"Silbernetz"-Hotline an den Weihnachtstagen - "Einsamkeit ist nach wie vor mit Scham besetzt, weil man niemanden hat"
Weihnachten ist für viele ein Fest mit Familie und Freunden. Doch was ist, wenn man grade in dieser Zeit einsam ist? Die "Silbernetz"-Telefonhotline will vor allem für ältere Menschen da sein. Die Nachfrage steigt jährlich, sagt Gründerin Elke Schilling.
rbb: Frau Schilling, wer meldet sich beim "Silbernetz"-Feiertagstelefon?
Elke Schilling: Die Menschen sind in der Regel im Alter von 60 plus, die niemanden zum Reden haben und deshalb das Gespräch mit uns suchen. Sie haben alle Sorgen, Freuden oder Nöte, die man zwischen 60 und 115 haben kann.
Es ist eine große Vielfalt von Themen und jetzt - um die Weihnachtszeit - sind sie besonders belastet, weil es eben eine ausgesprochen gefühlsschwangere Zeit ist, wo man Einsamkeit besonders schmerzlich empfindet.
Wie müssen wir uns diese Gespräche vorstellen? Ist es eher ernst und traurig oder wird auch mal gelacht?
Es wird natürlich auch gelacht. Das Menschsein hat ja nicht nur schwere Seiten. Selbst wenn ein böses oder schlimmes Thema am Telefon aufkommt, gibt es immer auch andere Aspekte. Das Leben ist nun mal nicht einseitig. Oftmals gelingt es, in einem sehr ernsthaft beginnenden Gespräch die Kurve zu kriegen, ein bisschen auf die heitere Seite zu gucken und gemeinsamen am Ende zu schmunzeln.
Im letzten Jahr haben über 5.000 Menschen das Angebot wahrgenommen. Was ist Ihr persönlich wichtigstes Anliegen?
Unser Anliegen ist, den Menschen, die niemanden zum Reden haben, zur Verfügung zu stehen. Wir sind soziale Wesen, die ein Gegenüber brauchen, in dem wir uns spiegeln können. Wenn das nicht da ist, gehen wir in der Einsamkeit verloren.
Haben Sie das Gefühl, die Anrufe beim "Silbernetz" werden mehr?
Wir wachsen jedes Jahr um 20 Prozent. Letztes Jahr hatten wir um diese Zeit täglich um die 200 Anrufe. Jetzt sind es täglich um die 250 Anrufe und es wird immer mehr. Es sind bei weitem nicht immer dieselben, die uns anrufen. 10 bis 15 Prozent wählen zum ersten Mal diese Nummer und sagen zum ersten Mal: 'Hallo, ich brauche jemanden zum Reden'.
Das ist bestimmt auch eine Geschichte, die mit einer gewissen Überwindung zu tun hat, könnte ich mir vorstellen.
Aufseiten unserer Anrufer durchaus, weil das Thema Einsamkeit nach wie vor ziemlich stigmatisiert ist, das heißt auch mit Scham besetzt, dass man niemanden hat. Auf der anderen Seite ist es einfacher, weil wir anonym sind, zu sagen: 'Hey, ich habe niemanden zum Reden, es ist gut, dass es euch gibt.'
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Elke Schilling führte Tim Koschwitz für rbb 88,8. Der Text ist eine redigierte Fassung. Das komplette Gespräch können Sie oben im Audio-Player nachhören.
Sendung: rbb 88,8, 24.12.2024, 09:15 Uhr