Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten - Amtierender Präsident Seibert bei Bewerbung bevorzugt?

Fr 18.10.24 | 15:55 Uhr | Von Gabi Probst, rbb24 Recherche
Berlin, das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)in der Darwinstraße. Das LAF ist eine obere Landesbehörde des Landes Berlin. (Quelle: picture alliance/Vladimir Menck/SULUPRESS.DE)
Audio: rbb24 Inforadio | 18.10.2024 | Gabi Probst | Bild: picture alliance/Vladimir Menck/SULUPRESS.DE

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten wird seit Januar kommissarisch von Mark Seibert geleitet. Jetzt soll das Amt des Präsidenten neu besetzt werden. Im Bewerbungsverfahren ist Seibert dabei. Dabei ist fraglich ist, ob er überhaupt die Voraussetzungen erfüllt. Von Gabi Probst

  • Mark Seibert ist seit Januar 2024 kommissarischer Präsident des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten in Berlin (LAF)
  • Das Bewerbungsverfahren zur dauerhaften Besetzung läuft
  • Seibert ist in der Auswahl, obwohl es vorab Zweifel gab, ob er das Anforderungsprofil erfüllt
  • Mitarbeitervertretungen sehen eine Benachteiligung anderer Bewerber

Es ist der zweite Versuch der Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales, um das Präsidentenamt für das Landesamt für Flüchtlingsfragen (LAF) zu besetzen. Ein erstes Bewerbungsverfahren wurde 2023 abgebrochen, weil sich kein geeigneter Bewerber fand. Als kommissarischer Präsident wurde daraufhin Mark Seibert berufen, befristet für ein Jahr. Seibert leitete damals den Krisenstab für die Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge in der Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales.

Auch beim neuen Bewerbungsverfahren gibt es Probleme. Nachdem ein Teil der Mitarbeitervertretungen das Verfahren beanstandet, wurden drei Frauen zusätzlich eingeladen. Am Ende sind es acht Bewerber. Diese kommen nach Informationen von rbb24 Recherche u.a. aus dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), der Bundesagentur für Arbeit (BfA) und der Deutschen Rentenversicherung Bund (DR). Eine Bewerberin arbeitet bei der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Gesundheitsschutz in Bremen. Auch Amtsinhaber Seibert schafft es in die Vorauswahl. Die letzten Bewerbungsgespräche finden an diesem Freitag statt.

Seibert fehlen formale Voraussetzungen

Das Verfahren wird durch die Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales selbst durchgeführt. Dazu liegen rbb24 Recherche interne Unterlagen aus der Senatsverwaltung vor. Laut Ausschreibung wird ein Präsident gesucht, der mit seiner „persönlichen und fachlichen Fähigkeit sowie Kompetenz die interne Organisation mit 600 Mitarbeiter (n)“ leiten kann. Er soll über „formale Voraussetzungen“ wie einen Hochschulabschluss der Fachrichtungen Wirtschafts-, Politik-, Sozial-, Finanz-, Verwaltungs-, oder Rechtswissenschaften oder gleichwertige Kenntnisse verfügen.

Seibert allerdings soll laut „Dokumentation der Vorauswahl“ diese „formalen Voraussetzungen“ nicht erfüllen. So fehlt der geforderte Hochschulabschluss gänzlich, geht aus internen Unterlagen der Senatsverwaltung hervor. Seibert hat bislang einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftsrecht. Damit ist er jedoch kein Volljurist mit zweitem Staatsexamen, wie laut Ausschreibung gefordert.

In einer Tabelle listet die Auswahlkommission auf, welcher Bewerber das Anforderungsprofil wie erfüllt und welche Unterlagen vorliegen. Die Bewerber sollen neben einem abgeschlossenen Hochschulstudium oder „gleichwertigen Kenntnissen“ auch über langjährige und herausgehobene Führungserfahrungen verfügen. Aber auch daran soll es beim amtierenden Präsidenten Seibert hapern, obwohl ihm zugebilligt wird, dass er "krisenerprobt" sei und "teilweise" in „herausgehobenen Positionen“ auch größere Personalkörper geführt habe.

