Anbau auf Brandenburger Feldern - Wie schädlich ist Spargelfolie - und wie nützlich?

Do 13.04.23 | 06:20 Uhr | Von Kira Pieper
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Auf dem Feld eines Spargelhofes wächst Spargel. (Quelle: dpa/Friso Gentsch)
Audio: rbb24 Inforadio | 13.04.2023 | Franziska Tenner | Bild: dpa/Friso Gentsch

Spargelfelder in Plastik verpackt: Wie nachhaltig kann das sein? Naturschützer kritisieren Kunststoffe in der Landwirtschaft, weil es die Artenvielfalt gefährdet. Spargelbauern verteidigen ihre Anbautechnik und betonen die Vorteile. Von Kira Pieper

  • Landwirte sind der Ansicht: Es gibt keine gute Alternative zum Anbau von Spargel unter Folie
  • Natürschützer kritisieren die Folienwüsten auf den Feldern, weil so die Felder als Lebensraum für Tiere und Pflanzen entwertet werden
  • Beide Seiten kritisieren: Der Verbraucher verlangt weißen und erschwinglichen Spargel, die Produktion reagiert darauf

Schwarz-weiße Plastikfolie, soweit das Auge reicht: So sieht es derzeit auf vielen Brandenburger Feldern aus. Darunter: Spargel. "Es gibt keine Alternative zur Spargelfolie", sagt Fred Eickhorst, Vorstandssprecher der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer, auf Nachfrage von rbb|24. Egal ob Peru, Griechenland oder Deutschland: Weltweit werde der weiße Spargel unter Folie angebaut.

Die Kunststoffbedeckung hat viele Vorteile: Zum einen verhindert sie die direkte Sonneneinstrahlung. Zum anderen lässt sich die Temperatur im Spargeldamm regulieren und die Ernte damit auch. Scheint die Sonne und ist es warm, wird die Folie auf Weiß gedreht. So werden die Sonnenstrahlen reflektiert und die Dämme erwärmen sich langsamer. Scheint wenig Sonne, werden die Folien auf Schwarz gedreht. Die Sonnenstrahlen werden so besser eingefangen und die Tunnel erwärmen sich schneller.

Grafik zu den beiden Seiten der Spargelfolie.(Quelle:rbb)
| Bild: rbb

Große Ernteverluste ohne Folie

Vor 30 Jahren, als die zweifarbige Folie noch nicht eingesetzt wurde, war es anders: "Wenn es damals nachts geregnet hat, konnte man am nächsten Tag nur noch zehn Prozent ernten. Das war dramatisch", sagt Eickhorst. Zudem mussten die Landwirte morgens um 4:30 Uhr aufs Feld, um den Spargel rechtzeitig zu stechen, bevor er sich im Licht verfärbte. Und abends noch mal, damit es an den nachgewachsenen Stangen nicht so viel Verfärbungen gab.

Seit es die Folie gebe, sei es einfacher, sagt Eickhorst. Wenn es jetzt länger regne, sei der Ernteverlust nicht so dramatisch. "Die Folie hat einfach so viele Vorteile: Der Spargel ist qualitativ besser, verholzt weniger und ist weniger bitter." Und: Durch die Folie müssten keine Pestizide gespritzt werden: Es entstehe kein Unkraut und Schädlinge wie die Bohnenfliege müssten nun nicht mehr chemisch bekämpft werden.

Nabu: Beschänkter Lebensraum durch Folie

Ein Argument, das Naturschützer aufhorchen lässt. Sie bezeichnen den großflächigen Spargelanbau unter Folie als hochproblematisch für Natur und Umwelt.

Wenn keine Insekten da seien, fehle Nahrung für andere Tiere, sagt Julia Ehritt, Naturschutzreferentin beim Naturschutzbund (Nabu) auf Nachfrage von rbb|24. Hinzu komme, dass Bodenbrüter auf den "Folienwüsten" nicht brüten könnten. "Die eingesetzte Plastikfolie entwertet die Felder damit großflächig als Lebensraum." Man könne die Felder auch ökologischer von Unkraut freihalten, zum Beispiel mit Hilfe von Holzschnitzeln.

Landwirt: Viel Leben unter schwarzer Folie

"Das ist Quatsch", sagt Spargelexperte Fred Eickhorst. Die Holzschnitzel würden dann auf dem Feld liegenbleiben, der Spargel müsste in der nächsten Saison um die Schnitzel herumwachsen. Das Ergebnis: krumme Stangen. Zudem sei die Ernte für die Erntehelfenden dann komplizierter.

