Senat streicht Gelder - Drei-Religionen-Kita in Berlin wird vorerst gestoppt

So 06.04.25 | 12:10 Uhr | Von Carmen Gräf
  37
Kindern wird am 14.11.2024 in einer Berliner Kita aus einem Kinderbuch vorgelesen. (Quelle: Picture Alliance/Jens Kalaene)
Audio: rbb24 Inforadio | 05.04.2025 | Carmen Gräf | Bild: Picture Alliance/Jens Kalaene

Seit zehn Jahren machen sich eine evangelische Christin, eine Jüdin und eine Muslima für eine Drei-Religionen-Kita in Berlin stark. Das Projekt stand kurz vor Baubeginn, nun ist es gestrichen. Der Berliner Senat hat versprochene Gelder gekürzt. Von Carmen Gräf

Noch in diesem Jahr sollte eigentlich der Grundstein für eine Drei-Religionen-Kita auf einem Baugelände in der Marchlewski-Straße in Berlin-Friedrichshain gelegt werden. Stattdessen wurde das Projekt nun dort symbolisch begraben: mit einer Kapsel, die Baupläne und Flyer enthält, wie bei einer Grundsteinlegung üblich, und die sich an künftige Generationen wendet.

"Damit man lesen kann, was die Initiatorinnen des Drei-Religionen-Kitahauses bewegt hat, so lange an ihrer Grundsteinlegung festzuhalten", erklärt Kathrin Janert. Sie ist Vorständin des Evangelischen Kirchenkreisverbandes für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord.

"Ich bin fassungslos und traurig"

Die Berliner Senatsverwaltung für Erziehung hatte ihr vier Millionen Euro für das Projekt in Aussicht gestellt. Damit wird es nun nichts mehr, erfuhr Janert im Dezember vergangenen Jahres. "Darüber bin ich nach wie vor fassungslos und wahnsinnig traurig, denn es war harte Arbeit", sagt Janert. "Jetzt ist es so wie es ist, aber es geht weiter. Diese Vision ist zu stark, als dass wir sie heute beerdigen."

Man werde schauen, wie man weiter zusammenarbeiten könne. Allerdings gebe es dafür noch keinen konkreten Plan B. Anderthalb Millionen Euro wurden bisher in das Projekt investiert - insgesamt elf Millionen Euro sollte das Drei-Religionen-Kitahaus kosten. Es gab bereits einen Erbbaurechtsvertrag für das Grundstück, das der evangelischen Markus-Gemeinde gehört. Dieser wird nun aufgelöst.

Diese Vision ist zu stark, als dass wir sie heute beerdigen.

Kathrin Janert, Vorständin des evang. Kirchenkreisverbandes für Kitas

Verbindende Projekte auf Mikroebene

Die Absage des Berliner Senats ist für Silke Radosh-Hinder ein falsches Signal an die Gesellschaft. Sie ist eine der Mitinitiatorinnen und Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Berlin Stadtmitte.

Gerade jetzt würden solche Projekte gebraucht, meint sie. "In hoch angespannten politischen Zeiten hätten wir zeigen können: Auf dieser Mikroebene geht es. Daraus hätte etwas ausstrahlen können."

Iman Andrea Reimann, Geschäftsführerin des Deutschen Muslimischen Zentrums Berlin und Leiterin der Kita Regenbogenkidz, Kathrin Janert, Vorständin des Evangelischen Kirchenkreisverbandes für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord, Rabbinerin Gesa Ederberg, zuständig für die Synagoge Oranienburger Straße, und Pfarrerin Silke Radosh-Hinder, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Berlin Stadtmitte, bei der Verleihung des Deutschen Nationalpreises 2024 (Quelle: dpa/Christoph Soeder)v.l.n.r.: Iman Andrea Reimann, Kathrin Janert, Rabbinerin Gesa Ederberg und Pfarrerin Silke Radosh-Hinder

Iman Andrea Reimann ist eine weitere Mitinitiatorin und Geschäftsführerin des Deutschen Muslimischen Zentrums Berlin. Sie glaubt nicht, dass so bald ein Projekt in einer solchen Größenordnung realisiert werde. "Vielleicht etwas, was kleiner ist und irgendwie einen anderen Anfang bietet", meint sie. Die mulitinationale Kita Regenbogen-Kidz, in der sie arbeitet, kooperiert bereits mit der jüdischen Masorti-Kita. "Vielleicht ist das ein Anfang, der uns dann befähigt, wieder zu so etwas Großem zu kommen", hofft sie.

