Abfallentsorgung - Berliner Unternehmen scheitern oft an der Mülltrennung

Sa 23.12.23 | 08:23 Uhr | Von Carl Winterhagen & Christina Rubarth
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Mitarbeiter trennen am 27.04.2011 auf dem Recyclinghof der Alba-Recycling GmbH am Hultschiner Damm in Berlin-Mahlsdorf Müll. (Quelle: Picture Alliance/Caro/Teich)
Video: rbb24 Abendschau | 16.12.2023 | Christina Rubarth | Bild: Picture Alliance/Caro/Teich

Was in den Mülltonnen von Berliner Unternehmen landet, wird meistens verheizt. Dabei müsste das gar nicht so sein. Wenn besser getrennt würde, könnte ein großer Teil des Gewerbemülls recycelt werden - und nicht nur der. Von C. Winterhagen & C. Rubarth

  • 70 Prozent des Berliner Haus- und Gewerbemülls in Berlin werden verbrannt - zum Teil auch in Brandenburg
  • Umweltverbände kritisieren niedrige Recyclingquote und fordern Müllgebühr nach Gewicht
  • Bundesregierung plant offenbar Biotonnenpflicht für Gewerbebetriebe

Eigentlich ist es ganz einfach: Der alte Pappkarton kommt in die Papiermülltonne, die Bananenschale in den Biomüll, die Plastikverpackung zu den Wertstoffen, das Marmeladenglas in den Container. Und der Rest? Der landet im Restmüll, beziehungsweise im Gewerbeabfall, wie die Restmülltonnen für Unternehmen heißen.

Was auf dem Papier so einfach erscheint, sieht beim Berliner Müll in der Realität allerdings oft anders aus. Janine Korduan ist Referentin für Kreislaufwirtschaft beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Regelmäßig schaut sie in Berlin in die großen schwarzen Gewerbemülltonnen und wird fündig: "Plastik, Aluminium, Papier, Einwegbecher, Verpackungen, Strohhalme - nichts davon gehört in die Müllverbrennung!", mokiert sich die Müll-Expertin.

Recycling first, Verbrennung second

Denn im Gegensatz zu Papier- und Plastikmüll wird der gemischte Restmüll in aller Regel verbrannt. Dafür wird er vor allem in Anlagen in Pankow und Reinickendorf zunächst zu Brennstoff verarbeitet: Zerkleinert, grob sortiert, getrocknet, aufbereitet und gepresst. Anschließend wird er verbrannt - zum Beispiel im Müllheizkraftwerk Ruhleben, wo auch der größte Teil des Restmülls aus den Berliner Haushalten und Kleingewerben verfeuert wird. Die Verbrennung liefert dann immerhin Fernwärme für fünf Prozent der Berliner Haushalte. Ein Teil des Berliner Restmülls landet auch in Heizkraftwerken in Brandenburg.

Eigentlich verpflichtet die Gewerbeabfallverordnung des Bundes Unternehmen dazu, ihren Müll zu trennen. Aber es gibt Schlupflöcher: Wer angibt, dass es für sein Unternehmen wirtschaftlich oder technisch nicht möglich ist, Gewerbemüll zu trennen, muss das auch nicht tun. Was genau das heißt, bleibt vage. "Da kann man sich gut rausreden", sagt BUND-Referentin Janine Korduan. So machen zahlreiche Unternehmen von der Ausnahme Gebrauch. Das bestätigt auch die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt.

Bananenschalen quellen am 24.09.2006 aus einem Mülleimer in Berlin. (Quelle: Imago Images/Ina Peek)
Bild: Imago Images/Ina Peek

Novellierung von Verordnungen geplant

"Die Realität sieht so aus, dass sehr viele richtig und gut trennen, dass aber auch sehr viele anmelden, dass es wirtschaftlich oder technisch nicht machbar ist, gewerbliche Abfälle getrennt zu halten", sagt Benjamin Bongardt, Referatsleiter für Kreislaufwirtschaft bei der Senatsverwaltung. Kontrolle sei schwierig, denn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für engmaschige Kontrollen fehlten, räumt Bongardt ein.

