Reform des Staatsangehörigkeitsrecht - Steigende Zahl von Einbürgerungstests belastet Berliner Volkshochschulen

Fr 21.06.24 | 07:19 Uhr | Von Oda Tischewski
  31
Archivbild: Teilnehmerin am 09.10.2008 eines Einbürgerungstests an der Volkshochschule Kreuzberg . (Quelle: Picture Alliance/Thomas Koehler/photothek.net)
Audio: rbb24 Inforadio | 21.06.2024 | Oda Tischewski | Bild: Picture Alliance/Thomas Koehler/photothek.net

Immer mehr Menschen beantragen die deutsche Staatsbürgerschaft. Aber davor hat die Verwaltung den Einbürgerungstest gestellt – der wird in Berlin zum Problem. Und das nicht, weil die Fragen zu schwer zu beantworten wären. Von Oda Tischewski

Irina kommt im braunen Jogginganzug über den Hof der Volkshochschule Charlottenburg-Wilmersdorf gelaufen. Schon zum dritten Mal tritt die Ukrainerin diesen Weg an. Diesmal muss es klappen mit einem Termin zum Einbürgerungstest. "Unglaublich! Ich 'jage' schon sehr lange Zeit – ich habe es online versucht, aber da geht es nicht", sagt sie.

Reform am 27. Juni

Früher sei eine Einbürgerung für sie nicht nötig gewesen, sagt Irina – schließlich habe sie einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Aber seit in ihrer Heimat Krieg herrscht und das neue Staatsangehörigkeitsrecht ihr erlaubt, Deutsche zu werden und Ukrainerin zu bleiben, will sie nun doch die Einbürgerung beantragen.

Denn mit der Reform, die am 27. Juni in Kraft tritt, ist es bereits nach fünf Jahren möglich, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten – statt bislang nach acht Jahren. Außerdem können nun auch Nicht-EU-Bürger die doppelte Staatsangehörigkeit besitzen.

Persönliches Erscheinen für Anmeldung erforderlich

Zur Anmeldung an einer der Berliner Volkshochschulen müssen Interessent:innen persönlich kommen und hoffen, endlich eine der begehrten lila Wartenummern zu ergattern, um sich für einen Prüfungstermin anzumelden.

Diese Anmeldung wird zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg gesendet. Dort wird aus einem Katalog mit mehr als 300 Multiple-Choice-Fragen ein Test mit 33 Aufgaben zusammengestellt und an die jeweilige Volkshochschule zurückgeschickt, die den Test im Auftrag des Bundes durchführt. Am Prüfungstag haben die Kandidat:innen 60 Minuten Zeit, mit 17 richtigen Antworten gilt der Test als bestanden. Ob das aber geklappt hat, erfahren Prüflinge nicht etwa direkt im Anschluss: Auch die Auswertung erfolgt beim BAMF in Nürnberg und kann bis zu acht Wochen in Anspruch nehmen. Ein Beispiel für deutsche Bürokratie.

Nachfrage zu groß, Angebot zu klein

Seit die Gesetzesreform offiziell ist, sind die Antragszahlen sprunghaft angestiegen – 2022 wurden etwa 9.000 Menschen in Berlin eingebürgert, 2024 sollen es – laut Senat – 20.000 werden.

Das trifft die zwölf Berliner Volkshochschulen, die seit der Einführung 2006 die Einbürgerungstests durchführen. Zum Test können die Menschen überall antreten, unabhängig vom Wohnort. Doch viele, die wie Irina die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, haben Schwierigkeiten, einen Termin zu bekommen. Die Nachfrage ist zu groß, das Angebot zu klein - trotz Aufstockung von Terminen und Personal. Das erzeugt Unruhe. "Ich möchte alles parat haben, damit es später keine Probleme gibt", sagt Irina.

Einbürgerungstest in Berlin

Nicht alle müssen einen Test absolvieren

Vielen, die seit Jahren Erfahrung mit deutschen Behörden haben, geht es ähnlich: Sie sind bedacht darauf, im Vorfeld alle Nachweise zusammenzukriegen, damit beim Antrag nichts schief läuft.

