Woidke in Eisenhüttenstadt - Wie zwei Brandenburger Unternehmen klimaneutral werden wollen

Mi 08.03.23 | 20:32 Uhr
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Dietmar Woidke zu Besuch in der Papierfabrik der Papergroup Eisenhüttenstadt
Audio: Antenne Brandenburg | 08.03.2023 | Kristin Langen | Bild: Kristin Langen/rbb

Auch Brandenburger Unternehmen stellen auf eine klimaneutrale Produktion um. Zwei Beispiele sind der Papierhersteller Progroup und der Stahlkonzern Arcelormittal. Beim Tempo hapert es teils noch - aus verschiedenen Gründen.

Eisenhüttenstadt im Kreis Oder-Spree gilt als ein industriefreundlicher Standort mit Geschichte. Und nicht nur das, sagt Maximilian Heindl. Der Geschäftsführer des Papierherstellers Progroup AG hat sich 2011 gezielt in der Region angesiedelt, weil sie nah am wichtigen Absatzmarkt Osteuropa liegt.

Die Voraussetzungen stimmen

Industrieflächen, Energie, Straßen - alles habe gut gepasst, sagt Heindl. Zudem könne die Stadt mit Projekten umgehen. Was er damit auch meint, ist die Tatsache, dass sie ein fabrikeigenes Kraftwerk bauen durften, mit dem sich das Unternehmen schon früh weniger abhängig von fossilen Brennstoffen gemacht hat. Die Hälfte des Stroms für die Fabrik kommt von dort, genutzt werden Produktionsabfälle.

Die Papierfabrik setzt mit der Produktion von Wellpappe und Papier als Vorprodukt für Verpackungsunternehmen auf Nachhaltigkeit in Form von Kreislaufwirtschaft, das Altpapier aus Verpackungen wird wiederverarbeitet. Kunden sind Betriebe, die vor allem lokal agieren.

Wohin mit dem CO2?

Wohin aber mit den anderen 50 Prozent CO2-Produktion, damit das Unternehmen klimaneutral wird? Darüber werde noch nachgedacht, sagt der Geschäftsführer. Eine Entsorgung zu Lasten anderer schließt Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) aus. Abfälle nach Afrika zu transportieren oder CO2 über Pipelines in die Nordsee zu pumpen sei keine Lösung. "Wir sollten die Herausforderungen, die wir haben, für uns im Land lösen", sagt Woidke am Mittwoch in Eisenhüttenstadt.

Stahlwerk setzt künftig auf Wasserstoff

In der Nachbarschaft erhebt sich das riesige Stahlwerk von Arcelormittal mit 2.700 Beschäftigten. In wenigen Jahren soll der Umbau hin zu klimaneutraler Stahlproduktion gelingen. Dazu sollen bis 2026 an den Standorten Bremen und Eisenhüttenstadt zwei Hochöfen durch modernere Technologie ersetzt werden. Dort soll das Eisen eingeschmolzen werden. Dazu wird viel erneuerbare Energie gebraucht. Die Anlagen sollen zunächst mit Erdgas, später mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden. Damit könnten laut Unternehmen rund 3,5 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr in Eisenhüttenstadt eingespart werden.

Doch eine Entscheidung der EU für eine Förderung durch den Bund steht noch aus. Nach Worten vom Geschäftsführer für Arcelor Deutschland, André Körner, fehlt die Genehmigung der EU-Kommission für das Investitionsvolumen für Bremen und Eisenhüttenstadt in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Körner mahnt eine schnelle Genehmigung an. Mittlerweile rücke der Zeitpunkt für einen Vollbetrieb nach hinten. Spätestens im zweiten Quartal dieses Jahres müsse der Konzern eine Entscheidung treffen.

Auch Brandenburgs Ministerpräsident hofft auf eine schnelle Entscheidung aus Brüssel. Es habe bereits Entscheidungen für andere Stahlstandorte in Deutschland gegeben. Eisenhüttenstadt sei mindestens genauso wichtig. Wenn Europa auch in Zukunft eine starke Grundlagenindustrie haben wolle, gehe es auch um Stahl. "Deshalb brauchen wir diese Entscheidung", sagte Woidke bei einem Besuch im Stahlwerk.

Woidke: Erneuerbare Energien als Standortsicherung wichtig

Das Stahlunternehmen schaut derzeit verstärkt auf die Energiesituation sowie die Anbindung des Standorts an eine Wasserstoffpipeline. "Die Wasserstoffpipeline kann 2028/29 gebaut werden, da ist der Standort angeschlossen", sagt Körner. Ein weitaus größeres Problem sei eine verlässliche Energieversorgung.

