Forderungen nach striktem Rauchverbot - Berliner Raucherkneipen stehen nicht zur Debatte
Rauchen in der Kneipe? In Bayern undenkbar, in Berlin vielerorts möglich. Kritiker bemängeln den "Flickenteppich an Regelungen" und sehen den Nichtraucherschutz unterwandert. Der Senat will an den geltenden Gesetzen festhalten. Von Philipp Rother
Es ist muffig und schummerig, aber doch irgendwie gemütlich - Raucherkneipen versprühen ein ganz spezielles Flair. Viele haben eine lange Geschichte, teils sind sie seit Jahrzehnten in Betrieb. In Berlin gibt es Raucherkneipen quasi in jedem Teil der Stadt.
Auch das am 1. Januar 2008 erstmals in Kraft getretene Rauchverbot konnte daran nichts ändern. Es betraf die Innenräume öffentlicher Gebäude - darunter auch Restaurants, Bars, Clubs und Diskotheken. Ziel des Gesetzes war es, das Passivrauchen zu reduzieren und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen.
Rund 200 Rauchergaststätten in Charlottenburg-Wilmersdorf
Fünf Jahre später wurde das Rauchverbot noch einmal verschärft. Bis heute gibt es aber Ausnahmen für Raucherclubs und für Einrichtungen, die sich als sogenanntes "Raucherlokal" zertifizieren lassen. Im Jahr 2011 gab es nach Berechnungen der B.Z. [bz-berlin.de] im Berliner Stadtgebiet rund 420 solcher Raucherkneipen, Anfang 2016 waren es dann schon mehr als 1.100.
Aktuelle Zahlen liegen nicht vor, einzelne Bezirke konnten auf Nachfrage aber konkrete Angaben machen: Das Bezirksamt zählt in Charlottenburg-Wilmersdorf rund 200 Rauchergaststätten. Ein Überblick über die zahlenmäßige Entwicklung liegt hier nicht vor, anders als in Berlin-Mitte, wo das Bezirksamt einen Anstieg verzeichnet: "2017 gab es 66 Raucherkneipen im Bezirk. Aktuell sind dem Bezirk 88 Raucherkneipen bekannt." Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg teilte mit, dass es dort derzeit insgesamt rund 75 bis 80 Rauchergaststätten, Gaststätten mit Raucherräumen und Shisha-Bars gibt.
Initiative fordert striktes, bundesweites Rauchverbot
In 13 Bundesländern - darunter auch Berlin und Brandenburg - sind Raucherkneipen erlaubt, wenn sie kleiner als 75 Quadratmeter sind und kein zubereitetes Essen anbieten. Personen unter 18 jahren haben keinen Zutritt. Nur in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland ist der Nichtraucherschutz strenger. Dort sind Raucherkneipen verboten. Die Nichtraucher-Initiative Deutschland will diesen "Flickenteppich an Regelungen" beseitigen. Sie fordert ein striktes, bundesweites Rauchverbot für die Gastronomie. Die Regelungen zu rauchfreien Gaststätten in Bayern und Nordrhein-Westfalen hätten sich bewährt.
"Wenn es wirklich nur Raucher wären, die in Raucherkneipen gehen, wäre es etwas anderes", sagte Ernst-Günther Krause, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Initiative, dem rbb am Freitag. Aber es gebe einen gewissen Gruppenzwang oder Partnerzwang für Nichtraucherinnen und Nichtraucher, mit in Raucherkneipen zu kommen.
Der Schutz der Raucher werde über den Schutz der Nichtraucher gestellt, das sei inakzeptabel, so Krause weiter: "Alle müssen geschützt werden, der Gesundheitsschutz hat Vorrang." Es gehe nicht darum, jemandem das Rauchen zu verbieten - sie "sollen nur einen Schritt vor die Tür machen", erklärt Krause. Ein bundesweites striktes Rauchverbot wäre von Vorteil für Gäste und Personal, sagt er. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum fordert, dass die Bundesländer ihre Nichtraucherschutzgesetze überarbeiten und "eine vollständig rauchfreie Gastronomie" einführen.
Berlin plant keine Anpassung der aktuell geltenden Gesetze
Die Gefahren des Rauchens sind seit langem bekannt: Jährlich sterben nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums in Deutschland rund 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Rauchen erhöht unter anderem das Risiko für Krebs und Infektionskrankheiten und schädigt das Herz-Kreislauf-System, Herzinfarkt und Schlaganfall können die Folge sein. Dabei ist nicht nur das aktive Rauchen schädlich, sondern auch das passive Einatmen, das sogenannte Passivrauchen. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin geht davon aus, dass Menschen, die sich in einem verrauchten Raum wie einer Kneipe aufhalten, pro Stunde genauso viele Schadstoffe einatmen, als hätten sie selber eine Zigarette geraucht.
In Berlin rauchen laut Studien des Senats aus den Jahren 2018 und 2019 etwa 20 Prozent der Bevölkerung. Eine Anpassung der aktuell geltenden Gesetze ist aber nicht in Planung: "Berlin hat sich für eine ausgeglichene Verbotslage entschieden", teilte die Gesundheitsverwaltung dem rbb auf Nachfrage mit: "Der Nichtraucherschutz steht im Vordergrund. Allerdings sollte es deshalb unter Abwägung widerstreitender Interessen bei der Ausnahme vom Rauchverbot für die getränkegestützte Kleingastronomie - wie seit Jahren praktiziert - bleiben."
Dennoch gab es zuletzt Bestrebungen, das Nichtraucherschutzgesetz [berlin.de] zu stärken: In der letzten Koalitionsvereinbarung des Berliner Senats sei eine Anpassung verabredet worden, "um den Schutz vor Passivrauchen im öffentlichen Bereich zu stärken", teilte die Gesundheitsverwaltung weiter mit. Demnach war geplant, Kontrolldefizite abzubauen und das Tabakwerbeverbot konsequent umzusetzen. Ob sich diese Vorhaben auch in der derzeit zu verhandelnden neuen Koalitionsvereinbarung wiederfinden werden, bleibt abzuwarten.
Berliner Modell hat sich laut Gesundheitsverwaltung bewährt
Der Branchenbundesverband Dehoga bezeichnet die Rauchverbote mit klar definierten Ausnahmen als guten Kompromiss. "Es gilt: Dort, wo gegessen wird, wird nicht geraucht." Das werde allgemein akzeptiert. "In Ländern wie NRW und Bayern mit einem strikten Rauchverbot sieht es leider anders aus. Hier sind die Umsätze in der getränkegeprägten Gastronomie eingebrochen, viele kleine Eckkneipen sind mit den Jahren auf der Strecke geblieben", heißt es von dem Bundesverband.
Das droht in Berlin vorerst nicht. Das Modell mit den Ausnahmen und den speziellen Lokalen für Raucherinnen und Raucher habe sich bewährt, so die Gesundheitsverwaltung. Zudem stünden Nichtrauchenden zahlreiche Gaststätten ohne Passivrauchbelastung zur Verfügung.
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