Er setzt auf Aufklärung und nimmt dafür auch Unternehmensverbände in die Pflicht: "Gewerbliche Erzeuger sollen genau dieselbe Message kriegen, die sich auch zu Hause kriegen, nämlich: Trenne an der Anfallstelle!"

Derzeit sitzt die Bundesregierung an einer Novellierung der Gewerbeabfallverordnung. Inhaltliches ist noch nicht bekannt - nur so viel: Es wird wohl auch über eine Pflicht zur Biotonne gesprochen, wie es sie in Berlin seit 2019 schon für Privathäuser gibt. Die BUND-Referentin Janine Korduan befürwortet das ausdrücklich: "Das ist in vielerlei Hinsicht sinnvoll, weil sich so einerseits die Restmüllmenge reduzieren ließe und andererseits mehr Biomüll verwertet werden könnte."

Wertvolle Ressourcen im Restmüll

Gewerbetreibende scheinen in Berlin allerdings nicht die einzigen Mülltrennungsmuffel zu sein. Eine Analyse des Berliner Haus- und Kleingewerbemülls aus dem Jahr 2021 zeigt das deutlich: 48 Prozent des Restmülls sind organischen Ursprungs. "Das ist sehr ärgerlich, denn Biomüll könnte eigentlich für Biogasanlagen genutzt werden", sagt Korduan. Im Restmüll sorgt er zusätzlich noch dafür, dass zum Beispiel das darin enthaltene Papier nicht mehr aussortiert werden kann. "Das sind alles wertvolle Ressourcen", so Korduan.

Denn auch aus dem Restmüll wird aussortiert, was recyclebar ist. Laut Abfallbilanz Berlin waren das im Jahr 2021 allerdings nur drei Prozent - unter anderem wegen der erwähnten Verunreinigungen durch enthaltene Bioabfälle. Was in der Papiertonne landete, wurde dagegen zu 99 Prozent wiederverwertet.

Überhaupt beträgt die Recyclingquote des Berliner Gesamtmülls nur etwa 30 Prozent. 70 Prozent der Abfälle landen im Restmüll und werden verbrannt.

Um die Recyclingquote zu erhöhen, wünscht sich der BUND unter anderem ein Pay-per-waste-System: Dabei zahlen Verbraucher:innen die Müllgebühr entsprechend des Gewichts des von ihnen entsorgten Restmülls. In Berlin ist so ein System zunächst allerdings nicht in Sicht: Derzeit habe man keine entsprechenden Regelungen in Planung, teilte die BSR mit.

Energie aus Müllverbrennung gilt als "grüne Energie"

Was Umweltverbände ärgert: Die Energie, die aus der Verbrennung von Restmüll entsteht, gilt als erneuerbare, grüne Energie, obwohl dabei CO² ausgestoßen wird. Die Argumentation der Gesetzgeber: Der Müll sei ohnehin da und die Verbrennung deshalb unvermeidbar.

Nabu, BUND und andere Umweltverbände verweisen in enem gemeinsamen Positionspapier darauf, dass die Recyclingquote im Sinne des Bundesgesetzes zur Kreislaufwirtschaft deutlich erhöht werden könne. Danach soll wirklich nur das verbrannt werden, was sich nicht mehr recyclen lässt.

Am besten sei ohnehin der Müll, der gar nicht erst entsteht, sagen Benjamin Bongardt und Janine Korduan. Wenn an der Verpackung gespart werde, erübrige sich auch die Frage, in welche Tonne sie gehöre.

Sendung: rbb24 Abendschau, 16.12.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Carl Winterhagen & Christina Rubarth

35 Kommentare

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  1. 35.

    Das tolle ist, dass wenn Unternehmen für getrennten Müll etwas Geld bekämen, dann würden wir dort binnen kürzester Zeit Recyclingquoten erreichen, die dem technisch bzw. menschlich maximal möglichen entsprächen … Jede Wette ... Jede … Beim Altpapier/Karton klappt das doch (offensichtlich schon weitgehend).

  2. 34.

    Würde mich nicht wundern, wenn ein Großteil dieser Müllsortiertechnologie in Deutschland entwickelt wird aber hier kaum zum Einsatz kommt, weil wir ja Export- und Technologieweltmeister sein wollen und das allen anderen nur nicht uns selbst zeigen müssen.
    Allerdings sind wir eben auch ein Technologieführer in der Verpackungsindustrie. Das muss ja verkauft werden. Hängen schließlich Arbeitsplätze und "Wertschöpfung" dran.

