Hatte Rosneft-Deutschland alles im Griff? - Rechtsstreit um Treuhandverwaltung der PCK-Mehrheitseigner geht weiter

Do 09.03.23 | 15:41 Uhr | Von Fred Pilarski
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Bundesverwaltung Leipzig verhandelt über Rosneft Treuhand
Audio: Antennen Brandenburg | 09.03.2023 | Fred Pilarski und Sarah Schiwy | Bild: rbb

Im Rechtsstreit über die Treuhandverwaltung der Bundesregierung über die deutschen Tochterfirmen des russischen Ölkonzerns Rosneft wurden Vertreter beider Seiten angehört. Vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig verlangt Rosneft die Aufhebung. Von Fred Pilarski

Waren die deutschen Töchter des russischen Staatskonzerns im vergangenen Jahr handlungsfähig? Hat Moskau in Entscheidungen eingegriffen? War es für die deutsche Energiesicherheit und den Bestand der PCK-Raffinerie in Schwedt (Uckermark) notwendig, einen staatlichen Treuhänder einzusetzen? Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird weiter über die Treuhandverwaltung der Bundesregierung über zwei deutsche Tochterfirmen des russischen Ölkonzerns Rosneft verhandelt. Dort prallen dieser Tage die unterschiedlichen Haltungen aufeinander.

Wie bedrohlich war die Lage wirklich?

Bei der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ging es in der mündlichen Verhandlung bisher immer wieder um die Frage, wie bedrohlich die Lage für die deutsche Rosneft-Firmen vor der Treuhandentscheidung war. Für Prozessbeobachter war verblüffend zu erleben, wie unterschiedlich dabei die Einschätzungen zu denselben Vorgängen ausfielen - durch frühere Rosneft-Deutschland-Manager auf der einen und dem Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums auf der anderen Seite.

In der Darstellung des bis zur Treuhandlösung amtierenden Rosneft-Deutschland-Chefs Jörg T. hatte man die Probleme mit der sogenannten Overcompliance im Griff, also jene Schwierigkeiten, die sich aus der "Übererfüllung" von Sanktionsforderungen gegen russische Firmen ergaben. Egal, ob große Banken ihre Geschäftsbeziehung kündigten, Industrie- und Warenversicherer mit dem Verweis auf die Russland-Beziehung absprangen oder IT-Dienstleister ihren Service einstellten - immer habe man Lösungen gefunden und "die Probleme abgearbeitet".

"Wir haben trotzdem Hunderte Millionen verdient"

Dabei hatte der Manager noch am Dienstag eingeräumt, dass diese Probleme sehr herausfordernd waren. Er benutzte das Bild vom "roten Licht" als Gefahrensignal. Etwa, als ein Schiff in norditalienischen Triest monatelang nicht entladen werden konnte, weil die Bank sich weigerte, die Zahlungsanweisung an das Charterunternehmen weiterzuleiten. In diesem Fall ging es wohl um die Versorgung der Rosneft-Deutschland-Beteiligung an der Bayernoil.

Am Mittwoch interpretierte der Geschäftsführer seine "Rotes Licht"-Metapher neu - nicht als Gefahr, sondern nur noch als Bild für Vorgänge, die hierarchisch auf den Chef-Tisch gehört hätten. "Die Fakten haben ja gezeigt, dass man hätte weiterarbeiten können. Wir haben trotzdem Hunderte Millionen verdient und sind im Markt als Versorger ohne Probleme präsent gewesen."

Streit um PCK-Versicherer

So problemlos stellte sich die Lage für den Zeugen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mitnichten dar. Thomas S., ein Unterabteilungsleiter, der auf der Arbeitsebene offenbar am intensivsten mit dem Thema betraut war, berichtete von intensiven Kontakten mit dem Management der Rosneft-Töchter. Es sei wie ein Feuer gewesen, das immer wieder an neuer Stelle aufgeflammt sei und ausgetreten werden musste.

