Berliner Rapper Luvre47 - "Die aktuelle Situation macht mir sehr große Sorgen"

Sa 05.04.25 | 12:21 Uhr
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Rapper Luvre47 steht am 10.09.2023 beim Lollapalooza Festival am Berliner Olympiastadion auf der Bühne. (Quelle: Imago Images/Daniel Lakomski)
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Video: rbbKultur - das Magazin | 29.03.2025 | Lilli Klinger | Bild: Imago Images/Daniel Lakomski

Aufgewachsen in Berlin-Gropiusstadt ist Luvre47 einer der bekanntesten Rapper Berlins. In seinen Texten geht es um die Probleme der heutigen Zeit. Ein Interview mit dem Musiker über Chancenungleichheit und Depression.

rbb: Wir befinden uns hier mitten im Zentrum der Gropiusstadt, im Gemeinschaftshaus. Sie spielen auch bald ein Konzert hier. Was bedeutet Ihnen dieser Ort?

Luvre47: Ich hatte gerade bei meinem neuen Album Lust, mal mit einer Band aufzutreten. Einfach weil es das Soundbild vom Album hergibt. Ich hoffe, dass wir ein Jazzclub-Ambiente erzeugen können und genau dafür haben wir einen passenden Ort gesucht. Bei der Begehung des Gemeinschaftshauses in der Gropiusstadt sind wir auf diesen Saal gestoßen, den ich selbst auch noch nicht kannte, aber sehr passend finde.

Zur Person

Luvre47 wuchs in Berlin-Gropiusstadt auf und thematisiert seine Herkunft häufig in seinen Songs. Ursprünglich spielte er hochklassig Jugendfußball und schaffte es als Torwart bis in die A-Junioren-Bundesliga, bevor er sich der Musik zuwandte. Seine ersten Tracks nahm er in einem Jugendzentrum auf. 2016 veröffentlichte er seine erste EP auf SoundCloud. Mit Songs wie "Lass ma sein/Plus X" und seinem Debütalbum "Herz" (2022) erlangte er größere Bekanntheit. 2023 war er zudem im Film "Sonne und Beton" zu sehen und steuerte den Titelsong bei.

 

Wie sind Sie zur Musik gekommen?

Ich habe schon früh angefangen Texte zu schreiben, um mich in der Hinsicht auszuprobieren. Ich habe aber selbst nie daran geglaubt, dass man das professionell tun kann. Per Zufall habe ich dann mit 18 meine ersten Gehversuche in einem Studio in einem Jugendclub am Ostkreuz machen können, weil dort ein Freund gearbeitet hat.

Was hat Ihnen das Songschreiben und Musikmachen gegeben?

In erster Linie war es eine Ventilfunktion. Zunächst habe ich das aber aus Spaß gemacht und weniger darüber nachgedacht, wie ich mir jetzt Frust von der Seele schreiben kann.

Sie haben lange in der Gropiusstadt gelebt. Wie fühlt es sich jetzt an, in diesen zwei Welten zu leben?

Ich glaube, ich war nie jemand, der sich mit der Musik über jemand anderes gestellt hat. Das ist mittlerweile mein Beruf, das ist meine Leidenschaft und ich habe das Glück, dass sich das zumindest im Moment viele Leute anhören wollen. Aber es gibt nicht zwei Welten. Ich bin einfach in meiner Welt geblieben. Ich war vorher da, bevor ich Musik gemacht habe und bin es immer noch. Ich begegne jedem auf gleicher Augenhöhe.

Die Gropiusstadt ist lediglich die Bühne der Geschichten, die ich erzähle, weil ich sie hier wahrnehme. Die Geschichten passieren aber stellvertretend weltweit.

Luvre47

Ein Song auf Ihrem neuen Album heißt "Gift und Geld". Ist das eine Beschreibung, mit der man das Leben hier in der Gropiusstadt beschreiben kann?

