Bildungsprojekt - Das "PolenMobil" bringt Schülern in Berlin und Brandenburg die Nachbarn näher

So 18.02.24 | 17:08 Uhr | Von Agnieszka Hreczuk
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Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, Spandau. (Quelle: rbb)
Video: rbb|24 | 27.02.2024 | Material: Kowalski & Schmidt | Bild: rbb

Wie sagt man Hallo auf Polnisch und was ist das eigentlich für ein Land auf der anderen Seite der Oder? Für viele Deutsche ist Polen ein weißer Fleck auf der Landkarte. Das "PolenMobil" hilft, bei Schülern Neugier auf die Nachbarn zu wecken. Von Agnieszka Hreczuk

"Cześć! Mam na imię Natalia", also "Hallo! Ich heiße Natalia", spricht Natalia Mariankowska den 30 Neuntklässlern des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums in Berlin-Spandau vor. Die sitzen zusammen in einem Schulkreis und versuchen nun, das schwierige polnische "Hallo" mit zwei Zischlauten nachzusprechen. Nach ein paar Versuchen klappt es schon ganz gut.

Mariankowska und ihr Kollege Sebastian Borchers arbeiten für das Projekt "PolenMobil". Mit Unterrichtsbesuchen bringen sie deutschen Schülern das Nachbarland Polen näher. Ein Schnupperkurs in 180 Minuten: Ein paar Brocken Polnisch, beliebte Speisen, bekannte Personen, ein bisschen gemeinsame Geschichte und Kultur.

Das Projekt wurde 2015 vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt und von der Stiftung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit (SdpZ) gestartet, in Kooperation mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Brandenburg [dpg-brandenburg.de] und dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk [dpjw.de]. Für die Schulen ist der Besuch des "PolenMobil" kostenlos. Finanziert wird es von deutschen NGOs und dem Auswärtigen Amt, auch das Land Brandenburg fördert das Projekt aus Lottomitteln. Denn aus Brandenburg kommen die meisten Anfragen.

Deutsch-Polnische Begehkarte - Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, Spandau. (Quelle: rbb)
Zu Fuß prägt sichs besser ein als nur mit dem Schulatlas: das "PolenMobil"-Team bringt unter anderem eine "deutsch-polnische Begehkarte" mit. | Bild: rbb

"Ich wusste gar nicht, dass es so schnell geht"

"Ich dachte, Polnisch ist schwierig - aber nach drei Stunden kann ich mich auf Polnisch vorstellen und fragen, wie es jemandem geht", erzählt Tala aus der 9C und wirkt dabei begeistert. "Ich wusste gar nicht, dass es so schnell geht." Ein Bewegungsspiel namens "Obstsalat" ist heute der Hit. "Sie sind so auf die Bewegung und das Spiel konzentriert, dass sie oft gar nicht merken, dass sie dabei erste einfache Gespräche auf Polnisch führen", sagt Sebastian Borchers über die Schülerinnen und Schüler.

Die wirken bei dem Besuch immer wieder überrascht, als sie erfahren, wie viele ihrer Idole polnische Wurzeln haben - nicht nur die Fußballer Lewandowski und Podolski, sondern zum Beispiel auch der Sänger Mark Forster. Nach 180 Minuten ununterbrochenem Reden hat Sebastian Borchers kaum noch Stimme. Trotzdem liebt er den Job, wie er sagt: "Es macht mir einfach Spaß. Und es ist wichtig, dass wir den Deutschen Polen etwas näher bringen." Den Jugendlichen und ihren Lehrern.

Sebastain Borchers, Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, Spandau. (Quelle: rbb)
Nach gut drei Stunden kaum noch Stimme: Der "PolenMobil"-Mitarbeiter Sebastian Borchers. | Bild: rbb

Der unbekannte Nachbar

Nach den Ergebnissen des Polen-Deutschland-Barometers, einer jährlichen Untersuchung des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, hat nur jeder dritte befragte Deutsche in seinem Leben schon einmal Polen besucht. Etwas höher sind die Werte in den grenznahen Bundesländern - hier war die Hälfte der befragten Einwohner schon mehrmals in Polen. Viele fahren sogar mehrmals im Monat über die Grenze - die meisten allerdings nur auf den polnischen Markt, zum Friseur oder an die Tankstelle.

