Brandenburger Linke vor Bundesparteitag - Beziehungs-Status: Frisch getrennt

Do 16.11.23 | 20:03 Uhr | Von Stephanie Teistler
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Archivbild: Christian Görke (Die Linke) am 12.11.2020 im Landtag (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 17.11.2023 | Stephanie Teistler | Bild: dpa/Soeren Stache

Noch keinen Monat ist es her, dass Sahra Wagenknecht offiziell die Gründung einer eigenen Partei ankündigte. Mit der Trennung gehen Linken-Mitglieder in Brandenburg unterschiedlich um. Klar ist: Überwunden ist sie noch nicht. Von Stephanie Teistler

Wer wissen will, wo die Trennung von Wagenknecht und der Linken am schmerzhaftesten ist, muss in die Bundestagsfraktion schauen. Der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Christian Görke will zwar den Blick nach vorn richten, aber für die Arbeit der Linken im Bundestag sieht das, was da kommt, erstmal trübe aus: Die Fraktion wird zum 6. Dezember aufgelöst, alle Angestellten der Fraktion werden entlassen. "Ich habe politisch schon viel erlebt, aber das ist besonders einschneidend", so Görke.

Zwar hofft man, einige der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im kommenden Jahr wieder einstellen zu können – aber das geht erst, nachdem man weiß, wieviel Geld der Gruppe im Bundestag dann noch zusteht. Darüber entscheiden wird der Bundestag. "Dass wir jetzt Bittsteller sind und von der Gönnerhaftigkeit von Ampel und Union abhängig – das macht mir Bauchschmerzen", so Görke. Er befürchtet, dass sich die in der Luft hängenden Mitarbeiter bis dahin andere Jobs suchen werden.

Besser ein Ende mit Schrecken …

Davon abgesehen halten sich die Auswirkungen des Wagenknecht-Austritts bisher wohl in Grenzen. Seiner Partei gehe es überraschend gut, sagt der Brandenburger Parteivorsitzende Sebastian Walter. Laut Landesgeschäftsstelle seien im Zuge der Vereinsgründung Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bisher circa 20 Parteimitglieder ausgetreten. Dafür habe man aber um die 40 Neumitglieder gewonnen. Eine von ihnen erzählt rbb|24, dass erst der Weggang von Wagenknecht ihr den Weg in die Linke geebnet habe.

Bei einer Partei von etwa 4.350 Mitgliedern ist das zwar keine Massenbewegung – aber ein Hoffnungsschimmer für viele, die in der Linkspartei geblieben sind. Die befürchtete Spaltung sei nicht eingetreten, Landesparteichef Walter spricht lediglich von einer Abspaltung.

Walter will den Wagenknecht-Weggang deshalb auch als Chance begreifen. Ein Selbstläufer ist das aber nicht: "Für uns als Linke ist es vielleicht die letzte Chance, die wir haben." Viele zeigen sich im Gespräch froh, dass die Trennung nun vollzogen ist - sowohl die Wagenknecht-Befürworter als auch ihre parteilichen Gegner. Letztere erhoffen sich vom Bundesparteitag in Augsburg nun ein Signal der Geschlossenheit.

Sich wieder Zeit für sich nehmen

Ob das so kurz nach der Parteikrise möglich ist, sehen viele aber mit Skepsis. "Das wird ein längerer Prozess werden", sagt Marlen Block, Landtagsabgeordnete und Delegierte für den anstehenden Bundesparteitag. "Wir müssen uns für die nächsten zehn Jahre aufstellen – die Tagesordnung eines Parteitags gibt das nicht her", so Block.

Sie spüre aber auch eine Erleichterung bei den Mitgliedern, besonders bei den Jüngeren, sagt Block weiter. "Bei den jungen Leuten herrscht Aufbruchsstimmung." Nun könne man sich auf Themen wie Klimaschutz und Kapitalismuskritik fokussieren. Es gebe wieder Platz für utopisches Denken.

Doch mit Sahra Wagenknecht und ihren Sympathisanten ist nur ein Teil des Problems der Linkspartei gegangen. Sebastian Walter mahnt seine Partei deshalb zur Konzentration: "Die Debatten der letzten Jahre haben dazu geführt, dass wir für viele Menschen nicht mehr attraktiv waren", sagt Walter. Die Partei müsse wieder klar machen, dass sie für Friedens- und Sozialpolitik stehe.

Neue Liebe BSW?

Viele zeigen sich sicher: Über die kommenden inhaltlichen Auseinandersetzungen wird die Partei in der nächsten Zeit noch weitere Mitglieder verlieren – spätestens aber zur Parteigründung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im nächsten Jahr. Wie viele Wechsel- oder Austrittswillige es in Brandenburg gibt, ist schwer zu sagen. Eine Anfrage beim BSW, wie viele Mitglieder oder Spender es aus Brandenburg bereits gebe, blieb unbeantwortet.