Das ist einfach nur ein Sinnbild. Es geht hierbei nicht explizit um die Gropiusstadt, oder dass ich der Welt erklären will, wie schlimm der Ort ist. Die Gropiusstadt ist lediglich die Bühne der Geschichten, die ich erzähle, weil ich sie hier wahrnehme. Die Geschichten passieren aber stellvertretend weltweit und in verschiedenen Ausmaßen und durchaus auch schlimmer.

Inwiefern ist das Lebensmotto "genug ist nie genug", das Sie in einem Ihrer Songs besingen, eine Belastung? Was geht dabei verloren, wenn man nur nach dem Motto lebt "mehr, mehr, mehr"?

Viele Menschen in der Selbstständigkeit können wahrscheinlich nachempfinden, dass man die ganze Zeit Gas geben will und auch muss, um voranzukommen. Die wesentlichen Dinge gehen dabei jedoch verloren. Das ist halt ein Mix. Wenn man keine Mittel hat, kann man mit viel Freizeit nichts anfangen. Wenn man aber viele Mittel hat, dafür aber keine Freizeit, bringen einem auch all die Mittel nichts. Ein gesunder Mittelweg erscheint mir das richtige zu sein. Wichtig ist es aber immer, Freunde, Familie und das Umfeld nicht aus den Augen zu verlieren und auch Zeit für jedermann zu finden. Wenn man aber immer mehr und mehr will, muss man zwangsläufig einen riesigen Spagat hinlegen. Die Motivation für diesen Song war aber auch einfach die Erkenntnis, dass du mit jedem Meilenstein, den du erreichst, wieder einen neuen entdeckst, dem man hinterherjagen kann. Ich glaube, das ist ein naturgegebener Instinkt. Da muss man sich manchmal bremsen.

Wie kommt es zu dem Sinnbild "Depression mit Meerblick"?

In unserer aktuellen Welt, in der Generation, die heranwächst, sind psychische Erkrankungen einfach ein sehr präsentes Thema und auch eines, dass wir noch sehr stark unterschätzen. Im neuen Album geht es sehr viel darum. Auch dass dir gewisse Dinge nicht automatisch Glück bescheren, beispielsweise wenn man einen Meilenstein erreicht. Am Ende des Tages, wenn es einem scheiße geht, muss man sich leider mit sich selbst auseinandersetzen und sollte nicht versuchen, es zu verdrängen.

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Ist der Preis, den man dafür zahlt, um dort hinzukommen, wo Sie jetzt sind, so hoch, dass man auf dem Weg dorthin abstumpft und es am Ende gar nicht mehr genießen kann?

Zumindest gilt das für mich. Ich kenne aber auch Künstler, bei denen ist das anders. Die beneide ich. Sehr häufig nehmen die Leute meine Konzerte besser wahr als ich selbst. So vieles fliegt an einem vorbei. Da ist die nächste Baustelle und zack, zack. Aber das ist keine hoffnungslose Situation, da gibt es Mittel und Wege hinaus.

Ich bin sehr hoffnungslos, was unsere Zukunft betrifft. Ich will mich aber auch nicht auf diesen Stuhl setzen, und sagen, alles ist scheiße.

Luvre47

Sie bezeichnen sich selbst als Pessimisten. Ihr Album ist auch eher düster und pessimistisch. Können Sie der Gesellschaft überhaupt noch was Gutes abgewinnen?

Ich bin sehr hoffnungslos, was unsere Zukunft betrifft. Ich will mich aber auch nicht auf diesen Stuhl setzen, und sagen, alles ist scheiße. Das ergibt ja auch keinen Sinn. Ich bin der Auffassung, dass man den Glauben nicht verlieren sollte, dass man Sachen verbessern und verändern kann. Aber die aktuelle Situation macht mir sehr große Sorgen. Weltweit.

Hat sich in der Gropiusstadt etwas verändert?