Dass unter der Kunststoffplane kein Leben sei, so Eickhorst, sei ein Vorurteil: Unter der schwarzen Folie sei der Boden besonders warm und feucht, deswegen seien hier viele Insekten im Boden. "Wenn Sie sich mal die Ruhe nehmen und auf ein Spargelfeld stellen, werden Sie beobachten, dass die Vögel die Insekten unter der Folie herauspicken."

Nabu-Naturschutzreferentin Julia Ehritt sagt, sie glaube nicht an die tierfreundliche Folie: Amphibien und Mäuse könnten unter der Plane ersticken, andere Tiere könnten Plastikteilchen verschlucken, erklärt sie. Zudem verwittere die Spargelfolie langsam, Kunststoffteilchen können Boden, Grundwasser und Gewässer verschmutzen.

Schwarze Schafe beim Recycling

Klar, es könne mal sein, dass ein Folienstück abreiße, sagt Eickhorst. Dennoch seien die Spargelfolien extrem langlebig. "Die können acht bis zwölf Jahre verwendet werden", sagt er. Danach müssten sie recycelt werden. Das Granulat werde dann zu neuen Folien, Blumentöpfen oder Müllsäcken verarbeitet, erklärt er.

"Das Problem ist doch gar nicht, dass wir Plastik benutzen", sagt Eickhorst. "Das Problem ist, wie wir nach dem Gebrauch damit umgehen." Und beim Recycling-Thema sei sicherlich noch Luft nach oben, denn teilweise gebe es unter den Landwirten auch schwarze Schafe, die es mit dem Recycling nicht so genau nähmen.

Der Spargelbauer bleibt aber dabei: Die Folie habe einfach zu viele Vorteile, um sie nicht zu nutzen. Und der Verbraucheranspruch verlange den Folieneinsatz auch. "Der Verbraucher hat die Macht. Und der deutsche Spargelesser will nur mal am liebsten weißen Spargel. Ist er nur ein bisschen verfärbt, bleibt er im Supermarkt liegen." Zudem sei Spargel ohne Folieneinsatz seltener und werde damit wesentlich teurer.

Ein Punkt, den Nabu-Expertin Ehritt ähnlich sieht: Auch der Verbraucher sei in der Pflicht und müsse seinen Konsum und seine Nachfrage hinterfragen.

Beitrag von Kira Pieper

72 Kommentare

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  1. 72.

    Ich habe nicht verstanden, was Sie meinen.
    Ich denke, Spargel sollte nicht zur Charakterfrage hochsterilisiert werden. Er gehört zur Gruppe der Bedecktsamer, na und?

  2. 71.

    Stimmt, im ach so tollen Sozialismus gab's Spargel, wenn überhaupt, nur als unglaublich teure Bückware. Der DDR-Bürger hat schließlich mit Kartoffeln, Möhren, Rot- und Weißkohl und als Luxus auch mal Erbsen hervorragend überlebt.

  3. 70.

    Kleiner Funfact zum Spargel von den Reporter-Kollegen des NDR:
    https://www.ndr.de/ratgeber/kochen/warenkunde/Spargel-So-sehen-Kraut-und-Fruechte-aus,spargel295.html

  4. 69.

    Nix, Thema verfehlt, es gibt immer Alternativen! Nur unter dem Druck des freilaufenden eindimensionalen kapitalistischen Wirtschaftens gibts zum Status Quo in der Regel keine Alternativen.
    Es sei denn, es existiert im Kontext des Kapitalismus eine profitsteigernde Methode, die gleichzeitig das Folienproblem löst und dem Bauern noch mehr Geld in die Kasse spült.

  5. 68.

    Ja ich weiß. Und der ist auch sowas wie Goldstaub. Gibt ja auch nicht so viele Spargelpflanzen, die nach der Saison dann auswachsen und paar kleine Blüten haben.

  6. 67.

    Thema verfehlt. Lesen Sie den Bericht erstmal. Übrigens wird der Spargel auf der ganzen Welt so angebaut. Es gibt keine praktikable Alternative zur Folie. Große Gewächshäuser vielleicht. Aber so weit sind die Bauern nicht. Die Folie hält auch sehr lange.

  7. 66.
    Antwort auf [Neugieriger] vom 13.04.2023 um 19:19

    wie viel Klimaschutz und Umweltschutz Co2 Abbau sind sie bereit mit beizutragen wenn es um Ihre Verringerung persöhnlichen Vorteile geht. sie quatschen doch soviel über den Anstieg der Temperaturen und Wassermangel ( Steigende Wasser und Energiepreise)

  8. 65.

