"Silbernetz"-Hotline an den Weihnachtstagen - "Einsamkeit ist nach wie vor mit Scham besetzt, weil man niemanden hat"

Di 24.12.24 | 12:32 Uhr
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Eine alte Frau sitzt an Weihnachten traurif am Tisch. (Quelle: Imago Images)
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Audio: rbb 88,8 | 24.12.2024 | Interview mit Elke Schilling | Bild: Imago Images

Weihnachten ist für viele ein Fest mit Familie und Freunden. Doch was ist, wenn man grade in dieser Zeit einsam ist? Die "Silbernetz"-Telefonhotline will vor allem für ältere Menschen da sein. Die Nachfrage steigt jährlich, sagt Gründerin Elke Schilling.

rbb: Frau Schilling, wer meldet sich beim "Silbernetz"-Feiertagstelefon?

Elke Schilling: Die Menschen sind in der Regel im Alter von 60 plus, die niemanden zum Reden haben und deshalb das Gespräch mit uns suchen. Sie haben alle Sorgen, Freuden oder Nöte, die man zwischen 60 und 115 haben kann.

Zur Person

Elke Schilling, Gründerin von Silbernetz, telefoniert am 21.12.2023 im Home­office von ihrer Berliner Wohnung aus. (Quelle: dpa-Bildfunk/Christoph Soeder)
dpa-Bildfunk/Christoph Soeder

Elke Schilling hat das Netzwerk "Silbernetz" [silbernetz.org] 2014 in Berlin gegründet. Bei der Telefonhotline kann man zwischen 8 und 22 Uhr das ganze Jahr über kostenlos anrufen.

Vom 24. Dezember bis 1. Januar ist die kostenlose Rufnummer 0800-4708090 rund um die Uhr freigeschaltet.

Es ist eine große Vielfalt von Themen und jetzt - um die Weihnachtszeit - sind sie besonders belastet, weil es eben eine ausgesprochen gefühlsschwangere Zeit ist, wo man Einsamkeit besonders schmerzlich empfindet.

Wie müssen wir uns diese Gespräche vorstellen? Ist es eher ernst und traurig oder wird auch mal gelacht?

Es wird natürlich auch gelacht. Das Menschsein hat ja nicht nur schwere Seiten. Selbst wenn ein böses oder schlimmes Thema am Telefon aufkommt, gibt es immer auch andere Aspekte. Das Leben ist nun mal nicht einseitig. Oftmals gelingt es, in einem sehr ernsthaft beginnenden Gespräch die Kurve zu kriegen, ein bisschen auf die heitere Seite zu gucken und gemeinsamen am Ende zu schmunzeln.

Im letzten Jahr haben über 5.000 Menschen das Angebot wahrgenommen. Was ist Ihr persönlich wichtigstes Anliegen?

Unser Anliegen ist, den Menschen, die niemanden zum Reden haben, zur Verfügung zu stehen. Wir sind soziale Wesen, die ein Gegenüber brauchen, in dem wir uns spiegeln können. Wenn das nicht da ist, gehen wir in der Einsamkeit verloren.

Wir sind soziale Wesen, die ein Gegenüber brauchen, in dem wir uns spiegeln können. Wenn das nicht da ist, gehen wir in der Einsamkeit verloren.

Elke Schilling, Gründerin der "Silbernetz"-Hotline

Haben Sie das Gefühl, die Anrufe beim "Silbernetz" werden mehr?

Wir wachsen jedes Jahr um 20 Prozent. Letztes Jahr hatten wir um diese Zeit täglich um die 200 Anrufe. Jetzt sind es täglich um die 250 Anrufe und es wird immer mehr. Es sind bei weitem nicht immer dieselben, die uns anrufen. 10 bis 15 Prozent wählen zum ersten Mal diese Nummer und sagen zum ersten Mal: 'Hallo, ich brauche jemanden zum Reden'.

Das ist bestimmt auch eine Geschichte, die mit einer gewissen Überwindung zu tun hat, könnte ich mir vorstellen.

Aufseiten unserer Anrufer durchaus, weil das Thema Einsamkeit nach wie vor ziemlich stigmatisiert ist, das heißt auch mit Scham besetzt, dass man niemanden hat. Auf der anderen Seite ist es einfacher, weil wir anonym sind, zu sagen: 'Hey, ich habe niemanden zum Reden, es ist gut, dass es euch gibt.'

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Elke Schilling führte Tim Koschwitz für rbb 88,8. Der Text ist eine redigierte Fassung. Das komplette Gespräch können Sie oben im Audio-Player nachhören.

 

Sendung: rbb 88,8, 24.12.2024, 09:15 Uhr

Kommentar

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15 Kommentare

  1. 15.