Doch nicht alle Menschen benötigen den Einbürgerungstest: Auf dem Service-Portal berlin.de steht ein "Quick Check" zur Verfügung: Dieser hilft zu überprüfen, ob im eigenen Fall die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllt sind und welche Nachweise erbracht werden müssen. Wer etwa in Deutschland zur Schule gegangen ist oder hier ein Studium abgeschlossen hat, muss keinen Test absolvieren. Und sie sind nicht die einzigen, erklärt Karin Zirkelbach, Leiterin der Volkshochschule Charlottenburg-Wilmersdorf. "Alle, die erfolgreich einen Integrationskurs besucht und in dem 'Leben in Deutschland'-Test mindestens 17 Punkte haben, brauchen keinen Einbürgerungstest."

Keine zentrale Terminvergabe

Dazu kommt ein Verteilungsproblem – wohlbekannt im Bezirksföderalismus Berlins. Während einige zentral gelegene Volkshochschulen den Ansturm an Anmeldungen kaum bearbeiten können, gibt es außerhalb des Stadtzentrums immer wieder auch Restplätze. Es lohnt sich also, auch in anderen Bezirken nachzufragen und vielleicht einen längeren Weg auf sich zu nehmen.

Hilfreich wäre hier eine zentrale Terminvergabe über ein Online-Portal, wie es sie bereits bei den Bürgerämtern gibt. "Wir arbeiten daran, dass dieses mühselige Hin- und Herfahren irgendwann beendet ist", sagt Karin Zirkelbach. Wann es so weit ist, ist noch unklar. Manche angehenden Landsleute betrachten die fehlenden digitalen Lösungen einfach als Teil deutscher Folklore: "Das könnte viel einfacher sein. Aber das ist Deutschland", sagt Yarin lachend. Sie ist gerade in Elternzeit und nutzt die freie Zeit, um neben der israelischen und der tschechischen die deutsche als ihre dritte Staatsangehörigkeit zu beantragen.

Für die, die weniger Zeit haben und dringend einen Termin zum Einbürgerungstest brauchen, hat Karin Zirkelbach noch einen Tipp: "Im Integrationskurs wird am Ende der Test 'Leben in Deutschland' abgenommen, der den Einbürgerungstest ersetzen kann."

Wer dringend einen Test brauche, könne bei einem Träger, der Integrationskurse anbietet, nachfragen, ob ausnahmsweise nur eine Teilnahme an der Abschlussprüfung möglich ist.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.06.2024, 05:05 Uhr

Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Beitrag von Oda Tischewski

31 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 31.

    Gut, dann nehme ich das mal so an.
    Wenn Sie offen u,interessiert "hinaus ins Berliner Leben getreten sind" dann ist das bei vielen Dingen, um die es im Kurs geht, bereits die halbe Miete. Sie haben dann die großartigen Worte des hier beliebten und anerkannten Schrifstellers Wladimir Kaminer umgesetzt, der etwa sinngemäß sagte, dass man sich selbst nicht so wichtig nehmen sollte, denn das Leben in Berlin sei zu spannend und interessant als in sich gekehrt die (alte) Heimat zu suchen. Wenn man das nicht schaffe, so kann man hingehen, wohin man möchte, man schleppt das Alte (Heimat) mit sich herum u. kommt nie an. Da hat er nämlich Recht. Mir gefällt es, dass er mit wirklich unnachahmlicher Komik seine Landsleute 'aufs Korn nimmt' u.sich nicht scheut, auch den Deutschen, einen Spiegel vorzuhalten.Köstlich zu lesen, wie sich W.K. mit dem dt. Kleingartengesetz angelegt hat. Bloß gut, dass er einen wilden Garten im Bbg.ischen fand.
    Unsere neuen Nachbarn - auch ganz toll zu lesen!

  2. 30.

