Pläne für Nordwestbrandenburg - Widerstand gegen Windräder im Wald

Do 27.06.24 | 06:16 Uhr | Von Michaela Grimm und Björn Haase-Wendt
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Die Bürgerinitiative "Freier Wald" kritisiert den geplanten Ausbau der Windenergie in Waldgebieten.(Quelle: rbb/Björn Haase-Wendt)
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Audio: rbb24 Inforadio | 27.06.2024 | Interview von Doerthe Nath mit SPD-Landrat Oberhavel, Alexander Tönnies | Bild: rbb/Björn Haase-Wendt

Ein Regionalplan für den Nordwesten Brandenburgs sieht nun 46 Gebiete mit Vorrang für neue Windkraftanlagen vor. Einige betreffen Waldflächen. Netzbetreiber und Waldschützer fragen sich: Wohin mit all dem Strom? Von M. Grimm und B. Haase-Wendt

Im Wald bei Wulkow, nicht weit von Wusterhausen/Dosse (Ostprignitz-Ruppin), sind nur die Vögel zu hören und der leichte Wind. Um diese Idylle sind die Anwohner besorgt. Sie befürchten, dass hier bald riesige Windräder aus den Wäldern ragen. Ihre Angst ist begründet.

Der Entwurf für den neuen Regionalplan zur Windenergienutzung in den Kreisen Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel sieht insgesamt 46 Vorranggebiete für den Bau von Windkraftanlagen vor. In vielen der im Planentwurf ausgewiesenen Windvorranggebiete stehen bereits Windkraftanlagen. Die dortigen Windparks sollen also vergrößert werden. Elf der 46 Gebiete aber liegen mindestens zur Hälfte oder ganz im Wald.

Angst vor Flächenfraß, Qualitätsverlust und höherer Waldbrandgefahr

"Wir möchten einfach eine freie Sicht haben und nicht auf 250 Meter hohe Windräder", sagt Manuela Wlodarski aus Schönberg. Sie ist Teil der Bürgerinitiative "Freier Wald", die sich im Frühjahr in Ostprignitz-Ruppin gegründet hat. Ihre Sorge ist, dass in drei Waldgebieten mit einer Gesamtfläche von 3.000 Hektar zwischen der A24 bei Darsikow, Kyritz und Wusterhausen bald über 40 neue Windkraftanlagen stehen könnten.

Uwe Tackmann von der Bürgerinitiative findet das "zu viel des Guten". "Der Wald ist unsere Natur und Heimat, ihn zu schützen, darum geht es", fasst Tackmann zusammen. Als CO2-Speicher, Lebensraum, Erholungsort, zum Pilzesammeln, für den Tourismus.

Die Initiative spricht sich nicht explizit gegen erneuerbare Energien aus, aber gegen den Standort Wald. Zu wertvoll sei dieser und zu groß der Flächenfraß. "Pro Windkraftrad gehen wir von einem halben Hektar Einschlag im Wald aus. Zuwegungen müssen mindestens sieben Meter breit sein", sagt BI-Mitglied Holger Zepuntke aus Wulkow. Er, seine Mitstreiter und auch die Mitglieder der Bürgerinitiative gegen Windräder im Wald in Oberhavel sehen noch weitere Probleme: die Waldbrandgefahr würde steigen und die Stromnetze hätten ohnehin gar nicht genug Kapazitäten.

Netzbetreiber: Zubau neuer Anlagen "verschärft Netzsituation weiter"

Das bestätigt auch der Netzbetreiber Edis. Derzeit seien im gesamten Netzgebiet, das Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern umfasst, rund 90.000 Erneuerbare-Energie-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 14 Gigawatt angeschlossen. Dem Unternehmen aber "liegen Anschlussbegehren mit einer beantragten Leistung von über 165 Gigawatt vor – mehr als das Zehnfache der bereits installierten Leistung", teilt Edis-Pressesprecher Danilo Fox auf rbb-Anfrage mit.

Der Zubau zahlreicher neuer Windkraft- und auch Solar-Anlagen "verschärft die Netzsituation im (110.000-Volt-)Hochspannungsnetz weiter", so Fox. Notwendig sei deshalb eine koordinierte Entwicklung von Anschlusskapazitäten und Netzinfrastruktur. Neue Anlagen würden viel schneller gebaut werden als das Netz mit seinen Leitungskapazitäten ausgebaut werde. "Während eine Freiflächen-PV-Anlage oder ein Windpark für gewöhnlich innerhalb von zwei bis drei Jahren geplant und vollständig errichtet wird, benötigt die Ertüchtigung von Hochspannungsleitungen von der Bedarfsplanung bis zur Inbetriebnahme in der Regel acht bis zwölf Jahre", heißt es vom Netzbetreiber Edis.

