Interview | Barbara Rittner vor WTA-Turnier in Berlin - "Wenn sie spielen wollen, kommen sie nach Berlin"
Nach Roland Garros ist vor Wimbledon. Zwischen den Grand Slams bleibt den Spielerinnen wenig Zeit, um sich vorzubereiten. Die Direktorin des WTA-Turniers Berlin, Barbara Rittner, hofft deswegen auf prominente Spielerinnen und viele Zuschauer.
rbb|24: Barbara Rittner, in knapp zwei Wochen startet das WTA-Turnier in Berlin. Wie weit sind Sie mit den Vorbereitungen?
Barbara Rittner: Die laufen natürlich absolut auf Hochtouren. Wir wollen in diesem Jahr noch früher, also am Dienstag oder Mittwoch, bevor das Turnier beginnt, mit den Vorbereitungen vor Ort fertig sein. Letztes Jahr war es ein bisschen knapper. Die Spielerinnen sollen sich bestmöglich wohlfühlen. Die Meldeliste ist raus, da muss man jetzt abwarten, ob es komplett dabei bleibt. Das kommt natürlich auch auf die Ergebnisse im Roland Garros an. Letztes Jahr gab es deswegen einige kurzfristige Absagen. Da gehen wir aber in diesem Jahr erst einmal nicht von aus.
Neun der besten zehn Spielerinnen der Welt haben ihren Start angekündigt. Was macht das noch recht junge Turnier so attraktiv?
Vor allem der Termin. Es gibt zwischen Roland Garros und Wimbledon drei Rasen-, beziehungsweise Turnierwochen. Wir sind die mittlere Woche. Viele von den Top-Spielerinnen wollen sich in der Woche nach Paris ein paar Tage frei nehmen und trainieren, dann eine Woche spielen und in der Woche unmittelbar vor Wimbledon schon dort trainieren. Deswegen haben wir strategisch den besten Termin des Jahres. Parallel zu Berlin ist auch nur ein kleineres WTA-Turnier in Birmingham, an dem aufgrund der Regularien nur eine Top-Ten-Spielerin teilnehmen darf. Deswegen kommen sie, wenn sie spielen wollen, nach Berlin. Außerdem glaube ich, dass Berlin auch als Stadt immer eine Reise wert ist. Das wissen auch die Spielerinnen. Es gab so lange kein Turnier in Berlin, jetzt im dritten Jahr erst wieder. Da höre ich auch von vielen Spielerinnen, dass sie nach Berlin möchten.
Sabine Lisicki ist mit einer Wildcard dabei, auch wenn sie insgesamt auf der Tour keine Rolle spielt. Trauen Sie ihr in Berlin eine Überraschung zu?
Erstmal sind wir froh, wenn sie mitspielt. Das ist auch gesundheitlich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder ein auf und ab. Im Moment sieht es gut aus. Sie bereitet sich auf Mallorca auf Rasen für Berlin vor. Berlin ist für sie ein besonderes Turnier. Natürlich ist Sabine Lisicki auch für das Berliner Turnier eine besondere Teilnehmerin. Ihr Wimbledon-Finale ist zehn Jahre her, Wahnsinn. Sie ist auf Rasen immer für Überraschungen gut, aber ob sie das körperlich so durchhalten wird, wie sie sich das wünscht, das werden wir alle sehen. Ich bin selbst gespannt, aber vor allem froh, dass sie dabei sein kann.
Wie läuft bisher der Vorverkauf? Sind Sie zufrieden?
Ja, wir sind ganz zufrieden. Es gibt in jedem Fall noch reichlich Karten zu haben, aber es läuft auch ganz okay. Es wird auch nie leicht werden, vor allem in den ersten Tagen, die Ränge annähernd voll zu bekommen, da wir elf Uhr Spielbeginn haben. Aber wir versuchen es. Das ist absolutes Weltklasse-Tennis jeden Tag.
Gab und gibt es Maßnahmen, damit es in diesem Jahr auf den Rängen voller wird?
Es gab unheimlich viele Aktionen, zum Beispiel mit Berliner Tennisklubs und mit der Tennis-Jugend. Da haben wir uns schon einiges überlegt, um ein bisschen besser dazustehen. Das ist auf allen Turnieren der Welt so, außer bei Grand-Slams, dass es gerade an den ersten Tagen immer schwierig ist, die Hütte einigermaßen voll zu bekommen. Aber da gab es einige Rabattaktionen, auch für Mitglieder anderer Klubs und besonders für Kinder und Jugendliche.
Auch den Sport beschäftigt seit Monaten der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. In Berlin sind einige Sportler aus Russland und Belarus dabei. Welche Rolle spielt die Thematik bei der Vorbereitung auf das Turnier?
Da richten wir uns komplett nach den internationalen Regularien, die immer akribisch überdacht werden. Da ist die WTA unser Ansprechpartner. Eine russische Flagge wird nicht auf der Anlage auftauchen. Es darf beispielsweise auch kein Zuschauer mit einem Russland-Shirt die Anlage betreten. Insgesamt ist ohnehin ein hohes Maß an Sicherheit vorhanden. Eine eigene Sicherheitsfirma, die sich kümmert. Die sind alle geschult und die WTA wird uns noch die Vorgaben geben, die im Moment international angedacht sind und an die wir uns auch halten müssen.