    "Ein Aufseher war ich nicht."
    Ich habe das Wort "Aufseher" speziell in Anführungszeichen gesetzt, weil ich in erster Reihe kontrollierte Umgebung gemeint habe (was z.B. Online nicht möglich ist). Ich wollte niemanden beleidigen, und wenn es doch passierte, dann bitte ich um Entschuldigung für misslungene Wortwahl. Ich weiß auch nicht, wie Prüfer vor Ort bezahlt werden, welche Vertragsbedingungen dort gelten etc. Es ist nur so, dass nach meinem persönlichen Empfinden (und bei weiterem nicht nur nach meinem, muss ich ehrlich sagen) sind diese Tests komplett überflüssig und fühlen sich deswegen wie Abzocke an. Wenn man in Deutschland eine Weile lange lebt und die (Schlüsselwort) Sprache vernünftig beherrscht, wird es sehr kaum möglich sein, Einbürgerungstest zu vermasseln.

  3. 29.

    Sie schrieben: die Tests durch von BAFM-autorisierte “Aufseher” gesammelt - Sorry, werter User, ich habe x solcher Teste mitgemacht, persönl. vorbereitet u. dann auch die verschloss. namentl. beschrifteten Couverts den TN überreicht. Die Handys waren in die Taschen zu stecken, die Taschen waren hinter dem Rücken auf den Stühlen abzustellen. Man ist ja schließl. ein zugelassenes, also zertifiziertes Prüfzentrum! Ich selbst hatte meine Lizenz dabei, denn die Prüfungsdurchführung behielt sich die ausrichtende Behörde, damals noch unter BAMF firmierend, zu kontrollieren vor. Jeder, der dort arbeitete, hielt sich an die Regeln, denn man wollte ja auch weiterhin in diesem sehr schönen, wenn auch nicht ganz einfachen Beruf weitermachen. Heute sieht man v.a. die Musiklehrer an den VHS! Erst als ich altersbedingt ausschied, ging es bei uns mit der Bezahlung nach oben.Vorher leider ein nur ALG II-Äquivalent,für all die Diplome/spez. Qualifizierungen /Lizenzen. -- Ein Aufseher war ich nicht.

  4. 28.

    "Ich habe es selbst gemacht und kann sagen, dass es trivial ist." Ich bin gerade noch beim Durchsehen der Fragen. Manche Antwortmöglichkeiten erscheinen mir als Deutscher reichlich albern, sowas kreuzt doch niemand an. Ich halte generell wenig von MC-Tests, da man oft viele Anwortmöglichkeiten rein logisch und mit gesundem Menschenverstand aussschließen kann - besser wäre nur die Frage und ein selbstformulierte Anwort ohne Vorgabe.

  5. 26.

    Wei heisst die 2/3-Mehrheit noch?

    Ehefrau ;-)

  6. 25.

    "Kann man den Test sich als Deutscher auch mal ansehen?"

    Liebend gern. Hier sind alle 300 Fragen:
    https://oet.bamf.de/ords/oetut/f?p=514:1::::::
    Nur 33 davon kommen in Test rein. Und nur 17 müssen richtig beantwortet werden, um zu bestehen. Wenn ich mich nicht irre, man hat dafür eine Stunde Zeit.

  7. 24.

    "Der Test ist nicht trivial. Er setzt voraus, dass sich Menschen gewissenhaft vorbereiten und sich mit Sprache, Land, Gesellschaft und Verfassung beschäftigen."

    Ich habe es selbst gemacht und kann sagen, dass es trivial ist. Natürlich, einmal 300 Fragen am Vorabend angeschaut und nur eine einzige Wissenslücke entdeckt - Ostverträge von Willy Brandt. Ja, es ist peinlich. Als gebürtige in UdSSSR-ler sollte ich das, selbstverständlich, wissen. Aber im Ernst, man muss nur 17 von 33 Fragen richtig beantworten, um zu bestehen. Drin sind es aber höchstens 6-8 Fragen, deren Antworten irgendeines Wissen voraussetzen. Restliche Fragen kann man einfach logisch beantworten durch Ausschlussmethode, weil richtige (mögliche) Antworten augenscheinlich sind. Die Sprache muss man, natürlich, kennen, da stimme ich zu. Der Test ist offensichtlich für die Menschen konzipiert, die aus Teilen der Welt kommen, in denen man überhaupt keine Vorstellung über die westliche Welt und westliche Werte hat.

  8. 23.