  3. 33.

    Wenn man sich die Zahlen für das tatsächlich erfolgte Recycling der (sog.)Wertstoffe ansieht, erahnt man, wie weit D von höheren Werten (ledigl. bei Papier & Pappen; um 90%)entfernt ist. Es wird immer von einem hochentwickelten Industrieland gesprochen. Aber mit dem Blick auf die veröffentl. Zahlen, ist man eher geneigt, das Gegenteil anzunehmen. Dabei kann man heute Materialscans mit diversen Lichtzusammensetzungen einsetzen u. verfügt über sonst. Möglichkeiten der Fraktionierung. Dennoch kehrt sich bei Glas, Metall u. Plasten das Verhältnis von Papier und Pappe vollstänig um. Also sehr viel Luft nach oben. Gut, dass man E-Geräte zurückgeben kann.
    Daher plädiere ich dafür, Plaste u. Folienumhüllungen soweit wie mögl.zu reduzieren. Mein Obst wird z.B. in einer stabilen Papierschale m. Papphenkel angeboten. Das wünscht man sich für mehr Artikel. Bei mir gibt's wie bei der Userin@30 nur Glas u.ggfs Porzellan im Haushalt, lässt sich einfach hygienischer reinigen, ansonsten kaum Plaste!

  4. 32.

    Bei uns in der SIS Schule gibt es mit Mülltrennung auch ein Problem, das die Schüler verwirrt:


    Wir haben auf dem Schulhof Mülleimer. Hier müssen wir wie folgt trennen:

    Grau für Papier
    Gelb für Plastik
    Blau für Restmüll.

    Finde den Fehler.

  5. 31.

    Der "Grüne Punkt", sprich das Duale System wurde 1991 eingeführt, da hatten wird das Kabinett Kohl III mit einem Wirtschaftsminister Bangemann von der FDP, bzw. Haussmann, auch FDP.

    Aber Fakten stören ja nur wenn man gegen Grüne austeilen will, nicht wahr?

  6. 30.

    In meinem Haushalt gibt es z.B. keine Tupperdosen. Ich verwende nur Gläser, die beim Einkaufen ab und zu anfallen und wasche sie ab. Die verwende ich dann für selbstgemachte Marmelde, zur
    Aufbewahrung von Resten im
    Kühlschrank oder für Gewürze u.ä., zum
    Transportieren von Proviant für den
    Arbeitstag. Verpackungen von Fleisch eignen sich ganz hervorragend als Anzuchtschalen für Gemüse und Blumen, so spare ich Plastikmüll, weil ich den vorhandenen wiederverwende und keine neuen Schalen dafür kaufe. Größere Plastikverpackungen eignen sich sogar als Minigewächshaus. Also Augen auf!

  7. 29.

    Sie haben das Problem vollkommen richtig erkannt - die Verpackungsmittelindustrie! Der Handel bietet immer mehr, immer kleinere Verpackungen aus Plastik an - manches doppelt und dreifach. Indem ich meine Verpackungen im Supamarkt entsorge, will ich denen klarmachen, dass es zu viel Verpackungsmüll ist, was die verursachen.
    Und das mit der Hygiene stimmt ja nur zum Teil. Wozu muss Obst/Gemüse, was ne Schale hat, in Plastikschälchen verkauft werden? Nur weil es an der Kasse abgewogen werden muss? Es gab mal Kundenwaagen, wo man selbst anwiegen und das Preisetikett drucken lassen konnte.

  8. 28.

    Ihre Logik erschließ sich mir absolut nicht. Es ist für die Müllmenge komplett gleichgültig, wo sie anfällt/entsorgt wird.
    Nur weil sie Ihren Müll möglichst im Supermarkt/Discounter lassen, ist er ja nicht verschwunden, sondern muss genauso entsorgt werden, als wenn er aus ihrer persönlichen Tonne stammt. Lediglich die Logistik und die Wege des Mülls unterscheiden sich in beiden Fällen.
    Sie lösen auch mit Pfand kein Müllmengenproblem! Im Gegenteil! Pfand erfordert zusätzliche Logistik, die ihrerseits neuen Müll produziert.
    Um Müllmengen zu reduzieren, müsste man bei den Verpackungen durch die Hersteller ansetzen. Allerdings fürchte ich, dass man dort schnell mit den Hygienevorschriften für Lebensmittel in Konflikt gerät.