Nichts auf der Welt verändert sich nicht. Nichts bleibt stehen. Alles verändert sich, natürlich auch das Viertel hier, genauso wie andere Viertel auch. Manche langsamer, manche schneller. Ich glaube, wir sind noch nicht so durchgentrifiziert wie der Stadtkern oder Kreuzberg. Aber auch hier gibt’s diese Prozesse. Ich weiß zwar nicht, wie ein 15-Jähriger auf die Gropiusstadt blickt und welche Probleme er hat. Ich glaube aber, es sind dieselben wie damals. Trotzdem hat wahrscheinlich jeder einen anderen Blick darauf, denkt, dass es früher besser oder schlimmer war. Politisch gesehen hat sich hier aber nichts zum Besseren gewandelt. Vor 15 Jahren hätte man hier kein AfD-Plakat aufhängen können. Mittlerweile ist es leider gang und gäbe und keinen interessiert es mehr.

Macht Sie das traurig?

Eher wütend. Die AfD ist eine Krankheit, die ein Momentum hat, die eine Lücke besetzt, die Wut einfängt genauso wie Menschen. Sie hat aber nichts mit einer realistischen Alternative gegen die Ist-Situation zu tun. Sie ist einfach eine Begleiterscheinung dieser kranken Zeit.

Hat sich nach dem Kinofilm "Sonne und Beton", in dem Sie mitgespielt und den Titelsong beigesteuert haben, etwas für Sie verändert?

Definitiv. Das war für meine eigene Karriere ein großer Schritt. Ich bekam eine große Bühne, ich konnte mich Leuten präsentieren. Aber ob das jetzt mein Leben grundlegend verändert hat? Keine Ahnung, man kämpft mit den gleichen Dingen. Aber ich bin durch den Film definitiv vorangekommen, wofür ich sehr dankbar bin.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Interview mit Luvre47 führte Lilli Klinger für rbbKultur - das Magazin. Redaktionelle Bearbeitung für rbb|24: Hendrik Matter.

Sendung: rbbKultur - das Magazin, 29.03.2025, 18:30 Uhr

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7 Kommentare

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  1. 7.

    Mir ist Einiges vollkommen unverständlich: überall gehen Menschen auf die Straßen und demonstrieren gegen die AFD - wenn dann jedoch Wahlen sind wird das Kreuzchen bei dieser Gruppierung gemacht. Habe eben im Fernsehen die neuesten %Zahlen gesehen : CDU 26% AFD 24% - ich muss leider schreiben, dass ich dies alles nicht mehr unter einen Hut bringe! Wer glaubt an die Worthülsen? Man popularisiert - hat aber für Demokratie kein Verständnis. Leute fangt an zu Denken noch ist es nicht zu spät!

  2. 6.

    Danke. Kannte ich vorher nicht. Scheint ein cleverer Kerl zu sein.

    Da er die Gesellschaft klar kritisiert, spricht er wohl kaum für die aktuelle Politik.
    Er erkennt auch, dass die AFD nur ein Symptom und nicht das eigentliche Problem ist. Da ist er schon mal weiter als viele andere mit mehr Entscheidungsgewalt.

  3. 4.

    Er ,,gibt sich'' nicht her, für Niemanden! Haben Sie sich nach gefühlt 100 Jahren immer noch nicht von Ihrer DDR gelöst? Wird Zeit!

  4. 3.

    „Da ist die nächste Baustelle und zack, zack.“

    Wie sehen denn solche Baustellen aus, wie kann man sich das heute vorstellen? Ich fände es interessant einen Einblick zu bekommen, der einem ermöglicht das zumindest oberflächlich nachzuvollziehen. Das mit dem Jazzclub-Ambiente finde ich sehr spannend, das hat auch gut in den 90ern geklappt mit Jazzmatazz, Roy Ayers und vielen anderen.

  5. 2.

    In der DDR gaben sich auch gern Künstler her für die Politik. Kommt das beim rbb wieder?

  6. 1.
    Antwort auf [Fridolin] vom 05.04.2025 um 13:56

    Die Hufeisentheorie wurde längst widerlegt.