    Wehrpflicht ist längst überholtes Konzept, von dunkelstem Mittelalter. Im ernsten Konfliktfall können Wehrpflichtige nichts, gar nichts beitragen (außer sofort zu sterben oder aufzugeben), weil denen an Motivation und Patriotismus kräftig fehlt. Wehrpflicht ist eine staatlich-eingesetzte repressive Erziehungsmethode, die nur in Friedenszeiten funktioniert. Und im Konfliktfall werden Doppelstaatler, natürlich, von keiner Seite - und das ist gut so -
    zur Wehrpflicht gezogen. Erstens, weil sie zu keiner der Konfliktseiten als loyal betrachtet werden können. Zweitens, weil aus menschenrechtlichen Sicht im Krieg sie schlechter gestellt sind als "loyale" Bürger mit nur einem Pass. Kämpfen gegen eigene (auch wenn nur förmlich) Land ist nach Gesetz jegliche Statt eines Hochverrats und wird - in dem Fall eine Gefangennahme - meistens mit Tode bestraft.

  9. 22.

    Wozu diesen Test? Wenn man all diese Fragen per Post beantworten kann, dann darf man sicherlich auch KI benutzen.
    Gebt die Pässe aus und gut ist.

  10. 21.

    Wirklich, im Ernst?
    Reicht nicht häufig ein kleines Trinkgeld?
    In vielen Ländern doch ein übliches Verfahren, warum also hier nicht.

  11. 20.

    Logisch, die Bestechlichkeit ist dort natürlich leichter...

  12. 19.

    Insges. sind es mehr als 300 Fragen, nur 33 Fragen allen Themenfeldern werden einem TN am Ende des Orientierungskurses zugelost. Wenn er es in der vorgeschrieben Zeiteinheit schafft, 17 richtige Lösungen zu erzielen oder allein mit dem vorgeschriebenen Korrekturmodus klarkommt, dann - uff, ist es geschafft. Wenn der Ärmste/die Ärmste natürlich nicht weiß, in welchem Bundesland man seine Wohnung errungen hat - wird's kritisch. Viele werden sich wundern, aber das ist alles schon vorgekommen. Man braucht schon reichlich Erfahrungen mit der dt. Schriftsprache, da das Niveau B1 überwiegt. Nach knapp 7 Monaten sollte man es doch meinen...Aber auch das bringt einigen große Nervosität und Fehler. Also raus ins Leben mitmachen, dann klappt das auch mit dem Fragepaket! Kann man im Internet googeln. Wird alles angezeigt. Wenn das die Lerner schaffen, sollten Sie auch ganz schnell dabei sein. Eigentlich ist es auch den Dt. mit dt. Nationalität anempfohlen. Mancher könnte Wissenslücken entdecken.

  13. 18.

    Würde mich auch mal interessieren, erklärt vielleicht woher die Meinungen nebst Benehmen mancher Menschen kommen.

  14. 17.

    Nur zur Erinnerung. In Brandenburg wurde 2024 die Notlage als Schlussfolgerung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erklärt. Jetzt sagt das Brandenburger Gericht, dass war verfassungswidrig. Man wollte mit dem Kopf durch die Wand. Man kann auch so formulieren, eine notwendige politische Priorisierung wollte man nicht vornehmen, weil dies vielleicht die Koalition gesprengt hätte. Mit Geld lassen sich eben viele Risse kitten, aber nicht ewig.

  15. 15.

    Spannend fand ich die Aussage, daß es möglich ist, drei Staatsbürgerschaften zu haben. Zu welchem Staat bekenne ich mich nun? Da ist doch ein bisschen warten auf einen Test doch mehr als zumutbar und kein dringendes Problem.

  16. 14.

    Und wer das nicht will behält dann lieber den Flüchtlings- bzw. Asyl-Status.
    Dann brauch man sich schon mal nicht mit dem Grundgesetz rumschlagen (ne Verfassung hat Deutschland übrigens nicht!).

  17. 13.

    ...im braunen Jogginganzug...

    Das geht gar nicht, das ist kulturelle Aneignung!

  18. 12.

    Der Test ist nicht trivial. Er setzt voraus, dass sich Menschen gewissenhaft vorbereiten und sich mit Sprache, Land, Gesellschaft und Verfassung beschäftigen, im Vorfeld, also eine gute Möglichkeit, sich bewusst mit dem System und der Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Nächster Artikel