Freundschaften bleiben hoffentlich

Auch Gesa Ederberg hat die Hoffnung nicht aufgeben. Sie ist Rabbinerin in der Neuen Synagoge Oranienburger Straße und Vorstandsmitglied von Masorti, einem Verein zur Förderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Lebens. Sie hofft, "dass wir einen anderen Ort finden, dass wir eine andere Form finden, das vor allem unsere Freundschaften, die entstanden sind, einfach weiter halten."

Symbolisch dafür wurden Luftballons mit Samenkapseln und Botschaften in den Himmel geschickt. "Irgendwo geht diese Samenkapsel nieder", rief Silke Radosh-Hinder unter dem Beifall der Anwesenden: "Sie wird aufgehen. Und das ist das Signal: Es geht weiter!"

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.04.2025, 09:10 Uhr

Beitrag von Carmen Gräf

Nächster Artikel

37 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 37.

    Was nutzen solche Projekte, wenn die Eltern einer bestimmten Religion, zu Hause eine genau entgegengesetzte Erziehung praktizieren. Man bringt die Kinder in eine Konfliktsituation und im schlimmsten Falle, werden die Kinder auf der einen oder der anderen Seite zu Heuchlern. Man muß bei den Eltern beginnen. Nur wenn diese bereit sind, die Kinder nicht religiös zu beeinflussen oder zu fordern, haben solche Projekte eine dauerhafte Chance. Ähnliche Versuche, nur in kleinerem Maßstab, sind aus eingangs genannten Gründen, schon nach wenigen Wochen gescheitert und daran hätte auch ein größeres Gebäude nicht geändert. Bitte einfach mal in die Schulen schauen, denn auch dort bereitet der Einfluß von intoleranten Eltern, erhebliche Probleme.

  2. 36.

    Hurra. 23 Bäume dürfen weiterhin Schatten spenden und weiter vor sich hin wachsen, nachdem in der Nachbarschaft weitere 12 Bäume für eine Sporthalle weichen mussten. Ein Fest für jeden Anwohner.

  3. 35.

    Noch einmal möchte ich daran erinnern, dass es verschiedenste Weltanschauungen gibt: Nicht nur Monotheismus und Atheismus. Entscheidend ist, Kindern im Rahmen dessen, was sie aus ihrem alltäglichen Erleben verstehen können, ein paar Werte für das Leben in dieser Welt an die Hand zu geben. Die sollen ihnen ermöglichen, mit anderen Menschen und sich selbst sowie mit anderen Lebewesen gut auszukommen. Solche universellen Werte brauchen aber, wie andere hier schon exzellent erläutert haben, überhaupt kein Label irgendeiner Religion, weil das viel mehr trennt als verbindet.

  4. 34.

    Wir brauchen Kindergärten, bei denen die Gottbehauptungen und ihre Traditionen draussen bleiben.

    Ich halte es da mit dm Grundgesetz: Es besteht keine Staatsreligion bzw.Staatskirche.


    Also auch nicht Eine, nicht Zwei und nicht mehrere Staatsreligionen sondern Keine.

  5. 33.

    Aus Ihrer Perspektive mag das stimmen. Wie abendfüllend kann es sein, nicht an Gott zu glauben. Für Atheisten oder auch Agnostiker ist das nur Philosophie. Ansonsten wird nicht darüber nachgedacht oder großartig "geglaubt".

  6. 32.

    Liebes Toffelchen, Atheismus ist sehr wohl eine Glaubensrichtung, weil auch der Glaube, dass es keinen Gott gibt, nur ein Glaube ist. Und ich erlebe es leider in meinem Umfeld zunehmend so, dass nicht gläubige Menschen mir mit sehr harschen Worten (um nur das mindeste zu sagen)meinen Glauben vorwerfen. Wenn ich Gelegenheit habe, nachzufragen, darf ich feststellen, dass die Ursache der Aggression Vorurteile sind. Meistens kommen die nicht aus schlechten Erfahrungen, sondern stammen nur aus überliefertem Nichtwissen. Darum finde ich die Idee, Kinder auch über Religion zu informieren, so wichtig.

