versprechen genossen werden sollten. Inzwischen wurden die Plastikbecher abgeschafft. Gut so, denn für heiße Luft taugen sie nicht.

  8. 28.

    "Genug demokratisch denkende Leute, die die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben haben, dass die Grünen bald mal vernünftige Politik ersinnen."
    Gut das in Brandenburg lt. letzter Umfrage 95% der Wähler anders denken ......aber bis Sept. ist ja noch ein bissel Zeit!

  9. 27.

    Um Gottes willen bloß nicht die Grünen wer wählt die denn noch ????die haben fertig die brauchen wir in Brandenburg nicht !!!

  10. 26.

    Genug demokratisch denkende Leute, die die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben haben, dass die Grünen bald mal vernünftige Politik ersinnen. Kann man von Blau-Braun und dem Großteil der Wählerschaft ja nicht erwarten.

  11. 25.

    Wer wählt denn noch grün ??

  12. 24.

    Wer machts denn angeblich besser? Also besser als Grün, Blau, Braun oder rötlich wäre dann nur Schwarz. Das meinen Sie doch sicherlich, oder? ;-)

  13. 23.

    Verbote? Ja bitte!

    Aktuell beispielsweise von Autokorsi (gibt's leider auch in Brandenburg).

    Sowie Durchsetzung von bestehende Regeln und Verbote, insbesonder in Straßenverkehr.

  14. 22.

    Wer AfD (ich nehme an, die meinen Sie, wählt, sollte das Parteiprogramm eingehend studieren, bevor es Enttäuschungen gibt. Und genau das, nämlich die Ent-Täuschung, haben die Blau-Braunen im Sinn.
    Lieber konservativ und demokratisch wählen als Träumer oder Nazis.

  15. 21.

    Wer immernoch grün wählt,wählt dann weiter Verbote,Bevormundung,unrealistische
    Ideale....
    Bitte nicht in Brandenburg.
    Schönen Tag an Alle

  16. 20.

    Hallo Herr Krüger,
    ich nehme es Ihnen nicht übel. Meine Anlehnung an die Bergpredigt (ich besuchte eine evangelische Schule) ist bewusst anders formuliert, wobei es viele Bibeln gibt, in denen es auch anders in Worte gefasst ist. Ich las einige davon. Und man sollte ja auch nicht mit der Tür ins Haus fallen wollen. :-)
    Sie sehen, alles ist gut und ich wünsche allen ein schönes Wochenende.

  17. 19.

    Zweistellig? Keine Chance! Die Partei der Grünen ist eine Partei für Besserverdienende und GrossStädter. Was bleibt denn auf dem Lande hängt? Schafft euer Auto ab und nutzt den nicht existierenden Bus! Akzeptiert dass noch mehr Windmühle um eure Häuser gebaut werden damit Berlin mehr Strom hat. Baut eure Häuser um, um künftig auf Gas und wer noch hat Öl zu verzichten. Alles Punkte, die einen Mieter in Berlin wenig interessieren, da sie Von den negativen Auswirkungen kaum betroffen sind.
    Ganz klare Meinung, wenn die Grünen in Brandenburg 5 % erreichen, wäre das für sie wie Ostern und Weihnachten zusammen. Mein Tip 2-3%

  18. 18.

    Verstehen Sie es bitte nicht als Belehrung: Persönlich finde ich es eben nicht unwichtig, die Herkunft von Redewendungen zu benennen. An deren Wandlung lässt sich dann ggf. Einiges ablesen:

    Zitat aus der Bergpredigt: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?

    Dieses Zitat der Bergpredigt ist eines der bekanntesten der Bibel überhaupt. Übrigens findet sich die Bergpredigt mit den Sätzen "Selig sind ... " am Sockelbau der Potsdamer Nikolaikirche am Alten Markt. Das bekannte Bonmot ist allerdings nicht dabei, erst recht nicht Ihre etwas eigenwillige Kreation dazu.

    (Mit Verlaub. ;-)

  19. 17.

    Oha, Deutscher Sprache, schwerer Sprache.....aber auf andere schimpfen.
    Manchmal ist es besser, nicht auf den Strohhalm im Auge des Anderen zu achten, dabei jedoch den Balken vor den eigenen Augen zu missachten.

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