Schiffshebewerk Niederfinow - Bundesrechnungshof: Verkehrsministerium missachtete Haushaltsrecht
Der Bundesrechnungshof wirft dem Bundesverkehrsministerium vor, dass für den Neubau des Schiffshebewerks Niederfinow eine Nachzahlung von 107 Millionen Euro ohne entsprechende Prüfung vereinbart wurde. Das Ministerium fürchtete eine "Bauruine". Von René Althammer und Torsten Mandalka
Der Bundesrechnungshof (BRH) hat die Prüfung der Kostenentwicklung für den Neubau des Schiffshebewerks Niederfinow abgeschlossen. Anfang März hatte der rbb berichtet, dass für den Neubau möglicherweise bis zu 107 Millionen Euro zu viel an die zuständigen Bauunternehmen gezahlt wurde. Inzwischen hat das Bundesverkehrsministerium reagiert und die Vorwürfe zurückgewiesen. Der BRH bleibt jedoch bei seiner Einschätzung, dass die Zahlung des Betrags willkürlich gewesen sei.
Neues Schiffshebewerk dreimal so teuer wie das alte Bauwerk
Das alte Schiffshebewerk – mittlerweile ein geschichtsträchtiges Bauwerk, das neben dem jetzt errichteten neuen Hebewerk steht – wurde 1934 nach 7 Jahren Bauzeit in Betrieb genommen. Die Kosten beliefen sich damals auf 27,5 Millionen Reichsmark – nach heutigen "Preisen" wären das ungefähr 135 Millionen Euro. Doch so preiswert war der Neubau nicht zu haben: 2008 in Auftrag gegeben, sollte er ursprünglich mal 208,6 Millionen Euro kosten. Am Ende waren es dann jedoch 391,6 Millionen Euro. Und statt der geplanten 5 Jahre waren es dann gut 14 Jahre Bauzeit.
Befürchtung einer Bauruine
Die beteiligten Unternehmen hatten ursprünglich noch weit mehr als 391,6 Millionen Euro gefordert. Das Bundesverkehrsministerium geht deshalb davon aus, dass das Ergebnis der Verhandlungen mit den Bauunternehmen "zweckmäßig und wirtschaftlich" sei. Andernfalls wäre es mit "großer Wahrscheinlichkeit zu weiteren Klagen und Gegenklagen", zu "jahrelangen Prozessen" gekommen. Die Entscheider im Ministerium hielten jedoch ein "vollständiges Scheitern des Bauprojektes" nach langen Jahren des Streits mit den Auftragnehmern für ein nicht hinnehmbares konkretes Szenario. Den Ausweg sah man in einem "außergerichtlichen Vergleich".
Gegen den Rat der eigenen Fachleute
Ob jedoch die Forderungen der Bauunternehmen überhaupt berechtigt waren, daran scheint es bei den Experten Zweifel gegeben zu haben. Zum Beispiel beim "juristischen Berater", den das Ministerium gleich zu Baubeginn engagiert hatte, um das Wasserstraßen-Neubauamt bei der vertraglichen Abwicklung des Projektes Schiffshebewerk zu unterstützen. Nachdem die Streitigkeiten zwischen dem Wasserstraßen-Neubauamt und den Auftragnehmern eskalierten, schaltete sich die übergeordnete Behörde ein, die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt. Deren Handeln ist nur schwer nachvollziehbar, denn laut BRH schlug die Generaldirektion dem Ministerium vor, den Auftragnehmern 65 Millionen Euro als Vergleich anzubieten, ohne "die strittigen Sachverhalte oder die Rechtslage zu prüfen".
Der seit Baubeginn tätige juristische Berater lehnte es jedoch ab, "diesen Vergleichsentwurf als zweckmäßig und wirtschaftlich einzustufen", was nach Haushaltsrecht notwendig gewesen wäre. Doch im Ministerium ging die Angst vor einer "jahrzehntelangen Bauruine" um. "Belastbare Nachweise für seine Befürchtungen" legte das Ministerium indes nicht vor, so die Rechnungshofprüfer
Fazit der Prüfer: Vergleich hätte so nicht geschlossen werden dürfen
Am Ende schloss der Bund im März 2022 dann "einen Vergleich zur endgültigen Fertigstellung des Schiffhebewerks mit einer pauschalierten Endabrechnungssumme von 391,6 Mio. Euro". In dieser Summe sind die 107 Millionen Euro enthalten, von denen der BRH sagt, dass nie geprüft wurde, ob der Anspruch berechtigt sei. "Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Einschätzung, dass das BMDV den Vergleich nicht schließen durfte. Die Voraussetzungen für den Abschluss eines Vergleiches konnte das BMDV nicht nachweisen. Sowohl das Neubauamt als auch der juristische Berater hatten festgestellt, dass die Nachträge weder der Sache noch der Höhe nach gerechtfertigt waren. Deshalb hatte auch der juristische Berater davon abgeraten, einen Vergleich zu schließen." Und weiter: "Das BMDV verkennt noch immer, dass es den Vergleich so nicht hätte abschließen dürfen." Außerdem müsse das Ministerium "prüfen, ob es sich von dem Vergleich lösen kann".
Noch deutlicher kann man es nicht ausdrücken, dass hier mehr als 107 Millionen Euro den "Kanal" runtergespült wurden.
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