  7. 31.

    Ich finde das Projekt spannend und einen guten Versuch Brücken zu bauen.

  8. 30.

    Kein Atheist verklärt irgendwas. Er glaubt schlichtweg an nichts göttliches oder übergeordnetes. Für sich selbst. Was Sie glauben ist einem Atheisten völlig egal. Und Atheismus ist keine Glaubensrichtung. Die meisten sogenannten Atheisten sind in Wirklichkeit Agnostiker, weil ein gesunder Menschenverstand nichts komplett ausschließt.

  9. 29.

    Kein Kind hat einen komplett unvoreingenommenen Blick. Je mehr ein Kind mit der Welt in Kontakt kommt, desto dringender braucht es Orientierungspunkte. Die sucht es sich automatisch bei den Erwachsenen, mit denen es am meisten zu tun hat. Die Ausgrenzung, die Unterscheidung, die Gruppenbildung ist in uns angelegt, die passiert sowieso. Wer z.B. seinen Kindern keinen Zugang zu Religion bietet, der fördert dann eben die Glaubensrichtung "Atheismus". Was ja ok ist, es sollte dann nur ehrlicherweise auch so benannt und nicht romantisch als "Offenheit" verklärt werden.

  10. 28.

    Lieber Gerd, gerade in der gut gemeinten Idee, "Trennfaktoren abzubauen“, liegt eine riskante Übergriffigkeit. Denn sobald Religion – sei es als Thema, Symbol oder Ritual - in den pädagogischen Alltag Einzug hält, wird sie unausweichlich zur Markierung: Wer gehört wozu, wer feiert was nicht, wer sagt wann Amen? Die Absicht mag friedlich sein, das Ergebnis ist oft das Gegenteil: ein Frühtraining in Unterscheidung und Zugehörigkeit. Kinder brauchen keine Bühnen für elterliche Weltbilder, sondern Orte, an denen sie sich unabhängig davon begegnen können - im Spiel, im Streit, in der Neugier. Das ist die wahre Brücke: eine Kita, in der Religion gerade nicht verhandelt werden muss, um Miteinander zu ermöglichen. Und die Eltern? Die begegnen sich besser in echter Offenheit als unter dem pädagogischen Anspruch, ihre Unterschiede „harmonisch“ einzubinden. Wer Religion nicht in den Mittelpunkt stellen will, sollte sie auch nicht ins Programm schreiben.

  11. 27.

    Aber solche fundamentalistischen Auswüchse passieren doch genau da, wo Menschen von Klein auf Religion nur in einem engen Rahmen kennenlernen! Wenn man Toleranz einüben will, sollte man doch den eigenen und den Glauben anderer verstehen und respektieren lernen.

  12. 26.

    Religion ist Teil kulturellen Reichtums, gewiss. Doch die Kita ist kein Museum der Weltanschauungen. Sie ist ein Ort des Spiels, des Fragens, der offenen Begegnung - nicht des Deutens, Bewertens, Vergleichens. Wer meint, man verhindere Fundamentalismus, indem man Kleinkindern Religion erklärt, verkennt ihr Bedürfnis: nicht Relativierung von Dogmen, sondern Freiheit davon. Kinder leben nicht im kulturellen Überbau, sondern im Hier und Jetzt. Religion früh einzuführen heißt oft: Etikett aufkleben, Zugehörigkeit zuweisen, statt Spielraum zu lassen. Das ist kein Schutz vor Engstirnigkeit, sondern deren Vorform. Religion gehört in Familien, in freie Auseinandersetzung, in späteres Lernen - nicht in eine Umgebung, die zuerst Geborgenheit und Offenheit sein soll. Wer Religion zum Pflichtprogramm macht, nimmt dem Kind den unvoreingenommenen Blick. Das ist nicht kulturelle Vielfalt, das ist pädagogische Verengung.

  13. 25.