Arcelormittal-Arbeitsdirektor Michael Bach hält eine Unterstützung in Form von finanzieller Förderung, wettbewerbsfähigen Energiepreisen und einer funktionierenden Wasserstoff-Infrastruktur für notwendig. Es gehe um verlässliche und bezahlbare Energieversorgung, sagt auch Regierungschef Woidke. Er hoffe, dass die Bundesregierung zu dieser Frage klare Antworten gebe. "Die sehe ich momentan leider noch nicht." Doch, so betont Woidke, um die Klimaziele zu erreichen, braucht es vor allem den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Er ist überzeugt: Ein wichtiger Grund, warum sich immer mehr Industrien in Brandenburg ansiedeln, ist die bereits vorhandene gute Infrastruktur mit Erneuerbaren Energien. Diese gelte es weiter auszubauen. Davon profitieren dann auch bestehende Unternehmen wie die Papierfabrik und das Stahlwerk in Eisenhüttenstadt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 08.03.2023, 16:40 Uhr

11 Kommentare

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  1. 11.

    Auch wenn wir immer wieder von Digitalisierung sprechen, die Energiewende ist kein binärer Vorgang.
    Funktioniert also nicht mit einem Schalter umlegen und gut ist.
    Soweit zu den physikalischen, wirtschaftlichen Realitäten.
    Herr Neumann und alle anderen hier, mich eingeschlossen, sind diesbezüglich ein kleines Rädchen im Getriebe.
    Wenn man sich in der Wirtschaft umschaut scheinen diejenigen die es mit großen Zahlen betrifft doch deutlich anders als z.B. Sie darüber zu denken.
    Ein Beispiel wäre da die deutsche Stahlbranche, die durchweg an diese Zukunft glaubt und sich darauf einlässt.
    Zweites Beispiel inzwischen auch die alte Energiewirtschaft incl RWE, e.on, LEAG. Wer hätte das vor 10 Jahren gedacht?
    Beliebig fortzusetzen.
    Bleibt außer den Zweiflern und Nörglern kaum noch jemand übrig.
    Ein Anwalt hat mal gesagt in 20-30 Jahren kann man Unternehmen einfach in 2 Gruppen einteilen. Klimaneutrale und die im Geschichtsbuch.

  2. 10.

    Es gibt nur zwei Arten von grundlastfähiger Energieversorgung - Sonderfälle mal ausgeklammert - Atomkraft oder fossile Energie. Ihre hochgelobten "Erneuerbaren" sind mal da und mal nicht, die Sonne scheint nicht nachts und der Wind weht, wann er will und Speicher gibt es nicht. Parallel muss immer das verfügbar sein, was im ersten Satz genannt ist. Wenn immer etwas parallel vorrätig sein muss, stellt sich schnell die Frage der Wirtschaftlichkeit.
    Ich will ja nicht ausschließen, dass irgendwann die elektrische Energie in Wasserstoff gespeichert werden kann, nur gibts da nichts Konkretes, was man einsetzen könnte. Und mit grüner Ideologie kann man diese physikalischen Realitäten nicht wegzaubern.

  3. 9.

    Und Kernfusionsforschung haben Sie auch mal betrieben... Ich habe in jungen Jahren mal Nebelscheinwerfer an mein erstes Auto gebaut. Bei den Nebelkerzen, die Sie hier zünden, sind die dringend geboten.

    Mir machen vor allem fossile Bremser der Energiewende sorgen, die wie Sie Problem finden, für die es schon längst Lösungen gibt, die nach Ihrer Meinung sogar schon Drittklässler Ihnen präsentieren könnten.

  4. 8.

    Heute alles nachgelesen-keine Bange. Meine Welt sind Werkstoffe der Luftfahrtindustrie und Technologien / Zyklen / Werkstoffe / Ätzgase in der ME. Haben Sie schon mal eine Plasmaätzanlage gebaut oder einen Leistungssender dafür ? Aber mal ran !

  5. 7.

    Nix Propeller; reaktivnie dwigateli ! Manno habe vorhin Konstruktionspraxis und über SSAB gelesen. Ing.de kenne ich auch. Die Tagesereignisse machen mir Sorgen; Ihnen nicht ?

  6. 6.

    Bei Ihnen scheint derartiges Grundwissen nicht vorhanden zu sein. Stahl ist eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit einem Kohlenstoff-Massenanteil von maximal 2 %.

  7. 5.