Das gilt auch für junge Deutsche: In der Schule können sie im Sprachunterricht etwas über Frankreich, Spanien oder Großbritannien lernen. Polnisch wird nur an wenigen Schulen gelehrt: Derzeit lernen rund 4.000 Jugendliche in Brandenburg und Berlin Polnisch - doppelt so viele wie vor zehn Jahren, aber immer noch vergleichbar wenig. Das "PolenMobil" schlägt mit seinen Einsätzen eine Brücke.

Auch die dunklen Kapitel werden aufgeschlagen

Auch schwierige Themen werden im Schnupperkurs behandelt. Vollkommen still ist es, als Sebastian Borchers Fotos des von der Wehrmacht zerstörten Warschau zeigt. "Über den Krieg lernen wir erst in der 10. Klasse, aber natürlich wissen wir schon etwas über diese Zeit. Aber dass es einen Aufstand im Warschauer Ghetto und einen Warschauer Aufstand gab, das war neu. Jetzt kann ich das gut unterscheiden", sagt der Schüler Gustav nach dem Besuch.

"Jeder, der in Deutschland lebt, muss wissen, was die deutsch-polnischen Beziehungen prägt", sagt Olaf Perlwitz, Fachleiter für Geschichte und Politik am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium. Und da gehörten diese dunklen Kapitel genauso dazu wie die freundschaftlichen Beziehungen heute.

Organisatoren berichten von steigender Nachfrage

2023 waren laut den Veranstaltern zwei "PolenMobil"-Teams unterwegs, zu insgesamt 201 Einsätzen in Schulen [poleninderschule.de]. Einigen hätten sie absagen müssen, weil es an Kapazität fehlte, erzählt der Projektleiter, Christof Schimsheimer. Schulen buchen den Besuch des Mobils schon mehrere Monate im Voraus - die meisten mehrmals. "Das 'PolenMobil' ist in den vergangenen Jahren zu einer Marke mit steigendem Bekanntheitsgrad geworden", sagt Schimsheimer.

Eingeladen wird es vor allem von Schulen, die Polnisch als Fremdsprache einführen wollen - als Vorgeschmack oder vor einem geplanten Schüleraustausch, damit sich die Jugendlichen auf das Treffen mit Gleichaltrigen einstellen können. Den organisiert auch das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium jedes Jahr, mit einer Partnerschule in Wroclaw [steingymnasium.de]. Aber es fragen auch Schulen an, in denen das Thema Polen bisher kaum oder gar nicht vorkommt - das "PolenMobil" versucht dann, daran etwas zu ändern.

"Do widzenia" verabschiedet sich die Schülerin Tala nach den gut drei Stunden auf Polnisch. Für sie und ihre Klassenkameraden ist Polen heute ein Stück näher gerückt.

Beitrag von Agnieszka Hreczuk

6 Kommentare

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  1. 6.

    Als wären früher alle auf Klassenfahrt ins Ausland gegangen.....

  2. 4.

    Was ist das nur für ein Schulsystem, welches auf das Mittel "PolenMobil" angewiesen ist? Und wärst mal mit 'ner Klassenfahrt nach Polen, mit all seinen informativen Erfahrungen vor Ort?

  3. 3.

    Wir machen jedes Jahr Urlaub in Polen. Ostsee, Tatra... Kann ich jedem nur empfehlen. Auch ohne Sprachkenntnisse. Im Notfall kommt man mit Englisch weiter.

  4. 2.

    Gute Sache. So wie das France Mobiles seit Jahrzehnten?

  5. 1.

    So ein tolles und wichtiges Projekt!

    Ich würde mir wünschen, dass in allen Gruhdschulen die Basics von Sprache und Kultur des jeweils nächsten Nachbarn und Besuche dort zum Standard gehören.

    Es gibt einige Grenzstädte/-regionen, die das bereits toll machen. Aber viel zu wenig. Wirklich schön mit dem Polen-Mobil hier ein schulübergreifendes Lernangebot zu schaffen.

    Ganz viel Erfolg!

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