    Genau so ist es.
    Allerdings bemerkte ich fälschlicherweise, es ginge nicht um den Wurm unter der Folie.
    Das war natürlich zu kurz gegriffen, denn den bedroht gerade die Mikroplastik. Und dass es eine nicht unerhebliche Mikroplastikbelastung in der Landwirtschaft gibt, sagt uns eben die Studie des Fraunhofer Institut‘s.
    Kunststoffe sind eben Segen und Fluch zu gleich. Wie immer ist das Problem die eingesetzte Menge dieser Erdölprodukte und man hat die Folgen im Hype des „Fortschritts“ wie üblich lange nicht mitgedacht oder erfolgreich verdrängt .
    Auch Landwirtschaft macht da leider keine Ausnahme, ganz im Gegenteil.

  9. 64.

    Naja, stimmt schon. Trotzdem gibt es, kein Witz, Spargelblütenhonig.

  10. 62.

    >"Es geht bei der Artenvielfalt eher im die Bienen"
    Was bitte haben Bienen mit Spargel zu tun? Die haben ihre Freude am Spargel allenfalls nach der Saison, wenn das Spargelkraut auswächst. Und zu dieser Vegitationsphase des Spargels ist die Folie längst auf der Rolle fürs nächste Jahr. Gespritzt mit irgendwas macht dann auch kein Spargelbauer. Wozu auch. Das Spargelkraut ist nur zum Auswachsen da und verwelkt dann und wird abgeschnitten.
    Blühender Spargel, an dem sich die Bienen laben, entspringt eher ihrer Wunschvorstellung.

  11. 61.

    Es geht bei der Artenvielfalt eher im die Bienen, Vögel etc. weniger um die "Schädlinge" für den Spargel selbst. Dass das bäuerische Optimum aus Sicht der eindimensionalen Spargelbrille bei der Verwendung von Abdeckfolien liegt, ist ja nun trivial und offensichtlich.

  12. 60.

    Ich habe auch nie vermutet, das hinter Ihren nebulösen Formulierungen Cannabis steckt. Mir scheint da Doppelkorn wesentlich naheliegender.

  13. 59.

    Ich hab damit keine Probleme. Mir ist grundsätzlich grüner Spargel lieber, weil der ungeschält essbar ist, aber im Lokal esse ich gerne den weißen. Allerdings geht der Hype um den Spargel meist an mir vorbei. Ich sehe ihn ja irgendwann im Verkauf oder im Lokal.

  14. 58.

    >"Klimaveränderungen /Umweltfrevel / Plastikmüll in den Gewässern"
    Ja klar... die Spargelbauern sind für Sie also für den Untergang unserer Erde verantwortlich? Gehts noch ne Nummer größer?
    Und app Schädlichsbekämpfung: Die Folien tragen dazu bei, dies übrigens bis auf 0 zu halten. Der einzige Schädling, der dem Spargel was anhaben kann, ist ne Maus und Konkurrenzpflanzen (volkstüml. Unkraut). Falls es Ihnen schon mal aufgefallen ist: Heller Spargel wächst nicht aus der Erde raus. Ergo haben solche Schädlinge wie Blattläuse oder Mehltau keine Chance.

  15. 56.

    Grundsätzlich haben sie Recht. Die Bedrohung der Artenvielfalt (hier geht es nicht direkt um den im Artikel zitierten Wurm unter der Folie) ist wohl beim Einsatz der Folie gewichtiger als die Kontamination mit Mikroplastik.
    Eine große Studie, von NABU in Auftrag gegeben, zum Thema Plastikbelastung in der Landwirtschaft gibts vom Frauenhofer Institut, nebst Abwägung und Verbesserungsvorschläge.
    Aber diese ganzen Prozesse lassen sich unter kapitalistischen Prinzipien, und das sind die einzig vollumfänglich gelebten und anerkannten Wirkprinzipien, einfach nicht durchgreifend ändern. Das können sie an allen gegenwärtigen Gesellschaftsbaustellen beobachten. Bestes Beispiel, die jahrzehntelange Erkenntnis von der nicht so komplizierten Physik der Treibhausgase und der Elan bei den notwendigen Abstellmaßnahmen.
    Warum soll nun gerade die "Nebensache" Spargelfolie hier irgendeinen Durchbruch bringen?

  16. 54.

    Es geht im Artikel aber nicht um Lohnsklaven, sondern um Abdeckfolie. Und wenn dann das Gegenargument der so genannten NABU-Expertin ihr Glaube ist, dann ist das wohl etwas zu wenig, um den Spargelanbau mit Folie in Frage zu stellen.

  17. 53.

    War leider wegen Ihres letzten Satzes so überhaupt nicht erkennbar. Aber dann ist das ja jetzt geklärt.

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