Besonders dramatisch erschien dem Beamten eine Information aus der PCK-Raffinerie von Anfang September. Nach der Kündigung eines Haftpflichtversicherers hätten die beiden Geschäftsführer mit dem sofortigen Rücktritt gedroht. Ein Problem, das mit Beginn der Treuhandverwaltung gelöst worden sei.

Diese Darstellung wurde am Mittwoch durch die Rosneft-Seite effektvoll angegriffen. Quasi über Nacht hatten sich Vertreter der klagenden Rosneft-Gesellschaft eine Erklärung eines der beiden PCK-Geschäftsführer besorgt, nachdem er niemals mit Rücktritt wegen einer fehlenden Feuerversicherung gedroht hätte. Allerdings war von Feuerversicherung auch nicht die Rede, sondern von einer viel umfassenderen Haftpflichtversicherung.

Abnabelungsprozess von Konzernmutter

Noch deutlicher waren die Wahrnehmungsunterschiede bei der Frage, inwiefern die deutschen Rosneft-Töchter noch an die Konzern-Mutter in Moskau gebunden waren. Daraus leitete sich die Frage ab, ob ein vorzeitiger russischer Lieferstopp und ein Abfluss von Kapital gedroht hätte.

Der frühere Rosneft-Deutschland-Manager berichtete von einem Prozess der Abnabelung von der Moskauer Zentrale. Der Einsatz russischen Personals sei heruntergefahren worden, auch um nach außen zu zeigen, dass man sich sanktionskonform und rechtstreu verhalte. Man habe die Diversifizierung im Interesse des Unternehmens von sich aus vorangetrieben.Einzelne Investitionsentscheidungen seien fortan ohne Rücksprache mit Moskau getroffen worden - zum Beispiel wurden 15 Millionen Euro für eine Voruntersuchung zur Ertüchtigung der Rostock-Schwedt-Pipeline freigegeben.

Ein dem Gericht vorliegender Brief, nach dem der Moskauer Konzern-Chef Igor Setschin um die Zustimmung für vergleichsweise kleine Investitionsentscheidungen für die PCK-Raffinerie gebeten wurde, sei für die Beurteilung der Abhängigkeit nicht relevant. Die Anfrage sei unnötig gewesen, man hätte das auch selbst entscheiden können.

Dienstbesprechungen in Moskau

Zwei oder drei Mal, räumte der Manager ein, habe er sich selbst mit dem Auto nach Moskau zu persönlichen Meetings bemüht. "Fliegen ging ja nicht mehr". Regelmäßig habe es Telefonkonferenzen, gelegentlich Videoschalten gegeben. "Mit abnehmender Tendenz". Sein Eindruck: Moskau wolle das Investment Drushba-Pipeline und PCK nicht beschädigen und an den Firmen auch unter Sanktionsbedingungen festhalten. Er selbst habe erste Gespräche wegen der Alternativlieferungen aus Kasachstan geführt, mit Billigung des russischen Gesellschafters.

Gleichzeitig habe er aber auch russisches Öl bestellen müssen und wollen. Schließlich habe es keinen formalen Embargo-Beschluss gegeben - nur eine Erklärung des Bundeskanzlers. Immer wieder habe er vergeblich nach einer Rechtsgrundlage für einen deutschen Importstopp gefragt.

Aus Sicht des Wirtschaftsministeriums gab es hingegen eine deutliche Gefahr, dass Russland mit einem einseitigen Lieferstopp dem deutschen Embargo hätte zuvorkommen können. Das Verhalten Russlands im Zusammenhang mit dem Stopp der Gaslieferungen hätte sich genauso gut auch beim Öl wiederholen können, sagte Zeuge Thomas S. Im Wirtschaftsministerium war man alarmiert, als im August zeitweise der Südstrang der Drushba-Leitung gesperrt wurde und Ungarn, Tschechien und die Slowakei von der Rohölversorgung abgeschnitten wurden [tagesschau.de].

