Interview | FES-Direktor Michael Nitsch - "Es könnte passieren, dass Geräte für Olympia nicht mehr geliefert werden können"
Seit Jahrzehnten sind Sportlerinnen und Sportler mit Geräten des Berliner FES bei Welt-, Europameisterschaften und Olympischen Spielen erfolgreich. Dem Institut, das Bobs, Kanus und Co. entwickelt, drohen nun allerdings gewaltige finanzielle Kürzungen.
rbb|24: Michael Nitsch, das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten - kurz FES - ist wohl nur größeren Sport-Nerds ein Begriff. Dabei haben Sie nicht unerheblich zum deutschen Erfolg bei Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen in den letzten Jahrenzehnten beigetragen. Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?
Nitsch: Das Institut wurde 1963 in der DDR gegründet, um dem Hochleistungssport Geräte und Betreuung in den Nationalmannschaftteams zur Verfügung zu stellen, die man am Markt nicht kaufen konnte. Zu DDR-Zeiten hatte man schlicht die entsprechende Währung nicht. Noch heute ist es so, dass es viele Geräte in ihrer Qualität und Exklusivität auf dem Markt gar nicht gibt. Wir bewegen uns ganz oft in Feldern, die für wirtschaftlich handelnde Unternehmen uninteressant sind. Im Bobsport oder Skeleton gibt es zum Beispiel gar keinen richtigen Markt. Ich kann nicht in den Laden gehen und mir einen Bob kaufen. Da kommen wir ins Spiel. Wir entwickeln entsprechend der disziplinspezifischen und individuellen Anforderungen optimale Gerätesysteme.
Im Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist nun allerdings eine Kürzung der Mittel um ein Fünftel vorgesehen. Wie haben Sie von der Ankündigung erfahren?
Der Haushalt wurde am 5. Juli von Finanzminister Christian Lindner vorgestellt. Wir haben wenige Tage zuvor eine mündliche Ankündigung erhalten. Im Anschluss war der Haushalt als 1.300 seitiges Textwerk verfügbar. Der Zeitpunkt ist allerdings gar nicht so wichtig, die Ankündigung ist fett genug.
Kennen Sie eine Begründung für die Sparmaßnahmen?
Nein, nicht wirklich. Man hat höchstens von pauschalen Kürzungen in einem recht hektischen Aufstellungsverfahren gesprochen. Der Entwurf wurde kurz vor der Sommerpause vorgestellt und viele Parlamentarier hatten noch gar keine Zeit, ihn sich im Detail anzuschauen. Es handelt sich aus unserer Sicht im Vergleich zu anderen Kürzungen nicht um eine verhältnismäßige Einsparung. Der Bundeshaushalt wird um 6,4 Prozent gekürzt, im für uns zuständigen Bundesinnenministerium um 1,5 Prozent. Unserem Trägerverein, dem neben dem FES auch noch das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft angehört, droht aber eine Kürzung von 19 Prozent. Sachlich und inhaltlich ergibt es für uns auch keinen Sinn: Wir haben erst vor Kurzem bei den Weltmeisterschaften des paralympischen und olympischen Bereiches im Radsport oder im Kanu gesehen, dass Sportlerinnen und Sportler mit FES-Material Medaillen holen und zufrieden mit ihren Geräten sind.
Wie lassen sich die geplanten Kürzungen genau beziffern?
Das ist relativ einfach. Im Trägerverein würden wir von rund 21 Millionen Euro auf 17 Millionen Euro fallen - also eine Kürzung um vier Millionen Euro. Die Hälfte davon würde das FES betreffen.
Welche Konsequenzen hätten die Einsparungen für das Institut konkret?
Im Vergleich zu den Sachkosten haben wir sehr hohe Personalkosten. Die Sparmaßnahmen würden bedeuten, dass man sich in beiden Instituten von insgesamt 40 Personen trennen müssten. Viele junge Menschen mit viel Expertise haben wir mit viel Mühe in letzter Zeit erst eingestellt. Das werden die Mitarbeiter sein, die zuerst betroffen sein werden, da der Abbau von Personal gemäß einer vorgeschriebenen Sozialauswahl geschehen müsste. Hinzu kommt, dass sich viele Mitarbeiter, die zunächst nicht unmittelbar betroffen sind, Gedanken über die Sicherheit und die Nachhaltigkeit ihres Arbeitsplatzes machen würden. Man muss klar sagen, dass man beide Institute in ihrer derzeitigen Form nicht mehr wiedererkennen würde. Man muss einfach bedenken, dass wir in vielen Bereichen die Besten ihres Fachs beschäftigt haben. Die muss man sich nach Möglichkeit schon im Studium heranziehen. Wenn die einmal auf dem freien Arbeitsmarkt sind, ist es schwer sie zu locken. Die sind bei uns nicht nur am Geld orientiert, sondern vor allem an den Aufgaben und Inhalten. Wenn das nicht mehr stattfinden kann, suchen sie sich etwas anderes.
Erwarten Sie auch Folgen für den deutschen Spitzensport bei den anstehenden Großereignissen in den nächsten Jahren?
Für die Sommersportarten sind die meisten Entwicklungsarbeiten im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Paris 2024 weitestgehend gemacht. Es geht also jetzt um die Umsetzung und die Anfertigung der Geräte. Es könnte also passieren, dass Geräte, die die Verbände erwarten, für Olympia nicht mehr geliefert werden können. Auch die Betreuung im Vorfeld der Spiele und in Paris könnte gefährdet sein, wenn das Personal nicht mehr da ist. Das wäre eine Katastrophe. Mit dieser Kürzung sorgt man dafür, dass sich die Konkurrenz im Ausland freut.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jonas Bürgener, rbb sport.
Sendung: rbb24, 28.08.23, 18 Uhr