Sie begleiten derzeit als TV-Expertin für “Eurosport“ in München die French Open. Wie erleben Sie das Turnier bislang?
Es ist schon ein besonderes Turnier. Zum einen haben die zwei Wochen lang Traumwetter. Das habe ich in meinen 30 Jahren Paris so noch nicht erlebt. Das ist natürlich wunderschön. Zum anderen gibt es eine kleine Änderung bezüglich der Qualität der Spiele. Die Partien sind unheimlich lang, gerade im Herrenbereich. Man hört - und da machen wir gerade auch immer wieder Berichte dazu -, dass sie die Bälle ein wenig verändert haben. Die sind schwerer und langsamer, dadurch entstehen längere Ballwechsel. Das führt zu wahnsinnig langen Fünfsatzpartien bei den Herren. Bei den Damen ist das weniger der Fall, weil da vor allem Iga Swiatek das Maß aller Dinge zu sein scheint. Zumindest aktuell auf Sand. Leider musste Jelena Rybakina das Turnier krankheitsbedingt abbrechen. Das könnte auf ein Finale von Swiatek gegen Aryna Sabalenka hinauslaufen.
Mit Alexander Zverev ist nur noch ein deutscher Spieler im Turnier. Für die Frauen war bereits in der zweiten Runde Schluss. Wie steht es um das deutsche Tennis?
Der Blick auf die Rangliste spricht für sich. Wir haben aktuell leider keine deutsche Dame unter den Top-50. Ich weiß aber, dass auf jeden Fall mehr in ihnen steckt, gerade auch in einer Jule Niemeier. Man muss auch sagen, dass eine Jule Niemeier oder Tatjana Maria nicht in den Top-50 stehen, weil in Wimbledon keine Punkte verteilt wurden, wo sie im Halb- und Viertelfinale standen. Es ist immer eine Wellenbewegung und ich bin da als Bundestrainerin auch mitverantwortlich für den Nachwuchs, dessen bin ich mir bewusst. Damit können wir als deutscher Tennisbund nicht zufrieden sein.
Wir sind mit der Mannschaft für die Finals Ende des Jahres qualifiziert und konnten Brasilien schlagen, die immerhin mit Beatriz Haddad Maia die Nummer 13 der WTA-Rangliste in ihren Reihen haben. Die ist jetzt auch in Paris locker unter die letzten 16 gekommen. Es ist nicht so negativ wie es scheint, aber natürlich braucht man auch, gerade wenn man nicht gesetzt ist, ein bisschen Losglück und das hatten dann Maria und vor allem Niemeier auch gar nicht. Wir sind uns darüber im Klaren, dass es nicht die beste Zeit ist, aber so ist das manchmal.
Auf wen können sich, gerade im Damen-Bereich, die deutschen Tennis-Fans in den nächsten Jahren freuen?
Vor allem in der Qualifikation in Berlin werden sich einige der jungen Talente präsentieren können, auf die wir in den nächsten Jahren setzen und die auch schon wirklich tolle Erfolge erreicht haben. Das ist allen voran Eva Lys, die in Paris leider in der Qualifikation verloren hat. Sie hatte in den vergangenen Wochen und Monaten auch viele Verletzungen und krankheitsbedingte Ausfälle.
Dann gibt es Noma Noha Akugue, die mit ihren 19 Jahren in Paris in der zweiten Qualifikationsrunde verloren hat. Sie wird in Berlin spielen, auch im Doppel an der Seite von Jule Niemeier. Ella Seidel hat sich sowohl im Jugend- als auch im Erwachsenenbereich schon bewiesen und gerade erst ihr Abitur in der Tasche. Es gibt ein paar Namen, aber das sind die, die jetzt auch in Berlin spielen. Man muss ihnen etwas Zeit geben, sich zu entwickeln, aber sie sind auf einem guten Weg. Das ist auch harte Arbeit.
Bereitet Ihnen die aktuelle Entwicklung auch Sorge?
Natürlich bereitet mir das auch Sorge, aber es gehört eben auch dazu. Als ich das Ganze 2005 in der Verantwortung übernommen habe, hatten wir nur eine Spielerin in den Top-100. Da habe ich auch ein paar Talente gesehen, die das schaffen könnten - eine Kerber, Petkovic, Görges. Das sind alles Spielerinnen mit Durchhaltevermögen, Leidenschaft, Disziplin und der Liebe zum Sport. Die haben lange durchgehalten und sind ihren Weg gegangen und dann hatten wir diese tolle Generation.
Genau das wünsche ich mir von unseren Talenten - auch von den eben genannten - dass sie durchhalten, ihre Chance bekommen, man ein bisschen Geduld mit ihnen hat und an sie glaubt. Dass man ihnen auch von Seiten des Verbandes Zeit gibt, sich zu entwickeln. Aber natürlich hätte ich lieber jetzt schon zehn junge Talente auf dem Sprung in die Top-100. Nur kann man die sich nicht herzaubern. Das ist halt manchmal so.
Vielen Dank für das Gespräch
Das Interview führte Jonas Bürgener, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 7.6.2023, 18 Uhr