Klar ist aber, dass die Entfremdung mancher Linker von der eigenen Partei nach wie vor groß ist. So geht es etwa Rita-Sybille Heinrich, Kreisvorsitzende in Oder-Spree. Auch sie fährt als Delegierte zum Augsburger Parteitag. Ihre Haltung zur Partei bezeichnet sie als schwankend. Friedenspolitische Forderungen kommen ihr in der Linken zu kurz, bei einer von ihr mitorganisierten Anti-Kriegs-Demo Ende November in Berlin habe man die Partei nur mit Mühe von der Teilnahme überzeugen können.

Heinrich steht für die Enttäuschten, die nach wie vor unentschlossen sind, wohin der gemeinsame Weg mit der Linkspartei noch führt. Doch auch in der Wagenknecht-Option findet sie sich noch nicht wieder, wie sie sagt. Das bisher erschienene Manifest sei ihr zu oberflächlich. Heinrich sagt, sie müsse erst das ganze Parteiprogramm kennen, bevor sie wisse, wie es für sie weitergehe.

Andere sind sich da bereits sicherer, so wie Andreas Kutsche. Der Betriebsrat aus Brandenburg an der Havel will Ende November aus der Partei austreten. Wenn die Wagenknecht-Partei erst gegründet ist, möchte er sich dort engagieren. Zwar hält er den Gewerkschaftsteil des BSW-Manifests noch für ausbaufähig. Doch er hofft vor allem auf ein politisches Gegengewicht zur AfD.

Lass uns Freunde bleiben?

Kutsche gehört auch zu denjenigen, die auf eine zukünftige Zusammenarbeit des BSW und der Linkspartei hoffen. Noch sitzt er für die Linke in der Stadtratsfraktion - ab Januar werde das nicht mehr möglich sein, sei ihm gesagt worden. Kutsche sagt, die Linke dürfe die zukünftige Partei um Wagenknecht nicht verteufeln. Er zeigt sich sicher: "Wir werden auch zusammenarbeiten müssen."

Doch weite Teile der Partei sind – nur knapp einen Monat nach der BSW-Verkündung – unversöhnlich. Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke sieht die Wagenknecht-Partei klar als "Konkurrenzpartei". Partei-Chef Walter bemüht die Beziehungs-Analogie und plädiert für den klaren Bruch: "Wenn man sich trennt, dann muss man sich eben auch trennen." Weiter darin "rumzurühren", mache es für beide Seiten nicht schöner.

Sendung: Radioeins, 17.11.2023, 8 Uhr

Beitrag von Stephanie Teistler

15 Kommentare

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  1. 15.

    Sekte hat etwas mit sektiererisch zu tun und da fallen mir sofort die rechtsextremen Wähler der AfD ein.

    Die ergötzen sich an Verschwörungstheorien wie "der große Austausch", laufen Scharlatanen hinterher die behaupten es gäbe keinen menschgemachten Klimawandel usw.

  2. 13.

    Es ist immer wieder erstaunlich wie sich Minderheiten an ihre Heilsbringer klammern, erst Höcke, jetzt Wagenknecht.

    Auch wenn sich die Programme ähneln, es erstaunt immer wieder.

    "Antileistungsmoral ohne Belohnungen," Leere Phrasen ohne Sinn.

  3. 12.

    Wenn man sich mit Randgruppen, wie Festkleber und Alternativen mehr beschäftigt als mit den Nöten der mehrheitlichen Schaffenden, dann wird man nicht gewählt. Auch jetzt gibt es keine Einsicht. Keine Themenauseinandersetzung. Frau Wagenknecht hat diese Themen angesprochen. Keine inhaltliche Debatte aber Personendebatten. Es gibt nicht ein einziges Thema, womit es den Menschen in Deutschland besser gehen könnte. Schlechter dagegen schon. Durch um- u. zuteilen, mit komischer Antileistungsmoral ohne Belohnungen, entsteht kein Wachstum, was verteilt werden kann. Es wird sogar weniger. Also bleiben noch die rein persönlichen Befindlichkeiten: "Ich habe politisch schon viel erlebt, aber das ist besonders einschneidend", so Görke. So viele haben ihr Leben ändern müssen. Nun geht es um das Görke-Auskommen. Mitleid habe ich da eher mit den Landesbediensteten, deren eingezahlten Pensionsrücklagen an der Börse geblieben sind...durch Herrn Görke.

  4. 11.

    "2024 und Brandenburg und Sachsen, 2025 im Bund."
    Thüringen fehlt noch. Ich bin mal gespannt welchen Einbruch der MP von den Linken dort erleiden wird.
    Aktuell liegt die Partei bei rd. 20% nach 31% bei der Wahl 2019 !

