Ärzteausbildung in Brandenburg - Viele Medizin-Unis braucht das Land

Sa 06.04.24 | 07:13 Uhr | Von Katrin Neumann
  21
Symbolbild: Studentin der Medizinischen Hochschule Brandenburg "Theodor Fontane" in Brandenburg/Havel. (Quelle: dpa/Ralf Hirschberger)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 05.04.2024 | Ismahan Alboga | Bild: dpa/Ralf Hirschberger

Seit zehn Jahren gibt es die private Medizin-Universität MHB in Brandenburg/Havel und in Neuruppin. Im Juli gründet sich eine staatliche Medizin-Uni in Cottbus. Bedeutet das kostenlose Studienangebot das Aus für das teure Privatstudium an der MHB? Von Katrin Neumann

  • Studium der Medizin, Psychologie und Zahnmedizin an privater MHB zu hohen Kosten und ohne Numerus Clausus (NC)
  • Künftige staatliche Medizin-Universität MUL in Cottbus kostenlos, aber mit NC
  • Länder wegen Ärztemangel weiterhin auf Privat-Unis angewiesen

Deutschlandweit fehlen 5.000 Medizin-Studienplätze, um den Ärztebedarf langfristig zu decken. 200 neue Studienplätze pro Jahrgang sollen an der Medizinischen Universität Lausitz – Carl Thiem (MUL) in Cottbus entstehen, die voraussichtlich im Juli gegründet wird. Die ersten Studierenden werden wohl ab 2026 den Campus in der Lausitz betreten. Entscheidend für die Aufnahme ist in der Regel die Abiturnote der Bewerber:innen.

An der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) mit Standorten in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) und Brandenburg an der Havel werden seit zehn Jahren Ärzte und Ärztinnen ausgebildet – ohne Numerus Clausus und für viel Geld. 138 Medizin- und 140 Psychologiestudierende beginnen auch dieses Jahr dort ihr Studium.

Medizinstudierende zahlen 118.000 Euro, angehende Psychologen 50.000 Euro - es sei denn, sie erhalten ein Stipendium, dann ist das Studium kostengünstiger. Aber sie verpflichten sich dafür, die anschließende mehrjährige Facharztausbildung in Brandenburg zu absolvieren.

Hoffen auf den "Bindeeffekt"

Angesichts von Befürchtungen, mit der neuen Universität in Cottbus könnte die private MHB an Bedeutung verlieren, beschwichtigt Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen): Die MHB müsse sich vor der neuen staatlichen Universität "nicht fürchten". Sie werde "weiterhin ihren Platz in Brandenburg haben", die neue staatliche Universität werde ihr "nicht das Wasser abgraben". Die Absolvierenden der MHB würden im Land sehr geschätzt, vor allem wegen ihrer praxisnahen Ausbildung.

Außerdem hätten die letzten Jahre gezeigt, dass "zwei Drittel der Absolvierenden der MHB in der Brandenburger Versorgung bleiben". Einen solchen "Bindeeffekt" erhofft sich Nonnemacher auch für die MUL in Cottbus.

Numerus Clausus nicht entscheidend

Dass es künftig ein kostenloses staatliches Medizinstudium im selben Bundesland geben wird, beunruhigt auch den Präsidenten der privaten MHB, Hans-Uwe Simon, nicht. Die Nachfrage sei groß, der Bedarf an Ärzten ebenso. "Wir machen uns keine Sorgen. Wir versuchen natürlich, uns weiterzuentwickeln mit neuen Studienangeboten. Wir schauen als MHB auf den gesellschaftlichen Bedarf, und der ist hoch."

Dass das Studium an der MHB ohne Numerus Clausus auskommt, könne dem Image des Studiums nichts anhaben. "Die Ausbildung ist top", sagt der Vizepräsident der Landesärztekammer Brandenburg, Steffen König: "Es zählen andere Faktoren als der Numerus Clausus, die mindestens genauso wichtig sind in der Medizinerausbildung." So würden Motivation, Vorerfahrung und soziales Engagement über die Aufnahme an der MHB entscheiden. Diese Kompetenzen würden auch Krankenhäuser, bei denen die Absolvierenden im Anschluss arbeiten, besonders wertschätzen, bestätigt Gesundheitsministerin Nonnemacher.

Alleinstellungsmerkmal Zahnmedizin

Die neue staatliche Medizin-Uni in Cottbus wird in den ersten 15 Jahren 3,7 Milliarden Euro kosten. 1,9 Milliarden Euro kommen vom Bund, 1,8 Milliarden Euro stemmt das Land Brandenburg. Auch die private Universität in Brandenburg und Neuruppin erhält Förderung vom Land in Höhe von 6,6 Millionen Euro pro Jahr. Daran soll sich auch mit dem Start der Lausitzer Uni nichts ändern.

