Studie im Umweltausschuss - Brandenburg wird Klima-Ziele wohl deutlich verfehlen
Brandenburg kann - selbst mit weitreichenden Maßnahmen - seinen Anteil zu den internationalen Klimaschutz-Zielen nicht erreichen. Das steht in einem Gutachten für die Landesregierung, das am Mittwoch dem Umweltausschuss vorgestellt wurde. Von Markus Woller
- Eine am Mittwoch vorgestellte Studie sieht keine Chance, dass Brandenburg die Vorgaben für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels erreicht
- Ein schneller Kohleausstieg wird als wichtigste Klimaschutz-Maßnahme bezeichnet
- Die Studien-Autoren fordern statt eines "Klimaplans" ein Klimaschutzgesetz
"Das Erreichen eines Klimabudgets auf Basis eines 1,5-Grad-Zielwerts ist für Brandenburg in keinem Fall erreichbar." Diese deutliche Aussage findet sich in einem Gutachten zu den Klimaplänen Brandenburgs, das am Mittwoch im Umweltausschuss des Landtags vorgestellt worden ist. Sogar ein 2-Grad-Zielwert werde bei einem "Weiter so" bis 2045 kaum erreichbar sein, heißt es in der Studie. Und vor allem: Nicht einmal wenn es Brandenburg in den kommenden Jahren gelänge, tiefgreifende Klimaschutz-Maßnahmen umzusetzen, könnten die Ziele in den nächsten zwei Jahrzehnten erreicht werden. Bernd Hirschl vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das das Gutachten erstellt hat, bilanziert am Mittwoch im Umweltausschuss nüchtern: "Brandenburg ist in Bezug auf das Erreichen der Klimaziele noch nicht auf Kurs."
Das Gutachten, in Auftrag gegeben vom Brandenburger Umweltministerium, sollte eigentlich einen Handlungsrahmen für den zukünftigen Klimaplan des Landes liefern. Bis zum Sommer soll dieser erarbeitet werden und mit seiner Hilfe sollen die Klimaschutzziele bis 2045 festgezogen werden.
Die Studienmacher fordern nun von der Landesregierung ambitionierte und wirksame Maßnahmen in insgesamt sieben Sektoren, um wenigstens eine deutliche Reduzierung der Treibhausgase in den kommenden 22 Jahren zu erreichen. Das Klimaabkommen von Paris fordert Klimaschutz-Maßnahmen, um den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius oder zumindest unter zwei Grad Celsius zu beschränken. Eine vollständige Reduktion der Treibhausgase sei langfristig möglich, betont Hirschl: "Bis 2030 oder 2040 kriegen wir die fossilen Energieträger nicht komplett raus. So schnell sind wir nicht, denn wir haben da einiges im Bestand, aber bis 2045 schaffen wir es auf Null."
Schneller Ausbau von Wind- und Photovoltaikanlagen
Als bedeutendste Klimaschutz-Maßnahme sieht der Bericht einen möglichst frühen Kohleausstieg an. Der weitaus größte Teil der klimaschädlichen Gase werde durch die Kraftwerke in der Lausitz ausgestoßen, heißt es.
Gleichzeitig brauche es einen enormen Ausbau im Bereich der erneuerbaren Energien - und das ab sofort. Im Vergleich zu 2018 müsse im Jahr 2045 das Dreifache an Windkraft und sogar das Zehnfache an Solarstrom erzeugt werden. Die Studienmacher fordern, die Fläche für Windenergie kurzfristig auf 2,5 Prozent der Landesfläche zu vergrößern. Derzeit schreibt der Bund ein Ziel von 2,2 Prozent vor - das aber erst ab 2030. Die Fläche für Solarenergie-Erzeugung müsse durch Mehrfachnutzungskonzepte so gering wie nötig gehalten werden, so die Studienautoren. Außerdem brauche es eine generelle Solarpflicht für Privathäuser und Firmen.
