Viele Termine, weite Strecken - Immer weniger Tierärzte wollen aufs Land

Fr 12.07.24 | 06:18 Uhr | Von Andreas König
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Tierarzt untersucht eine Stute im Mundraum (Quelle: IMAGO / Funke Foto Services)
Audio: Antenne Brandenburg | 13.07.2024 | Bild: IMAGO / Funke Foto Services

Die Zahl der Landtierärzte geht seit Jahren zurück, Praxen schließen. Lange Arbeitszeiten und weite Wege sind für viele Nachwuchstierärzte unattraktiv. Sie arbeiten lieber in der Stadt, auf dem Amt oder in der Wirtschaft. Von Andreas König

Impfungen für Kälber und Trächtigkeitsuntersuchung bei Mutterkühen – allein 20 Milchviehbetriebe mit im Durchschnitt jeweils 600 Tieren betreut Michael Kreher. Zweimal wöchentlich ist der Fachtierarzt für Rinder und Pferde auf jedem der Höfe. Die Arbeit teilt sich der Brandenburger mit vier Kollegen. 40 Visiten, allein die sind ein wochenfüllendes Programm.

Rinder sind nicht die einzigen Nutztiere, um die sich der Tierarzt kümmert. Auch Pferde, Ziegen, Schafe und Schweine aus umliegenden Zucht- und Agrarbetrieben wollen untersucht, behandelt oder geimpft werden. "Die Arbeitstage beginnen in der Regel um 7 Uhr und sind eng getaktet", sagt Michael Kreher. "Wenn dann gleich am Morgen ein Notfall reinkommt, dann sorgt das für Stress. Schaffe ich den verabredeten Termin, wo in der Regel Tiere für Untersuchungen und Behandlungen vorbereitet sind, oder muss ich den absagen? Und was ist, wenn ich den Notfall nicht versorgen kann?"

10 Stunden-Tage sind die Regel

In der Regel dauern solche Tage zehn Stunden, manchmal auch länger. Dazu kommen die Fahrtstrecken von Hof zu Hof, die summieren sich nicht selten auf 300 Kilometer sowie die zunehmende Bürokratie, sprich Abrechnung und Dokumentation der Behandlungen, so Kreher.

Lange Arbeitszeiten, hohe Arbeitsbelastung, eine kaum angemessene Bezahlung, berücksichtigt man hier auch das lange, anspruchsvolle Studium und die anschließende Spezialisierung. Dazu kommen noch Notdienste, die abgesichert werden müssen, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Besonders auf dem Land, wo es mehr um die großen Tiere geht im Stall oder auf der Weide und weniger um Hunde, Katzen oder Meerschweinchen, verliert der Traumberuf an Attraktivität.

"Der Doktor und das liebe Vieh" als Idyll gibt es nicht mehr

Besonders in den ländlichen Regionen geht die Zahl der Tierarztpraxen zurück. Angesichts der Belastungen scheuen hier immer mehr Veterinäre den Gang in die Selbstständigkeit und lassen sich lieber anstellen. Laut der Statistik der Bundestierärztekammer gab es 2019 deutschlandweit noch 12.019 niedergelassene Tierärzte – also Inhaber einer Einzel- oder Gemeinschaftspraxis.

2023 waren es nur noch 11.437. Ein Rückgang um rund 5 Prozent. Dagegen stieg die Zahl der in Praxen angestellten Veterinäre im gleichen Zeitraum von 9.701 auf 11.686, also um gut 20 Prozent. Zu diesen Ärztinnen und Ärzten, die Mehrzahl ist weiblich, kommen noch einmal mehr als 8.700 Veterinäre, die nicht direkt "am Tier" arbeiten, wie es im Fachjargon heißt.

Sie sind in Ämtern tätig, in Instituten oder in der Wirtschaft, wie in der Fleisch-, Lebensmittel- oder der Pharmaindustrie – Tendenz steigend. Für viele Absolventen ist ein gut bezahlter Job in der Verwaltung, der Wirtschaft oder einer gut gehenden Kleintierpraxis in der Stadt attraktiver als in einer Praxis auf dem Land zu arbeiten. Zwar habe sich durch die seit Ende 2022 geltende neue Gebührenordnung die Einkommenssituation verbessert, sagt Tierarzt Kreher, doch gebe es seither auch mehr Diskussionen mit einigen Tierhaltern, da diese jetzt mehr bezahlen müssen für die Behandlungen.

In Krehers Nachbarschaft, in Oberspreewald-Lausitz versucht der Landkreis, mit einem Stipendium junge Veterinäre anzulocken. 500 Euro pro Monat können Studierende erhalten, wenn sie sich verpflichten, nach ihrem Abschluss mindestens fünf Jahre in der Region zu arbeiten.