Windräder stehen oft still

Die Folgen sind schon heute zu sehen. Neulich "auf dem Weg nach Neuruppin haben von elf Windrädern fünf gestanden", berichtet Manuela Wlodarski von der Initiative "Freier Wald". Das ist im Norden Brandenburgs regelmäßig zu beobachten.

Denn wird mehr Strom erzeugt als die Leitungen aufnehmen können, werden die Windräder und Solarparks heruntergeregelt oder ganz abgeschaltet. Die Anlagenbetreiber erhalten für die entgangenen Einnahmen eine Entschädigung. Wie hoch diese Zahlungen ausfallen, will Netzbetreiber Edis nicht öffentlich beziffern.

Gebiete mit Vorrang für Windenergie müssen laut Gesetz ausgewiesen werden

Katrin Böttger von der Regionalen Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel sagt, dass die "Netzauslastung und Netzkapazitäten nicht Gegenstand der Prüfung bei der Ermittlung konfliktarmer Gebiete für die Windenergienutzung im Rahmen der Regionalplanung sind". Zumindest räumlich gebe es nun für den weiteren Ausbau der Windenergie eine Grundlage. "Ziel ist eine Strukturierung der Region, mit der wir manche Flächen für die Windenergienutzung zur Verfügung stellen, aber andere Flächen auch davon freihalten", sagt Böttger weiter.

Dass in Brandenburg überhaupt mögliche Flächen für neue Windkraftanlagen benannt werden müssen, liegt am Windenergieflächenbedarfsgesetz des Bundes, das am 1. Februar 2023 in Kraft trat. Demnach muss das Land Brandenburg mindestens 1,8 Prozent seiner Fläche bis Ende 2027 und mindestens 2,2 Prozent bis Ende 2032 für die Windenergienutzung ausweisen. Diese Ziele wurden auch im Brandenburgischen Flächenzielgesetz (BbgFzG) als regionale Teilflächenziele übernommen. Katrin Böttger zufolge gibt es keine Vorgaben für jeden einzelnen Landkreis. Die Kreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel werden in diesem Kontext als eine Planungsregion betrachtet: Prignitz-Oberhavel.

Ab Herbst sollen die Unterlagen für die Region Prignitz-Oberhavel online veröffentlicht und vor Ort ausgelegt werden. Dann beginnt die Öffentlichkeitsbeteiligung. Anwohner können dann förmlich Bedenken anmelden – auch gegen die geplanten Windräder in Wäldern.

Sendung: Antenne Brandenburg, 27.06.2024

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Beitrag von Michaela Grimm und Björn Haase-Wendt

87 Kommentare

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  1. 87.

    Ah, daher weht bei Ihnen der Wind. Gucken Sie sich aber mal die Preise an, die bei den letzten Auktionen für Solar- und PV aufgerufen worden sind. Die Sonne schickt zwar keine Rechnung, die Technik zu deren Nutzung muss aber trotzdem bezahlt werden. Solarparks werden immer häufiger ohne Förderung, aber mit Speicher gebaut gebaut, für Offshore-Windparkflächen zahlen die Betreiber sogar., Während aber dank ETS die Preise für fossilen Strom steigt und private Betreiber sich Investitionen in neue AKW scheuen, sehen die Profis die Zukunft bei den Erneuerbaren.

  2. 86.

    Mich gruselts bei der irreparablen Schädigung der Lebensräume, des Waldes. Zerstörung pur. Fassungslos schaut man zu. Die Partei mit der Farbe der Hoffnung will das alles so.

  3. 84.

    Ja, das sollte so sein, aber meines Wissens wird in Deutschland der Strompreis immer noch nach dem teuersten Brennstoff kalkuliert, der zur Stromerzeugung genutzt wird, egal, wie hoch der Anteil ist. Und das ist nun mal Erdgas! Viele wissen es, aber nichts wird entsprechend angepasst - gut für die EVUs!

  4. 83.

    War ja grad auf 3Sat: Artensterben auf der Straße – Keine Chance für Wildtiere?
    Angestammte Wege durch Kahlschlag - nichts anderes ist Windradbau im Wald - führt zu immensen Problemen bei Wildtieren bis hin zu Inzuchtschäden. Sehenswerte Doku! Garantiert noch in Mediathek zu finden…

  5. 82.

    Die Brandenburger Gemeinden haben in den letzten Jahren viele Pyrrhussiege erkämpft ohne Realitätscheck.

  6. 81.

    Sie haben gar nicht diskutiert, sondern einfach etwas behauptet, ohne auch nur ein einziges Gegenargument zu bringen. "Wir" sind ich und alle anderen, denen das zu wenig ist.

  7. 80.