    Haben Sie schonmal Kinder in dem Alter miteinander spielen sehen? Die achten nicht auf Hautfarbe oder dergleichen. Religion hat in einer Kita nichts zu suchen, die Kinder wissen garnicht worum es geht. Und eine Kita, die sich auf die drei Religionen bezieht, schließt alles andere schonmal aus oder stuft alles andere ab. Braucht im 21. Jahrhundert niemand mehr. Da sollten gar keine öffentlichen Gelder fließen. Sind doch alle gleich. Oder? Religion ist privatsache und geht keinem was an. Wers braucht, soll glauben was er will. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden können.

  14. 24.

    Widerspruch, denn diese Auseinandersetzung folgt in der Schule, das ist nichts fürs Kindergartenkind.

    D ist ein sekulärer Staat, kein religiöser. Die Tabus, die Sie erwähnen, sind doch religöse/kulturelle, bspw. wenn ein Junge veweigert, einer Frau die Hand zu geben.

  15. 23.

    Auch das Christentum lehrt genau das. Oder gibt es den Begriff der Gottgefälligkeit da nicht? Die Christen haben das besondere Konstrukt, dass man für Fehlverhalten vielleicht doch nicht allzu hart bestraft wird, weil Jesus dafür vorab durch eine Kreuzigung bezahlt habe. Die zentrale Grundidee der Sünde bleibt aber dieselbe. - Es geht mir aber auch gar nicht um die Frage, wie gut die Idee von Sünde und Beobachtung durch einen allmächtigen Gott ist. Es geht mir darum, dass es daneben noch viele andere Ideen und Ideale gibt, die Kindern mindestens gleichwertig vermittelt werden sollen. Und das halte ich unter einem monotheistischen Dach nicht für allzu wahrscheinlich.

  16. 22.

    Nein. Das Christentum lehrt das eben gerade nicht, das ist ja gerade der Kern der Sache.
    Über die anderen beiden Religionen kann ich da weniger sagen, da ich leider nicht in einer Drei-Religionen-Kita war. :)

  17. 21.

    Die drei monotheistischen Religionen erzählen alle dieselbe grundlegende Geschichte: Es gibt es einen unendlich mächtigen Herrn, und wenn Du denkst und handelst, wie es ihm gefällt, steigt die Chance, dass es Dir gut geht. Wenn nicht, wird er wütend. Diese Erzählung hat Vor- und Nachteile, und sie hat sich tief in unsere Kultur und Ethik eingeprägt, was nicht generell schlecht ist. Es gibt aber auch noch allerlei andere Ideen und Ideale, die für eine Gemeinschaft wichtig sind: Der Respekt vor Mitwesen in der Natur, Wissenschaft und Vernunft, Mitmenschlichkeit aus sich selbst, gemeinschaftliche Entscheidungen, Freiheit... Warum nun sollten gerade Vertreter* der Idee des alleinherrschenden Gottes gut geeignet sein, mit ihrer Institution Kindern diese vielfältigen Ideen und Ideale nahezubringen?

  18. 20.

    In Bayern sagt man "Grüß Gott". Das bedeutet für mich, dass man im Menschen gegenüber Gott als solches erkennt, der auch den Menschen geschaffen hat. Wir brauchen deshalb in erster Linie Menschlichkeit. Eine umständliche Relegion brauchen wir nach meiner Meinung nicht.

  19. 19.

    Danke. Zudem ist zu sagen, dass Hass und Ablehnung oft dort entsteht, wo es Tabus gibt! Und der Verbot für Kindern die Auseinandersetzung mit den Religionen zu erleben, gehört dazu.
    Sonst müssten wir auch den Gang in die Kirchen für Minderjährige verbieten. Oder das Beisein bei Rassismus und Menschenverachtung, dass in vielen Familien gibt!

  20. 18.

    Aber Religion gehört doch zum Reichtum der Kultur, in der wir alle, auch schon kleine Kinder, leben. Es ist doch widersinnig, ihnen "einen Ort der Möglichkeiten" zu versprechen und dann zu sagen, dass Religion aber draußen bleiben muss. Wollen wir denn wirklich, dass jeder seine Religion nur noch allein für sich zuhause ausübt, wo die private Auslegung dann nicht mehr durch andere Ansichten relativiert wird? SO entstehen Fundamentalisten. Nicht durch eine Kita, die die Traditionen und Geschichten von drei miteinander verwandten Religionen erklärt und verwebt.