Tierärztliche Zentren statt Einzelpraxen – ein Trend in ländlichen Regionen

Michael Kreher ist Tierarzt in dritter Generation und zudem Vorsitzender des Landesverbandes praktizierender Tierärzte in Brandenburg. Vor 21 Jahren ist er in die Praxis seines Vaters eingestiegen und hat sie seither zusammen mit einem Partner zu einer Gemeinschaftspraxis ausgebaut mit drei Standorten im Süden Brandenburgs: in Bad Liebenwerda, Falkenberg und Luckenwalde.

40 Angestellte arbeiten hier, darunter sind 14 Tierärztinnen und vier Tierärzte. In solchen Zentren sieht Michael Kreher einen Trend für die Zukunft der tierärztlichen Versorgung auf dem Lande. Die sei aus seiner Sicht mit der geringer werdenden Zahl an Einzelpraxen kaum mehr zu gewährleisten, besonders was die Bereitschaften rund um die Uhr betrifft.

"Es ist oft so, dass die Notdienste an den Praxisinhabern hängenblieben. Bei uns ist aktuell auch Personalmangel, eine Kollegin ist krank und eine im Urlaub, da ist die Situation schon angespannt und man kommt dann schon mal auf 65 Arbeitsstunden in der Woche." Was die Abdeckung der Notdienste in der Nacht und an den Wochenenden betrifft, probiert die Landestierärztekammer in Brandenburg seit Anfang dieses Jahres ein neues Modell aus, das in Schleswig-Holstein bereits gängige Praxis ist und zunächst für Kleintiere gilt.

Über eine zentrale Hotline werden die Tierhalter direkt mit der diensthabenden Praxis verbunden, was den Aufwand und die Zahl unnötiger Telefonate verringern soll. Für Michael Kreher ein Schritt in die richtige Richtung.

Tierarzt ein Traumjob für jemand mit Nehmerqualitäten

Was sein Personalproblem betrifft, da will Michael Kreher zwei neue Veterinäre einstellen, um sein Team zu verstärken. Sei einem halben Jahr sucht er bereits und hofft jetzt die beiden richtigen gefunden zu haben. Trotz aller Schwierigkeiten, er brenne für seinen Beruf, betont Kreher.

"Meine Tochter ist 14 und die will auch Tierärztin werden, ich kann ihr das schon empfehlen", sagt der 47-jährige. "Aber nur wenn sie das auch möchte, da muss sie auch eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen. Das fängt schon beim Studium an, kaum Ferien, ein irres Pensum und dann der Zwiespalt zwischen Tierschutz, den Bedürfnissen der Tierhalter und der Erkrankung des Tieres. Das in Einklang zu bringen mit Familie und Freizeit, ist nicht einfach."

Hoffnung für die Zukunft macht dem Tierarzt auch seine derzeitige Praktikantin Marie-Luise Lehmann. Wenn alles planmäßig läuft, wird die 27-Jährige im nächsten Jahr ihr Studium als Veterinärmedizinerin abschließen. Sie ist in einem brandenburgischen Dorf aufgewachsen, mit dem Landleben vertraut und will sich dann auf die Behandlung von Rindern und Pferden spezialisieren.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.07.2024, 16:15 Uhr

Beitrag von Andreas König

7 Kommentare

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  1. 7.

    Wo soll das denn sein? Womit fährt man, wenn es ein paar Stunden dauert? Bahn, ja dann!

  2. 6.

    Immer weniger Tierärzte wollen aufs Land

    Wie bei den Humanmedizinern

  3. 5.

    Ich finde es auch schön, dass Cannabis legalisiert worden ist…

  4. 4.

    Hiermit sind nicht die „Speckgürtel“ der größeren Städte gemeint, sondern solche Gegenden in denen es gerne mal ein paar Stunde in Kilometer mehr dauert bis man in einer größeren Stadt ist.

  5. 3.

    Woher haben Sie denn diese Weisheit ???
    Zigtausende Menschen ziehen seit Jahrzehnten aufs Land.
    Großstädte verlieren seit Jahren, viele Einwohnerinnen/Einwohner ans ländlich geprägte Umland, Viele Grüße.
    Ländliche Regionen boomen - da die Städte überfüllt und überteuert sind.

  6. 2.

    Immer weniger Menschen wollen aufs Land.

  7. 1.

    Darum ja auch bald die Forderungen auf den begrünten Dächern neben den Bienen und Hummeln auch Schweine, Schafe und Kühe - so sind sie vor dem echten grauen Wolf geschützt, der ja millionenfach wütet, und der Weg aus Prenzl.berg ist nicht so weit - daher sind auch die Flugtaxis dringend in Berlin zu genehmigen usw. usw.

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