    Und nocheinmal: Wer sind denn ,,wir''? Ich habe nicht mit Ihnen diskutiert.

  8. 79.

    Offensichtlich meint man, daß im Wald die Windstärken stärker sind als auf unbewaldeten Flächen.

  9. 78.

    Mal abseits aller Polemik fand auch zu dieser Zeit die Preisfindung am Spotmarkt statt, da nur hier die tatsächliche physikalische Lieferung garantiert wurde. Also bitte nicht etwas anderes behaupten.

  10. 77.

    Eigentlich muss doch Elektroenergie die aus kostenloser Primärenergie zudem mit besserem Wirkungsgrad als es je irgendeine Carnot-Maschine vermag unschlagbar günstig sein.
    Also warum hat Deutschland die höchsten Strompreise? Das ist doch die Gretchenfrage. Die Preise sind über Jahrzehnte sukzessive gestiegen obwohl der Anteil an erneuerbaren Primärenergien sukzessive gestiegen sind.

    Also irgendwas stimmt doch grundsätzlich nicht. Entweder das Marktmodell oder das bisherige Konzept oder oder … Egal, irgendetwas läuft hier grundsätzlich falsch.
    Und solange nicht klar ist, was eigentlich los ist, darf dafür nicht ein einziger Baum gefällt oder ein einziger Vogel geschreddert werden.

  11. 76.

    E- fuel und Wasserstoff-Fabriken mit entsalztem Wasser betreiben--und schon könnte überflüssiger Strom für Flugzeuge, LKW, Feuerwehr, Landwirtschaft, Wirtschaft---im Winter zum Heizen genutzt werden.

    Made in Germany-in Europa--in Afrika, in armen Ländern.

    Das könnte überall auf der Welt gemacht werden--überall wo die Sonne scheint. Jeder könnte Öl-oder Gas-Scheich sein.

  12. 75.

    Warum die Gas- und damit in Folge die Strompreise gestiegen sind, weiß eigentlich außer bei Voice of Europe jeder. Franzosen haben wegen dringender Reparaturen viele Kernkraftwerke abschalten müssen und Russland sorgte mit Eingriffen in den Gasmarkt für explodierende Preise, die die Franzosen aber gerne gezahlt hatten. Heute schalten die die Dinger ganz ab, weil die den Strom oft nicht mehr los werden.

  13. 74.

    Wären Sie bitte so nett und verraten uns, was an dem Kommentar alles falsch ist und wie es richtig wäre?

  14. 73.

    Die plötzlich über einen längeren Zeitraum explodierten Gas- und Strompreise wegen des Energiekrieg von Putin haben Sie auffallend schnell verdrängt. Die Abhängigkeit vom Good Will Moskaus kam schon der DDR nach der Ölkrise teuer zu stehen und jetzt dem wiedervereinigten Deutschland. Gerade mit Heimatenergie aus Wind und Sonne werden wir, ohne das Klima mit brauner Kohle mit zu ruinieren, unabhängiger von irgendwelchen Diktatoren und Scheichs. Auf dem Weg dorthin haben sich aber über lähmende Jahre die Versäumnisse angehäuft. Übrigens fehlte nicht nur der aktuell immer wieder auch zu Negativpreise gehandelte französische Atomstrom, auch andere Länder konnten ihre Strom nicht bei uns anbieten. Die einheitliche Strompreiszone kaschiert dabei das Fehlen von Übertragungskapazitäten zwischen Nord- und Süddeutschland. Wer den Artikel gelesen hat, weiß um die abgeschalteten WKA. Sie auch?

  15. 72.

    Interessant. Dann ist die Merit-Order also gar kein Problem und die ab 2021 explodierten Energiepreise waren nur Fake? Die großen Energieversorger haben den Strom ja zu 95% günstig woanders her bezogen? Gut, dass Sie das nun aufgeklärt haben.

  16. 71.

    Die großen Stromversorger decken sich zu gerade einmal 5 % über den Spott-Markt ein. Die zwei kleinen Spitzen werden Menschen wie Sie nichtmals auf der Stromrechnung bemerken.

  17. 69.

    Heiko, Sie haben sich selbst vergessen. Die meisten Menschen können auf Ihre naturverschandelnden Betontrassen für Ihr Auto gern verzichten, da Sie ja viel herumfahren. Dazu sind Sie mit Ihrem Auto noch laut und schmutzig, was für die Natur viel gefährlicher ist, als Windräder.

  18. 68.

    Thorsten, kritisieren ist ja schön und gut und v.a. einfach. Wie stellen Sie sich denn eine vernünftige, ökologische und in Anbetracht der fatalen Klimaproblematik sinnvolle Energiegewinnung vor? So weiter, wie bisher?

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