    Die Technik hat sich seit Ihrer Lehre an Propellermotoren weiterentwickelt. Sie sollten besser aktuelle Fachzeitschriften lesen: https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/werkstoffe/fossilfreier-stahl-ssab-volvo/

    10 % ist die allgemein zulässige Grenze für die Beimischung von Wasserstoff. 100% sind es in Holzwickede
    https://www.westenergie.de/de/landingpage/wasserstoff/h2howi.html

    Informieren geht auch bei den Gasrohren vor fabulieren vor allem über "hochtemperatur-belastbare Stähle" für Gasleitungen:
    "Neben den niedriglegierten Stahlsorten X42 und X52, die gemäß EIGA-Richtlinie IGC Doc 121/14 zum Transport von gasförmigem Wasserstoff und Wasserstoffgemischen geeignet sind, haben wir optimierte Werkstoffkonzepte für den Festigkeitsbereich bis X70 im Programm"
    https://www.thyssenkrupp-steel.com/de/produkte/warmband/pipelinestahl/stahl-fuer-leitungsrohre.html

  8. 4.

    Ihre Frage war doch recht eindeutig darauf abgezielt eine Diskussion zu provoziern.
    Wenn Sie es ernsthaft wissen wollen, fragen Sie sicher nicht die rbb24 Leserschaft sondern möglichst viele unterschiedliche Quellen naheliegenderweise, diejenigen die es machen.
    Die 3 großen Stahlhersteller in Deutschland sind führend in der Entwicklung der Dekarbonisierung aber auch in der öffentlichen Darstellung ihrer Prozesse.
    Gleiches gilt übrigens auch für H2 in Rohrleitungen. Ich würde mich diesbezüglich z.B. beim DVGW oder den Gasnetzbetreibern darüber informieren und dann lernen das man dort weniger in Problemen sondern in Lösungen denkt und somit viel weiter sind als Sie und die meisten Bürger glauben. H2 vor Ort ist z.B. ein Sammelprojekt mit sehr guter öffentlicher Information.
    Kann durchaus sein, dass es einzelne Rohrleitungen gibt, die nicht optimal für H2 geeignet sind oder auch einige km fehlen aber das ist dann kein Problem sondern eine Aufgabe.

  9. 3.

    Was Sie da aufgemalt haben ist wie "Rechnen" Kl,3 Mir geht es um die Technologie bis zum erkalteten Stahlblock oder Träger. Schon gestern schrieben Sie über die Leichtigkeit des H2-Transportes über Normalpipeline. Man hat ab 10 % H2 Anteil im Mischgas schon Probleme. Ich rede hier auch nicht von Spezialstählen wie z.B hochtemperatur-belastbare Stähle. Eisen haben Sie noch nie in der Hand gehabt. Allenfalls austenitischen Stahl o.ä. Stahl ist auch ihr altes Ofenrohr und mein Edelstahlgeländer. Manno-Sie Besserwisser.

  10. 2.

    Die "Kernkompetenz" Feststellen, Geld einsammeln/zuteilen und kommentieren ist doch etwas schwerer als man meint. Wer ist gemeint?

    "WIR SOLLTEN die Herausforderungen, die wir haben, für uns im Land lösen"
    "hofft auf eine schnelle Entscheidung aus Brüssel...Eisenhüttenstadt sei mindestens genauso wichtig...Deshalb brauchen wir diese Entscheidung"
    "gehe um verlässliche und bezahlbare Energieversorgung" - soll heißen, der Bund soll Zuschüsse zahlen und Woidke das klar machen.
    "Diese gelte es weiter auszubauen" - na dann lass uns mal Windräder zählen die pro Jahr gebaut werden. Wer baut? Woidke?

  11. 1.
    Antwort auf [TRAMSR] vom 08.03.2023 um 21:12

    Stahl ist mit mitnichten eine "Eisen-Kohlenstoffverbindung" wie Sie es als Triebwerksmechaniker, Kernfusionsspezialist und Mikrochipentwickler gelernt haben, sondern ein Legierung, also ein Gemisch aus reinem Eisen und weiteren Stoffen.

    Bei der Eisenverhüttung, also der Gewinnung von Eisen aus Eisenerz soll Wasserstoff statt Kohlenstoff eingesetzt werden.
    2 Fe2O3 + 3 C -> 4 Fe + 3 CO2
    wird ersetzt durch
    Fe2O3 + 3 H2 -> 2 Fe + 3 H2O
    Um dafür ein "Experte" zu sein, reicht das Grundwissen Chemie aus der Schule aus. Redet Ihre Enkelin mit dem M.Sc. nicht mehr mit Ihnen als dass die Ihnen ein paar Basics beibringen könnte?

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