    @Altwestberlinerin
    Also, ich bin auch "Alt-West-Berlinerin" :). Und bin nie weg. Man muss halt stets abwägen, was einem mehr wert ist.
    Aber von Ihnen gibt es in unseren Generationen viele, will sagen: viele sind weggezogen. Ich dachte lange, ich mache hier das Licht aus. Weil wirklich alle alten Freunde weggezogen sind.
    Aber nun kommt's: da haben mittlerweile Viele erheblich Heimweh und wollen oder sind sogar schon zurück!
    Nun, wo ich eigentlich raus will, kommen sie alle wieder :D. Also bin ich schon wieder am Überlegen, ob ich nicht doch lieber hier bleibe. Alter planen und so....

  2. 14.

    Alleinsein am Weihnachtstag?

    Beim spazierengehen geht das leider nicht, es sind viel zu viele Menschen unterwegs!

  3. 12.

    "weißt du noch" kann ich schon heute nicht mehr sagen. X mal wegen der Arbeit umgezogen fern der Heimat, viel gearbeitet, alleinerziehend und Pflege der bald 90jährigen Eltern - da bleibt von alten Freunden nix mehr übrig! Vielleicht werde ich es deswegen auch nicht vermissen, die "Planung" des Alters besteht aus "allein".

    Das bringt Industrialisierung und Digitalisierung so mit sich. Gedankenlos nimmt man Jobs in der Ferne an, "ich möchte nicht wegziehen" ist verpönt.

    Wir, die babyboomer, kommen erst in dieses Alter. Wird spannend für die Gesellschaft! Das sind dann zig Millionen einsame Alte!

  4. 11.

    Gesprächspartner sind sicher wichtig, aber wenn Niemand mehr da ist zu dem man "Weißt Du noch..." sagen kann, das ist wahre Einsamkeit. Erinnerungen zu teilen, über damalige Anekdoten gemeinsam lachen das wünsche ich jedem Menschen.

  5. 9.

    FROHE WEIHNACHTEN

    Wir alle auf der Erde sind nicht allein!
    Reden, reden, reden...

  6. 8.

    @Renate: da stimme ich Ihnen zu. Ich bin allein - und das mache ich bereits viele Jahre so. Mein Weihnachten ist, wenn ich tun und lassen kann, was, wann und wie ich will. Stressfrei. Aber freilich, ich habe reichlich Kontakte und Zuspruch. Also habe ich eine gute Basis und brauche mich nicht einsam zu fühlen.
    Einsamkeit kann durch Alleinsein hervorgerufen werden - muss es aber nicht. Es gibt auch Viele, die sich trotz Kontakten einsam fühlen.
    Über 60 + und auch in jedem anderen Alter muss sich niemand dafür schämen. Es gibt doch so viele Ursachen, die nicht so einfach zu beseitigen sind. Und in hohem Alter sind viele Vertraute schlicht schon weggestorben. Ein alter Freund aus Kindertagen lässt sich nicht so einfach "ersetzen".
    Ich kann nur jedem Menschen Mut machen, bei solchen Angeboten wie Silbernetz anzurufen. Vielleicht hilft es einfach nur ein paar Stunden weiter und über den Abend.
    Und Dank an alle, die dann da am anderen Ende zur Verfügung stehen!

  7. 7.

    Kann ich nicht nachvollziehen ,Ich bin jetzt schon 15 Jahre aleine und fühle mich Pudelwohl damit ?

  8. 6.

    Hallo, Du. Genau, Du.
    Ich sende Dir einen lieben Gedanken und ein nettes Wort.
    Heute ist Hoffnung, heute ist ein fremder Mensch hier,
    der Dir Gutes wünscht und sei es nur ein wärmendes Wort.

    Frohe Weihnachten

  9. 5.

    Ein Lächeln und ein warmes Wort.
    Wenn nicht jetzt, zur besinnlichen Zeit, wann denn sonst.
    Frohe Weihnachten

  10. 4.

    Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Allein leben heißt noch lange nicht, einsam zu sein, man hat es selbst in der Hand!

  11. 3.

    Warum denn dieses? Vielleicht sind diese Menschen die Glücklichsten auf dieser Welt! Kein Familyterror, kein Kaufdruck, keine sonstigen Nötigungen, damit die folgenden drei Tage die "besten des Jahres werden" müssen!

  12. 2.

    Nach einem langen Arbeitsleben das häufig Feiertage mit einschloss, bin ich allein aber nicht einsam. Ich genieße es mir Zeit nehmen zu können, für Dinge die ich mir Freude bereiten. Nicht immer bedeutet Alleinsein auch Einsam sein. Frohe Weihnachten.

  13. 1.

    Trotz allen Fortschritts, vollgestopft mit Technik, 1000den anonymen Followern, 4 Mio Nachbarn in der Stadtgesellschaft, werden heute wieder zig 1000de allein zu Hause sitzen und traurig sein. Vielleicht sollten es wir alle mal wieder etwas freundlicher und zugewandter miteinander umgehen und weniger nur auf uns selbst fixiert sein. Ein Lächeln hat noch niemandem geschadet und könnte der erste Schritt in die richtige Richtung sein. Frohe Weihnachten.

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