Urteil am Bundesverwaltungsgericht Leipzig - Gericht weist Rosneft-Klage zu Treuhandverwaltung ab
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage des russischen Ölkonzerns Rosneft gegen die Treuhandverwaltung für zwei deutsche Tochterfirmen abgewiesen. Sie sind Mehrheitseigner von PCK. Der Bund verlängert indes die Treuhand um sechs Monate.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Dienstag die Klage von zwei Töchtern der Rosneft Deutschland gegen die Bundesregierung abgewiesen. Die deutsche Tochter des russischen Staatskonzerns hatte sich juristisch gegen die Treuhandschaft durch die Bundesnetzagentur über zwei ihrer Firmen gewehrt.
Gericht: Gefahr für Versorgung hat bestanden
Nach vier Verhandlungstagen kam das Gericht zur Überzeugung, dass es im September vergangenen Jahres ausreichend Zeichen gab, die einen ungefährdeten Weiterbetrieb zum Beispiel der PCK-Raffinerie in Schwedt in Frage stellten.
Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme wird damit die Position der Bundesregierung gestützt.
Die Klagen wurden als zulässig bewertet, aber als nicht stichhaltig abgewiesen. Zu einer Anhörung der Klägerinnen war das Bundeswirtschaftsministerium demnach vor der Verkündung der Treuhandschaft nicht verpflichtet. Der Grund: Es sei Gefahr im Verzug gewesen. In seiner Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht vor allem darauf, dass wie beim russischen Gaslieferanten Gazprom auch bei Rosneft eine Insolvenz vorstellbar war.
Die konkrete Gefahr habe bestanden, dass eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit gegeben war. Dies wird als wesentliches Argument für die verfassungsgemäße Treuhandschaft gewertet.
Erleichterung in Teilen der Politik und Wirtschaft
Brandenburgs Landesregierung und die regionale Wirtschaft reagierten erleichtert auf das Urteil, richteten aber auch Appelle an den Bund. "Wichtig ist nun ein weiterhin tragfähiges Konstrukt, das den Energiemarkt in Deutschland stabil hält", erklärte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). "Die Verbraucher zählen auf eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung." Auch der ostdeutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Sepp Müller sieht den Bund in der Pflicht.
Die Wirtschaft in Berlin und Brandenburg begrüßt das Urteil zur Treuhandverwaltung. "Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schafft dringend notwendige Klarheit", erklärte die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg. Die PCK-Raffinerie gehöre zur kritischen Infrastruktur der Region, betonte der Unternehmerverband. "Jetzt muss rasch die neue Eigentümerstruktur geklärt werden", forderte Verbandsgeschäftsführer Sven Weickert. "Eine Hängepartie wäre nicht verkraftbar, auch angesichts der mittelfristigen Investitions- und Umrüstungspläne für die Raffinerie in Richtung Wasserstoff."
Uckermark-Landrätin reagiert verhalten auf Urteil
Die Verkündung des Urteils in Leipzig verfolgt hat auch die Landrätin der Uckermark, Karina Dörk (CDU). Sie warte ab, wie es nun in Bezug auf die Raffinerie unter der Treuhand oder anderen Bedingungen weitergeht. "Wir sehen ja, dass die unter Treuhandstellung dazu geführt hat, dass ab 1.1. kein russisches Öl mehr kommt. Das, was im Prinzip in Begründung der Richterin dargestellt worden ist - die Versorgungssicherheit und das Interesse daran - wird damit doch ein Stück weit konterkariert."
Bund verlängert Treuhandverwaltung um sechs Monate
Ebenfalls am Dienstag teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit, dass die Treuhandverwaltung um sechs Monate verlängert werde. "Das ist eine gute Nachricht für die Versorgungssicherheit und die Zukunft der PCK Schwedt", erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). "Die Versorgungssicherheit ist oberste Priorität und daher handlungsleitend. Sie sicherzustellen, war und ist Zweck der Treuhandverwaltung."
Die Treuhandverwaltung wäre ohne Verlängerung am 15. März ausgelaufen. Ob die Verlängerung allerdings ebenfalls rechtens ist, bleibt abzuwarten. Denn das Urteil in Leipzig bezieht sich nur auf die bisherigen Maßnahmen.
Landrätin Karina Dörk zufolge arbeite die Bundesregierung zudem an einem Gesetz, welches ermöglicht, unter Treuhand gestellte Unternehmen zu enteignen. Mit der Fortsetzung und Inkrafttreten eines möglichen Enteignungsgesetzes, fürchtet die CDU-Politikerin auch um Öl-Lieferungen aus Kasachstan. "Dann wird Russland auch nicht zulassen, dass Öl aus Kasachstan über sein Gelände geliefert wird", sagt Dörk weiter. Eine Versorgung hauptsächlich über die Pipeline von Rostock zum PCK wäre wirtschaftlich schwierig "und fatal für die Region".
Linke fordert Verstaatlichung von Rosneft-Töchtern
Nach der Bestätigung des Bundesverwaltungsgerichts plädiert die Linke für Verstaatlichung. "Wir fordern, dass Bund und Land Brandenburg jetzt Anteile an der PCK-Raffinerie in Schwedt übernehmen", sagte Landtagsfraktionschef Sebastian Walter am Dienstag.
Auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Christian Görke meinte: "Das Verfahren hat gezeigt, dass die halbgare Treuhandlösung auf tönernen Füßen steht und überwunden werden muss." Der Bund müsse bei der PCK GmbH einsteigen. Damit könne er direkten Einfluss auf die Arbeitsplatzsicherung der 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über das Jahr 2024 hinaus nehmen. Auch die Versorgungssicherheit in Ostdeutschland sei "staatspolitische Aufgabe".
Seit September hat der Bund die Kontrolle
Mit der Treuhandverwaltung hatte der Bund im vorigen September faktisch die Kontrolle über Rosneft Deutschland und RN Refining Marketing übernommen. Die Unternehmen sind Mehrheitseigner der wichtigen PCK-Raffinerie in Schwedt (Uckermark). Rosneft hielt die Anordnung der Treuhandverwaltung für rechtswidrig und hat dagegen geklagt.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Februar und März insgesamt vier Tage ausführlich über die Klage verhandelt. Dabei wurden intensiv Zeugen zur Lage bei den Rosneft-Töchtern befragt. Der Bund hatte die Anordnung der Treuhandverwaltung mit einer drohenden Gefahr für die Versorgungssicherung der Bundesrepublik Deutschland begründet. Das Gericht ist in erster und letzter Instanz zuständig.
Die PCK-Raffinerie Schwedt spielt mit ihren gut 3.000 direkt und indirekt Beschäftigten für die Versorgung von Ostdeutschland mit Benzin und anderen Raffinerieprodukten eine zentrale Rolle.
Rosneft versorgte PCK bis zum Importstopp mit russischem Öl und hält noch 54 Prozent der Anteile. Mit dem Embargo gegen russisches Öl seit Anfang des Jahres ist dieses Geschäftsmodell entfallen. Die Rosneft-Anteile sind unter der Treuhand, gehören rechtlich aber weiter dem russischen Unternehmen. Jenseits davon liegen weitere 37 Prozent der Anteile bei Shell und gut acht Prozent bei der italienischen ENI.
Sendung: Antenne Brandenburg, 14.03.2023, 07:30 Uhr