Reform des Staatsangehörigkeitsrecht - Steigende Zahl von Einbürgerungstests belastet Berliner Volkshochschulen
Immer mehr Menschen beantragen die deutsche Staatsbürgerschaft. Aber davor hat die Verwaltung den Einbürgerungstest gestellt – der wird in Berlin zum Problem. Und das nicht, weil die Fragen zu schwer zu beantworten wären. Von Oda Tischewski
Irina kommt im braunen Jogginganzug über den Hof der Volkshochschule Charlottenburg-Wilmersdorf gelaufen. Schon zum dritten Mal tritt die Ukrainerin diesen Weg an. Diesmal muss es klappen mit einem Termin zum Einbürgerungstest. "Unglaublich! Ich 'jage' schon sehr lange Zeit – ich habe es online versucht, aber da geht es nicht", sagt sie.
Reform am 27. Juni
Früher sei eine Einbürgerung für sie nicht nötig gewesen, sagt Irina – schließlich habe sie einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Aber seit in ihrer Heimat Krieg herrscht und das neue Staatsangehörigkeitsrecht ihr erlaubt, Deutsche zu werden und Ukrainerin zu bleiben, will sie nun doch die Einbürgerung beantragen.
Denn mit der Reform, die am 27. Juni in Kraft tritt, ist es bereits nach fünf Jahren möglich, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten – statt bislang nach acht Jahren. Außerdem können nun auch Nicht-EU-Bürger die doppelte Staatsangehörigkeit besitzen.
Persönliches Erscheinen für Anmeldung erforderlich
Zur Anmeldung an einer der Berliner Volkshochschulen müssen Interessent:innen persönlich kommen und hoffen, endlich eine der begehrten lila Wartenummern zu ergattern, um sich für einen Prüfungstermin anzumelden.
Diese Anmeldung wird zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg gesendet. Dort wird aus einem Katalog mit mehr als 300 Multiple-Choice-Fragen ein Test mit 33 Aufgaben zusammengestellt und an die jeweilige Volkshochschule zurückgeschickt, die den Test im Auftrag des Bundes durchführt. Am Prüfungstag haben die Kandidat:innen 60 Minuten Zeit, mit 17 richtigen Antworten gilt der Test als bestanden. Ob das aber geklappt hat, erfahren Prüflinge nicht etwa direkt im Anschluss: Auch die Auswertung erfolgt beim BAMF in Nürnberg und kann bis zu acht Wochen in Anspruch nehmen. Ein Beispiel für deutsche Bürokratie.
Nachfrage zu groß, Angebot zu klein
Seit die Gesetzesreform offiziell ist, sind die Antragszahlen sprunghaft angestiegen – 2022 wurden etwa 9.000 Menschen in Berlin eingebürgert, 2024 sollen es – laut Senat – 20.000 werden.
Das trifft die zwölf Berliner Volkshochschulen, die seit der Einführung 2006 die Einbürgerungstests durchführen. Zum Test können die Menschen überall antreten, unabhängig vom Wohnort. Doch viele, die wie Irina die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, haben Schwierigkeiten, einen Termin zu bekommen. Die Nachfrage ist zu groß, das Angebot zu klein - trotz Aufstockung von Terminen und Personal. Das erzeugt Unruhe. "Ich möchte alles parat haben, damit es später keine Probleme gibt", sagt Irina.
Nicht alle müssen einen Test absolvieren
Vielen, die seit Jahren Erfahrung mit deutschen Behörden haben, geht es ähnlich: Sie sind bedacht darauf, im Vorfeld alle Nachweise zusammenzukriegen, damit beim Antrag nichts schief läuft.
Doch nicht alle Menschen benötigen den Einbürgerungstest: Auf dem Service-Portal berlin.de steht ein "Quick Check" zur Verfügung: Dieser hilft zu überprüfen, ob im eigenen Fall die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllt sind und welche Nachweise erbracht werden müssen. Wer etwa in Deutschland zur Schule gegangen ist oder hier ein Studium abgeschlossen hat, muss keinen Test absolvieren. Und sie sind nicht die einzigen, erklärt Karin Zirkelbach, Leiterin der Volkshochschule Charlottenburg-Wilmersdorf. "Alle, die erfolgreich einen Integrationskurs besucht und in dem 'Leben in Deutschland'-Test mindestens 17 Punkte haben, brauchen keinen Einbürgerungstest."
Keine zentrale Terminvergabe
Dazu kommt ein Verteilungsproblem – wohlbekannt im Bezirksföderalismus Berlins. Während einige zentral gelegene Volkshochschulen den Ansturm an Anmeldungen kaum bearbeiten können, gibt es außerhalb des Stadtzentrums immer wieder auch Restplätze. Es lohnt sich also, auch in anderen Bezirken nachzufragen und vielleicht einen längeren Weg auf sich zu nehmen.
Hilfreich wäre hier eine zentrale Terminvergabe über ein Online-Portal, wie es sie bereits bei den Bürgerämtern gibt. "Wir arbeiten daran, dass dieses mühselige Hin- und Herfahren irgendwann beendet ist", sagt Karin Zirkelbach. Wann es so weit ist, ist noch unklar. Manche angehenden Landsleute betrachten die fehlenden digitalen Lösungen einfach als Teil deutscher Folklore: "Das könnte viel einfacher sein. Aber das ist Deutschland", sagt Yarin lachend. Sie ist gerade in Elternzeit und nutzt die freie Zeit, um neben der israelischen und der tschechischen die deutsche als ihre dritte Staatsangehörigkeit zu beantragen.
Für die, die weniger Zeit haben und dringend einen Termin zum Einbürgerungstest brauchen, hat Karin Zirkelbach noch einen Tipp: "Im Integrationskurs wird am Ende der Test 'Leben in Deutschland' abgenommen, der den Einbürgerungstest ersetzen kann."
Wer dringend einen Test brauche, könne bei einem Träger, der Integrationskurse anbietet, nachfragen, ob ausnahmsweise nur eine Teilnahme an der Abschlussprüfung möglich ist.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.06.2024, 05:05 Uhr