Drohender Kapitalabfluss?

Zudem habe es deutliche Hinweise auf einen drohenden Kapitalabfluss nach Russland gegeben, sagte der BMWK-Beamte Thomas S. weiter aus. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Dokument, das dem Beamten aus dem Rosneft-Deutschland-Umfeld übermittelt wurde. Um den Informanten zu schützen wurden identifizierende Angaben durch die Bundesregierung geschwärzt und dem Beamten im Zeugenstuhl verboten Aussagen zu treffen, die eine Enttarnung des Whistleblowers ermöglicht hätten.

Mehr als eine halbe Stunde lang stritten Anwälte und Gericht darum, welche Fragen dem Zeugen in dem Zusammenhang gestellt werden dürfen und welche nicht. Denn das Dokument hatte zweifellos Brisanz: Demnach soll es das Verlangen der Moskauer Zentrale nach Vorauszahlungen enthalten haben, "um die ununterbrochene Versorgung sicherzustellen", sagt Thomas S. weiter. In der Lesart des Wirtschaftsministeriums war das eine Drohung mit Lieferstopp und der gleichzeitige Versuch, Kapital abzuziehen.

Ein weiteres Schreiben betraf die Bitte um vorzeitige Gewinnausschüttungen an die Muttergesellschaft. Der Beamte kommentierte dies so: "Allein die Frage zeigt ja, dass man sich ja bemüht, Liquiditätsabfluss zu bekommen. Das erinnerte sofort an das Vorgehen im Gasbereich. Wir hatten die Sorge, dass hier die Vorstellung besteht, ähnlich zu verfahren."

Rosneft Deutschland schwamm im Geld

Auf der Rosneft-Seite klang das ganz anders. Demnach schwammen die deutschen Rosneft-Töchter geradezu im Geld. Hatte man in normalen Jahren Erlöse von 150 Millionen Euro erzielt, explodierten 2022 die Gewinne. Das billige Rohöl aus Russland und die hohen Preise für die in Deutschland hergestellten Produkte ließen das Finanzpolster immer mehr anschwellen.

Für Ende 2022 soll die Prognose bei zwei Milliarden Euro gelegen haben, vor der Treuhand-Entscheidung sollen etwa 1,5 Milliarden Euro auf den Konten gewesen sein. Bei angedrohten Negativzinsen und einer erwarteten Inflation von zehn Prozent sah Geschäftsführer Jörg T. Handlungsbedarf. Allerdings seien Vorkasse-Leistungen und vorzeitige Gewinnausschüttungen zwar diskutiert, aber letztlich nie umgesetzt worden, offenbar auch aus handels- und steuerrechtlichen Gründen.

Bundesverwaltungsgericht ist erste und letzte Instanz

Die Rechtsvertreter der Bundesregierung und von Rosneft werden nun Stellungnahmen zu den Zeugenaussagen abgeben. Das Bundesverwaltungsgericht will am kommenden Dienstag seine Entscheidung bekanntgeben.

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.03.2023, 06:30 Uhr

Beitrag von Fred Pilarski

2 Kommentare

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  1. 2.

    "Das billige Rohöl aus Russland und die hohen Preise für die in Deutschland hergestellten Produkte ließen das Finanzpolster immer mehr anschwellen." Na bitte! Da steht es in großen Lettern: Die Konzerne haben ohne Not die Abgabepreise erhöht. Und das sogar über ein Maß hinweg, das uns die derzeitige Inflation eingebracht hat.
    Und dann jammern, wenn auf die zusätzlich eingefahrenen Gewinne Steuern bezahlt werden sollen...

  2. 1.

    Das wird ja spannend.

    Wenn Rosneft doch so liefertreu ist, warum hat man dann eigentlich Polen abgedreht?

    Bzw. Warum hatte der andere von einem Putin Kumpel geleitete russische Staatskonzern Gazprom dann den Gashahn zugedreht?

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