  5. 8.

    Durch den Austritt der Gruppe um Sahra Wagenknecht ist die Linkspartei nun endgültig zu einer Kopie der Grünen geworden. Da aber üblicherweise lieber das Original gewählt wird, bedeutet die das parlamentarische aus der Linken, 2024 und Brandenburg und Sachsen, 2025 im Bund. Die Linke hat nun nur noch zwei Möglichkeiten: entweder beschließt sie zeitnah eine würdevolle Selbstauflösung oder sie sieht einem langsamen Tod als Politsekte entgegen.

  6. 7.

    Naja in Berlin wird die Linke noch ne Weile "leben" aber in Brandenburg bei der Wahl 2024 wahrscheinlich unter 5% rutschen wenn die Partei von Frau Wagenknecht antreten sollte.

  7. 6.

    Herr Görke und Herr Walter stellen sich nicht der Realität. Herr Walter sagt, der Linken in Brandenburg geht es überraschend gut. Zur Wahl 2019 haben die Linken ein Minus von 3,7% und sind im Moment bei 7% gelandet. Das ist der beste Beweis für eine verfehlte Politik, die normalen kleinen Arbeitnehmer fühlen sich wohl durch die Linken schon lange nicht mehr vertreten? Wenn es nun nach dem Weggang von Wagenknecht noch weiter bergab geht, wer wird dann der Schuldige sein? Selbstkritik wäre dringend angebracht. Utopische Träume reichen da wohl nicht aus?

  8. 5.

    Statt massiver Kritik an Sahra Wagenknecht sollte die Führung der Linken sich einmal selbstkritisch bezüglich ihres Umgangs mit ihrer ehemaligen Fraktionsvorsitzenden hinterfragen,
    Ich erinnere an das Verhalten des umtriebigen Bernd Riexinger sowie an massive Beschimpfungen und Beleidigungen der Rednerin S.W.auf Linken-Parteitagen (u.a. durch Ex-Sozialsenatorin Elke Breitenbach).

  9. 4.

    Die Jüngeren freuen sich über den Ausstieg von Wagenknecht; es sei jetzt wieder mehr Raum für utopisches Denken?! Oh ne. Aber dann bitte nicht bezahlt in Vollzeitfunktionen in Bundes-/Landtag mit Abgeordnetengeldern aus dem Staatssäckl, pardon, mit Steuergeldern. Uropien statt wirklich intelligenter Realpolitik. Na sehr schön. Die Etablierten können nur "Parteipolitik" und die jungen Linken wollen über Utopien (nach)denken. Kein Wunder, dass die Wähler nicht mehr wissen, was sie wählen sollen.

  10. 3.

    Mehr als ein Ausstieg aus der CDU, der ggf. von den dortigen Protagonisten mit einer persönlichen Schrulligkeit erklärt wird, mehr als das wird ein Ausstieg aus der Partei Die Linke definitiv als Verrat begriffen. Und das hängt leider immer noch mit der "Denkfigur" zusammen, (irgendwie) Herr, Sachwalter und Geburtshelfer D E R Geschichte zu sein. Da beißt die Maus eben keinen Faden ab. ;-

    Das betrifft übrigens auch die SPD in Vorformen - beim vermeintlichen Ausstiegs-Verrat seitens Oskar Lafontaine.

  11. 2.

    Na, das wird ja spannend Rita-Sybille Heinrich(Kreisvorsitzende in Oder-Spree)!
    In einer sehr komplizierten Zeit, in der so ziemlich alle Krisen aufeinander treffen, ist es mit einfachen und vor allem abgenutzten Worthülsen wie 'Anti-Kriegs-Demo' nicht mehr getan.
    Wenn sie das noch nicht erkannt hat, ist sie wohl überall nicht auf 'sicherem Terrain'. So einfach ist die Zeit eben nicht. Mit gelernten Floskeln Klassenkampf und was-weiß- ich-stürzen, - "isch Over"! Der Zeitenwechsel hat quasi (fast)alles auf Null gesetzt, dass alte überholte Begriffe schwerlich mit welchem(?)Inhalt - eigentlich ?-- gefüllt werden können. Da muss mehr Anspruchsvolles/Dezidiertes in der Tüte sein, sonst wird da nichts. Viel Kopfschüttel zu diesem Beitrag...speziell zu dieser Äußerung, die wohl zitiert wurde.

  12. 1.

    Die finanziellen Mittel bestimmt der Bundestag? Habe ich das richtig verstanden? Nicht das Gesetz regelt das, sondern nach freiem Ermessen Abgeordnete. Also auch denkbar: Gibst du mir, gebe ich dir. Was mir jetzt dazu einfällt, kann ich nicht schreiben. Das verbieten die RBB-Regeln!

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