Abfallentsorgung - Berliner Unternehmen scheitern oft an der Mülltrennung
Was in den Mülltonnen von Berliner Unternehmen landet, wird meistens verheizt. Dabei müsste das gar nicht so sein. Wenn besser getrennt würde, könnte ein großer Teil des Gewerbemülls recycelt werden - und nicht nur der. Von C. Winterhagen & C. Rubarth
- 70 Prozent des Berliner Haus- und Gewerbemülls in Berlin werden verbrannt - zum Teil auch in Brandenburg
- Umweltverbände kritisieren niedrige Recyclingquote und fordern Müllgebühr nach Gewicht
- Bundesregierung plant offenbar Biotonnenpflicht für Gewerbebetriebe
Eigentlich ist es ganz einfach: Der alte Pappkarton kommt in die Papiermülltonne, die Bananenschale in den Biomüll, die Plastikverpackung zu den Wertstoffen, das Marmeladenglas in den Container. Und der Rest? Der landet im Restmüll, beziehungsweise im Gewerbeabfall, wie die Restmülltonnen für Unternehmen heißen.
Was auf dem Papier so einfach erscheint, sieht beim Berliner Müll in der Realität allerdings oft anders aus. Janine Korduan ist Referentin für Kreislaufwirtschaft beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Regelmäßig schaut sie in Berlin in die großen schwarzen Gewerbemülltonnen und wird fündig: "Plastik, Aluminium, Papier, Einwegbecher, Verpackungen, Strohhalme - nichts davon gehört in die Müllverbrennung!", mokiert sich die Müll-Expertin.
Recycling first, Verbrennung second
Denn im Gegensatz zu Papier- und Plastikmüll wird der gemischte Restmüll in aller Regel verbrannt. Dafür wird er vor allem in Anlagen in Pankow und Reinickendorf zunächst zu Brennstoff verarbeitet: Zerkleinert, grob sortiert, getrocknet, aufbereitet und gepresst. Anschließend wird er verbrannt - zum Beispiel im Müllheizkraftwerk Ruhleben, wo auch der größte Teil des Restmülls aus den Berliner Haushalten und Kleingewerben verfeuert wird. Die Verbrennung liefert dann immerhin Fernwärme für fünf Prozent der Berliner Haushalte. Ein Teil des Berliner Restmülls landet auch in Heizkraftwerken in Brandenburg.
Eigentlich verpflichtet die Gewerbeabfallverordnung des Bundes Unternehmen dazu, ihren Müll zu trennen. Aber es gibt Schlupflöcher: Wer angibt, dass es für sein Unternehmen wirtschaftlich oder technisch nicht möglich ist, Gewerbemüll zu trennen, muss das auch nicht tun. Was genau das heißt, bleibt vage. "Da kann man sich gut rausreden", sagt BUND-Referentin Janine Korduan. So machen zahlreiche Unternehmen von der Ausnahme Gebrauch. Das bestätigt auch die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt.
Novellierung von Verordnungen geplant
"Die Realität sieht so aus, dass sehr viele richtig und gut trennen, dass aber auch sehr viele anmelden, dass es wirtschaftlich oder technisch nicht machbar ist, gewerbliche Abfälle getrennt zu halten", sagt Benjamin Bongardt, Referatsleiter für Kreislaufwirtschaft bei der Senatsverwaltung. Kontrolle sei schwierig, denn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für engmaschige Kontrollen fehlten, räumt Bongardt ein.
Er setzt auf Aufklärung und nimmt dafür auch Unternehmensverbände in die Pflicht: "Gewerbliche Erzeuger sollen genau dieselbe Message kriegen, die sich auch zu Hause kriegen, nämlich: Trenne an der Anfallstelle!"
Derzeit sitzt die Bundesregierung an einer Novellierung der Gewerbeabfallverordnung. Inhaltliches ist noch nicht bekannt - nur so viel: Es wird wohl auch über eine Pflicht zur Biotonne gesprochen, wie es sie in Berlin seit 2019 schon für Privathäuser gibt. Die BUND-Referentin Janine Korduan befürwortet das ausdrücklich: "Das ist in vielerlei Hinsicht sinnvoll, weil sich so einerseits die Restmüllmenge reduzieren ließe und andererseits mehr Biomüll verwertet werden könnte."
Wertvolle Ressourcen im Restmüll
Gewerbetreibende scheinen in Berlin allerdings nicht die einzigen Mülltrennungsmuffel zu sein. Eine Analyse des Berliner Haus- und Kleingewerbemülls aus dem Jahr 2021 zeigt das deutlich: 48 Prozent des Restmülls sind organischen Ursprungs. "Das ist sehr ärgerlich, denn Biomüll könnte eigentlich für Biogasanlagen genutzt werden", sagt Korduan. Im Restmüll sorgt er zusätzlich noch dafür, dass zum Beispiel das darin enthaltene Papier nicht mehr aussortiert werden kann. "Das sind alles wertvolle Ressourcen", so Korduan.
Denn auch aus dem Restmüll wird aussortiert, was recyclebar ist. Laut Abfallbilanz Berlin waren das im Jahr 2021 allerdings nur drei Prozent - unter anderem wegen der erwähnten Verunreinigungen durch enthaltene Bioabfälle. Was in der Papiertonne landete, wurde dagegen zu 99 Prozent wiederverwertet.
Überhaupt beträgt die Recyclingquote des Berliner Gesamtmülls nur etwa 30 Prozent. 70 Prozent der Abfälle landen im Restmüll und werden verbrannt.
Um die Recyclingquote zu erhöhen, wünscht sich der BUND unter anderem ein Pay-per-waste-System: Dabei zahlen Verbraucher:innen die Müllgebühr entsprechend des Gewichts des von ihnen entsorgten Restmülls. In Berlin ist so ein System zunächst allerdings nicht in Sicht: Derzeit habe man keine entsprechenden Regelungen in Planung, teilte die BSR mit.
Energie aus Müllverbrennung gilt als "grüne Energie"
Was Umweltverbände ärgert: Die Energie, die aus der Verbrennung von Restmüll entsteht, gilt als erneuerbare, grüne Energie, obwohl dabei CO² ausgestoßen wird. Die Argumentation der Gesetzgeber: Der Müll sei ohnehin da und die Verbrennung deshalb unvermeidbar.
Nabu, BUND und andere Umweltverbände verweisen in enem gemeinsamen Positionspapier darauf, dass die Recyclingquote im Sinne des Bundesgesetzes zur Kreislaufwirtschaft deutlich erhöht werden könne. Danach soll wirklich nur das verbrannt werden, was sich nicht mehr recyclen lässt.
Am besten sei ohnehin der Müll, der gar nicht erst entsteht, sagen Benjamin Bongardt und Janine Korduan. Wenn an der Verpackung gespart werde, erübrige sich auch die Frage, in welche Tonne sie gehöre.
Sendung: rbb24 Abendschau, 16.12.2023, 19:30 Uhr