Um die Versorgung mit Strom auch in Zeiten abzusichern, in denen die Sonne nicht scheint und kein Wind weht, müsse ein neues Netz von dezentralen Kraftwerksstandorten aufgebaut werden. Diese Kraftwerke müssten effizient sein, Abwärme als Heizwärme nutzen und perspektivisch mit grünen Brennstoffen betrieben werden können.
ÖPNV muss ausgebaut werden
Der Kohleausstieg allein werde die Probleme allerdings nicht lösen, bilanziert die Studie. Im Verkehrssektor brauche es eine Trendwende mit den Zielvorgaben "Vermeiden, Verlagern, Antriebswende", heißt es im Bericht. So würden schnell attraktive Alternativen zum Autoverkehr im Öffentlichen Personennahverkehr benötigt. Die Wende bei den Antriebssystemen von Fahrzeugen solle zudem durch eine Förderung des Ausbaus der landesweiten Ladeinfrastruktur unterstützt werden.
Größere Anstrengungen brauche es auch im Bereich des Waldumbaus und bei der Wiedervernässung von Mooren, fordert das Gutachten. Der Wald sei zwar momentan die wichtigste Klimasenke im Land, werde zukünftig aber wegen der Auswirkungen des Klimawandels an CO2-Speicherkraft verlieren. Die Experten empfehlen, die Waldfläche durch Erstaufforstungen zu vergrößern, Abholzungen zu verhindern und größere Teile des Waldes verwildern zu lassen.
Wichtiger noch sei die Vernässung oder Wiedervernässung von Ackerland, Grünland und Mooren. Fast acht Megatonnen CO2 würden 2045 in diesem Bereich jährlich aus dem Boden entweichen, wenn die Vernässung bis dahin nicht gelänge. Bei Mooren sei eine Fläche von 9.000 Hektar pro Jahr schon ab 2024 nötig, um die Klimaneutralitätsziele zu erreichen. Eventuelle finanzielle Einbußen bei Landnutzern müssten entschädigt werden. Das Brandenburger Umweltministerium arbeitet derzeit bereits an Plänen zur Moorvernässung. Sie sind aber umstritten.
Gutachter: Klimaplan zu unverbindlich
Bisher ist vonseiten der Brandenburger Landesregierung geplant, bis zum Sommer lediglich einen relativ unverbindlichen Klimaplan zu erarbeiten. Die Autoren der Studie mahnen nun die Politik, dass das nicht ausreichen werde, um die kurzfristig notwendigen Maßnahmen bis 2030 umzusetzen. "Wir empfehlen ein Klimaschutzgesetz wie es 13 andere Bundesländer auch haben", so Bernd Hirschl. Nur so könne ein verpflichtender Zielkorridor für Klimaschutzmaßnahmen sichergestellt werden. Ein verbindliches Klimaschutzgesetz sei ein Schlüsselelement erfolgreicher Klima-Politik im Land. Dazu sei es dringend erforderlich, die öffentliche Verwaltung personell aufzustocken, um schnelle Planungs- und Genehmigungsprozesse zu ermöglichen.
Minister Vogel: Klimaplan ist verbindlich
Am Mittwochabend wies Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) Kritik zurück, dass die Landesregierung kein Klimagesetz, sondern nur einen Klimaplan entwickeln wolle.
Vogel betonte am Mittwoch bei rbb24 Brandenburg aktuell, was in dem Plan festgelegt werde, sei für alle Landesministerien verbindlich. "Das wird natürlich auch entsprechend in Gesetze, in Verordnungen gegossen werden und wird damit auch verbindlich für die kommunale Ebene." Wichtig sei aber, dass die Kommunen auch mitgenommen würden, so Vogel weiter. Deshalb gebe es einen Konsultationsprozess. Zudem seien über 1.300 Vorschläge aus der Bevölkerung in das Gutachten mit eingeflossen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 08.03.2023, 19:30 Uhr