Man brauche beide Standorte, MUL und MHB, die sich auch geographisch gut ergänzten, "da die MHB mit den Hauptstandorten Neuruppin und Brandenburg an der Havel den Nordwesten und das MUL den Südosten Brandenburgs abdeckt und so das Gesundheitssystem des Landes gut erforscht und weiterentwickelt werden kann", erklärt das Wissenschaftsministerium auf Anfrage von rbb24.

Außerdem habe sich die MHB mit dem neuen Studienangebot Zahnmedizin ein "Alleinstellungsmerkmal im Brandenburgischen Hochschulsystem erarbeitet", so das Ministerium weiter. Dieses Jahr legen die ersten 48 Zahnmedizinstudenten los.

Ärztemangel sorgt für Bedarf an Privat-Unis

Neben der bestehenden MHB im Nordwesten Brandenburgs und der zukünftigen MUL in Cottbus gibt es seit 2020 eine weitere private Medizin-Uni. Die HMU Potsdam ist ein Standort der mit Hauptsitz in Erfurt ansässigen Hochschule. Auch hier ist die Nachfrage groß. Landesärztekammer und Gesundheitsministerium sind sich einig, dass auch diese Ärzteausbildung langfristig bestehen bleibt. Solange es den Ärztemangel gibt, wird es auch private Medizin-Universitäten geben.

Die ersten Absolventen von der staatlichen Universität in Cottbus werden nach über sechsjähriger Ausbildung frühestens im Jahr 2032 im Gesundheitssystem ankommen.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 05.04.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Katrin Neumann

21 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 21.

    So ist es. Dazu kommt, 6 Jahre Studium, Facharztausbildung und Assistentenzeit. Schon sind mindestens 10 bis 11 Jahre vergangen.

  2. 20.

    Nun, dass mit der Etablierung eines Medizinstudiums in Cottbus dem vermeintlichen Ärztemangel insbesondere in der Brandenburger Provinz zukünftig etwas entgegengesetzt wird, halte ich für eine sehr optimistische Illusion.
    2026 sollen voraussichtlich 200 Studentinnen das Studium aufnehmen. Da es sich um eine staatliche Uni mit NC handelt, werden sich Bewerber aus ganz Deutschland melden und der Anteil der letztlich Zugelassenen, die aus der Region kommen, wird womöglich nur einen geringen Prozentsatz betragen .
    Bei einer positiven Schätzung von 10 Prozent werden 20 " Regionale" übrigbleiben. Auch wenn diese alle in Brandenburg verbleiben ( und anderweitigen " Verlockungen " standhalten) wird dies kaum die Lücken schließen.
    Landarztpraxen werden wahrscheinlich nicht vorn auf der Wunschliste stehen.
    Es wäre in diesem Zusammenhang auch interessant, wo denn die MHB - Absolventinnen landen ( es studieren auch hier nicht nur Brandenburger)

  3. 19.

    Das man jetzt endlich Kinder auf private Schulen schicken kann, private Hochschule im Anschluss finanziert und am Ende nur zahlungskräftige, privatversicherte Kundschaft bedient bzw. sich den Rest vom Staat geben lässt ist schon eine tolle Sache. Privatisierung für alle, die zahlen können, der Rest hat das neoliberale Spiel leider nicht gewonnen.

    Aber Vorsicht: In 20-30 Jahren gibts keine Boomer mehr, viel Spaß dann mit eurer leeren Praxis.

  4. 18.

    Geht es Ihnen noch gut!
    "Erst denken, dann schreiben" ...haben sie auch im persönlichen Dialog so eine unangebrachte Ausdrucksweise oder machen sie nur im unpersönlich Raum auf dicke Hose!? Sie wollen Arzt sein!!!!
    Ich bin kein Studienberater und kann nur von Fällen sprechen, die ich kenne. Und es gibt auf vielen FH's Studiengänge, die mit einem Meister belegt werden
    können. Allerdings nicht im medizinischen Bereich.

  5. 17.

    Ja, das ist möglich. Die MHB hatte auch als einer der ersten Hochschulen in der BRD einen Master- Studiengang Psychotherapie.
    Sicher ist die Ausbildung sehr zeit- und kostenaufwendig.
    Neben den Studienkosten kommt noch ein Teil der Kosten in der fachspezifischen Psychotherapieweiterbildung dazu und wer nach Abschluss einen Kassensitz anstrebt, muss in Abhängigkeit vom Niederlassungsort in Ermangelung freier Sitze und vieler Bewerber mit sehr hohen Ablösesummen rechnen , in Metropolen mittlerweile bis 6 - stellig.

  6. 15.