Unter den ausgewählten Bewerbern erfüllen einige die Voraussetzungen. Bei anderen heißt es, sie „könnten“ die formalen Voraussetzungen voraussichtlich durch „gleichwertige Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen“ erfüllen. Seibert indes soll nach der ersten kursorischer Prüfung „auch nicht die formalen Voraussetzungen durch gleichwertige Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen“ erfüllt haben. Bei ihm müsse die Gleichwertigkeit „in der Tiefe geprüft werden“. Auf die Frage, wie diese Prüfung erfolgt, antwortet die Senatsverwaltung nicht. Auch sollen keine Zeugnisse vorgelegen haben. Trotzdem wurde er zum Bewerbungsgespräch eingeladen.

Mitarbeitervertretungen kritisieren die Einladung als unrechtmäßig

Als Seibert kommissarischer Präsident wird, teilt die Senatsverwaltung rbb24 Recherche mit, dass es um eine „schnelle Handlungsfähigkeit mit einer zielgenauen Besetzung“ gegangen sei. Man wollte dem Amt „Perspektiven und Stabilität“ geben. Die Beschäftigungsvertretungen wie Frauenvertreterin, Schwerbehindertenvertretung und Personalrat nahmen es damals zähneknirschend hin, dass Seibert abgeordnet wird. Sie forderten aber im Gegenzug eine neue zeitnahe Ausschreibung.

Nach Unterlagen, die dem rbb vorliegen, monieren Mitarbeitervertretungen das jetzige Auswahlverfahren wiederholt. Nach ihrer Meinung würde Seibert mit der Zulassung einen unrechtmäßigen und ungesetzlichen Vorteil erlangen. Weibliche Bewerber mit ähnlichen Voraussetzungen würden diskriminiert. Auf Anfrage äußert sich jedoch niemand - aus Datenschutzgründen heißt es.

Steile Karriere von Seibert

Seibert hat nach eigenen Angaben eine Berufsausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann absolviert. Danach hat er über fast zwei Jahrzehnte in verschiedenen Positionen für die Partei die LINKE gearbeitet – darunter auch für den Parteivorstand. 2019 steigt Seibert in die damals von den LINKEN geführte Senatsverwaltung ein: erst als Praktikant, dann als studentischer Mitarbeiter. Ein „Rechtsgutachten zur tariflichen Bezahlung der Beschäftigung von Zuwendungsempfängern“, das er während dieser Zeit für die Verwaltung schreibt, wird die Grundlage seiner Bachelor-Arbeit. Nach dem Abschluss geht es für Seibert steil nach oben. 2020 wird er Leiter des Krisenstabes „Corona“. Ab Februar 2022 ist er zusätzlich im Krisenstab „Ukraine“. Von Juli 2023 bis zu seinem Einstieg als kommissarischer Präsident leitet er kommissarisch die Abteilung „Unterkünfte“ des LAF.

Wie erfolgreich ist der Interimspräsident derzeit? Seibert sagt bei seinem Amtsantritt im Januar 2024, dass er das LAF aus dem ständigen Krisenmodus herausbringen wolle.

So recht gelungen scheint ihm das nicht zu sein. Erst vor ein paar Tagen schreiben die drei Mitarbeitervertretungen eine Art Brandbrief und fragen, warum die Mitarbeiter für Missmanagement, Fehlkalkulation sowie für fehlerhaften Personalmanagement büßen müssen.

Seibert mit Amtsantritt siegessicher

Auf Nachfragen des rbb zur Personalie Seibert und seiner trotz festgestellter Mängel erfolgten Zulassung zu den Bewerbungsgesprächen antwortet die Senatsverwaltung lediglich: „Unser Haus möchte bis spätestens Ende dieses Jahres das Auswahlverfahren beenden im gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Wir haben durchaus ein Interesse das Verfahren früher erfolgreich zu beenden, sind aber - wie geschrieben - an gesetzliche Vorgaben und Verfahrensschritte gebunden, deren zeitliche Entwicklung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar sind.“ Aus informierten Kreisen heißt es, die Entscheidung soll schon in den nächsten Tagen fallen.

Übrigens schon bei seinem Amtsantritt Anfang des Jahres ist sich Seibert siegessicher und prophezeit in der rbb-Abendschau damals, dass es nicht bei diesem kommissarischen Jahr bleiben wird.

Sendung: rbb Abendschau, 18.10.2024, 19.30 Uhr

Beitrag von Gabi Probst, rbb24 Recherche

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