  9. 27.

    Das interessiert viele leider nicht. Hauptsache NIMBY! Die würden erst aufwachen, wenn ihnen der Müll vor ihre eigene Türe geschüttet wird.
    Ich lasse Verpackungen wenns geht schon im Supamarkt und der Rest wird getrennt.
    Manchmal denke ich, bei den faulen Säcken würde nur helfen, wenn überall Pfand drauf ist.

  10. 26.

    Unser System der Mülltrennung ist auch ziemlich altbackend. Die ganze Woche fahren diverse LKW durch die Straßen und sammeln den Inhalt der jeweiligen Tonnen ein. Heute wäre es technisch möglich, alles mit einer Tonne zu entsorgen, ausser Papier. Moderne Sortieranlagen übernehmen dann das Sortieren. Aber der Müll ist natürlich ein super Geschäft. Ganz zu schweigen davon, das darauf geachtet wird, daß Müll erst gar nicht entsteht.

  11. 25.

    Ich glaube das hier viele Leute denken, wir verbrennen den Müll,erzeugen so noch ein paar KW fürs Ferwärmenetz und gut ist. Das dabei aber auch täglich hunderte Tonnen Schlacke, was im übrigen Sondermüll ist, anfallen, und diese auch noch auf die Deponien nach Brandenburg transportiert wird. Und diese Deponien auch ständig erweitert werden müssen was auch alles unmengen an Geld kostet, ich glaube das ist alles nicht bekannt... einfach mal aufm Satellitenbild Schwanebeck, Deetz, Vorketzin, Schöneiche.... etc. anschauen....

  12. 23.

    Deutschland ist das Land mit dem meisten Plastikverpackungsmüll!! Wie wäre es denn erschwingliche Lebensmittel ohne oder mit kaum Verpackungsmüll zu verkaufen?? Da braucht man dann auch nicht zu trennen..

  13. 22.

    Es geht nur darum die Abzockerei mit dem Grünen Punkt weiter zu führen.
    Apropos Grün...die waren es nicht die verhindert haben.

  14. 20.

    Genau. In einer Region in DK habe ich dieses Jahr gefragt, warum nicht getrennt wird (abgesehen von Papier und Glas). Antwort: Unsere Anlage trennt das besser als die Menschen.

  15. 19.

    Metallreste aus dem Verbrannten und Schlacke kann man wunderbar verwerten, der Rest ist einfach minderwertig und zu aufwändig.
    Elektroschrott kann man selbst zur BSR fahren - aber sonst alles Aktionismus und Umerziehung. SERO war ok - Papier und Altglas. Der Rest Metall kann aus der Asche geborgen werden.
    Außerdem gibt es bei Verbrennungsanlagen Katalysatoren die fast null Schadstoffe rauslassen. Sollte eigentlich seit 30 Jahren bekannt sein.
    Der Aufwand steht meiner Meinung nach zu keinem Nutzen.

  16. 18.

    Wenn es mehr Müll wäre, stimmt die Aussage nach mehr Technik und Personal. Jedoch geht es um eine bessere Trennung der bereits vorhandenen Mengen. Somit um eine Umverteilung der vorhandenen personellen und technischen Ressourcen. Und dafür sind Technik und Personal schon da. Es werden dann nicht drei Tonnen Restmüll und eine halbe Biomüll ab sondern z.B. 2x Rest- und 2x Biomüll abgeholt.
    Die Biogasanalge der BSR hat auch noch Kapazitäten frei.... Dazu gab es vor einiger Zeit hier einen Artikel.

  17. 17.

    Bei mir gibt es seit Jahrzehnten nur eine Tonne zur Entsorgung. Reicht für alles völlig aus.

  18. 16.

    Hallo Usergemeinde,
    Googelt mal nach "vollautomatische Mülltrennung".
    Der Artikel ist zwanzig Jahre alt und zeigt was möglich ist und fragt euch dann wer dafür verantwortlich ist dass das nie eingeführt wurde.
    Frohes Fest

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