    Soweit ich weiß, gibt es auch eine privat zu finanzierende Studienmöglichkeit in Potsdam an der HMU, wo man neben Medizin auch Psychologie, Medizinpädagogik, Medical Controlling und Management studieren kann

  7. 14.

    Ist es denn möglich mit einem Psychologiestudium an der MHB eine Psychotherapie -Ausbildung zu machen, die einem erlaubt einen Kassensitz zu erhalten? Ansonsten sind diese privaten Unis doch Abzocke. Und muss der Studierende dann die Ausbildung mit ca. 30 000 Euro bezahlen? Das wäre in Summe 80 000 für die Ausbildung! Bis zum Alter von ca. 27 Studium und Ausbildung und dann 10 Jahre die Schulden abbezahlen, mit 37 dann erst Geld für eine Familiengründung usw

  8. 13.

    Und da gibt es in der Zahn-/Medizin bereits die Möglichkeit. Ein Meister ist hier fremd. Recherchieren, denken, dann schreiben.

  9. 12.

    Grundlegend gute Idee. Man könnte beispielsweise jemanden nach einer Ausbildung, berufsspezifisch studieren lassen. Das ist heute schon möglich, allerdings muss derjenige erst seinen Meister machen, um dann an einer FH studieren zu können. Den Weg über dem Meister könnte man weglassen (finanziell aufwendig). Wer nach einer Berufsausbildung auf das Gehalt verzichtet und nochmal die Schulbank drückt, der hat definitiv Ziele.
    Ich könnte mir beispielsweise sehr gut vorstellen, dass Erzieher nach einer Ausbildung gute Grundschullehrer werden könnten. Auch ohne Abitur.

  10. 11.

    Das verstehen sie falsch. Es geht nicht darum, dass es eine Ausbildung nicht richtig ist. Es geht darum, dass jemand aufgrund der Wartezeit später Arzt wird. Und ja, dass ist verschwendete Zeit, obgleich die Zeit sinnvoll genutzt wurde.
    Es geht im Beitag um Ärztemangel!

  11. 10.

    Was Sie denken ist weltfremd und irrelevant. Brandenburg hat in 30 Jahren keine Mediziner, Zahnmediziner und sonstige akademische Gesundheitsberufe ausgebildet. Berlin war da auch nur marginal. In den kommenden 5 Jahren sind 50 Prozent in diesen Berufsgruppen im Ruhestand. Viel Spaß bei der Terminsuche.

  12. 9.

    Wieso sollte jede Vollmeise einen Studienplatz bekommen, wenn Abitur und NC wegfallen? Abiturnoten sagen doch gar nichts über die tatsächlichen Fähigkeiten und Stärken aus und Sie nennen die Lösung bereits selbst: fachorientierte Aufnahmeprüfungen.

  13. 8.

    Damit jede Vollmeise einen Studienplatz bekommt, ihn aber wegen Unfähigkeit spätestens im 2. Semester aufgibt.
    Man benötigt schon ein fundiertes Grundwissen in Naturwissenschaften, um Medizin zu studieren.
    Meine ältere Tochter musste seinerzeit noch den Mediziertest machen, dann wurde ein freier Studienplatz zugewiesen.
    Die zweite Tochter entschied sich für eine Berufsausbildung, studierte dann ,ist heute Berufschullehrein, ein guter Einstieg mit Beruf,somit wurde ein einjähriges Praktikum erspart.

  14. 7.

    So sehe ich das auch. Studienplätze in medizinischen oder pädagogischen Fächern allein über den NC zu vergeben hilft unserer Gesellschaft nicht weiter. Ist ja in der Tiermedizin das gleiche Dilemma. Am Ende werden Personen ausgebildet, die weder menschlich noch sozial in der Lage sind, den Beruf tatsächlich vernünftig auszuüben. Das machen die privaten Unis besser, nur braucht man dafür leider Geld was den meisten perfekt geeigneten Menschen dann doch fehlt.

  15. 6.

    „und zwischendurch eine Ausbildung absolvierten und arbeiteten. Verschwendete Zeit.“

    Eine ganz schlimme, abwertende Meinung, just my II cents.

  16. 5.

    NC ist schon sehr hilfreich.

    Wer sich in der Schule nicht angestrengt hat, hat Defizite, die während der Studienzeit in naturwissenschaftlichen Studiengängen kaum aufgeholt werden können.

    Daher , pro NC.

  17. 4.

    Für angehende Ärzte, aber auch Lehrer sollte der NC nicht ausschlaggebend sein. Das sind sehr idealistische Berufe, für die eine Person eine gewisse Passion braucht. Ich könnte kein Jahr diese Berufe ausüben (hatte 1,2 NC und hätte es studieren können).

    Ich kenne so viele Ärzte, die lange Wartezeiten hinnehmen mussten und zwischendurch eine Ausbildung absolvierten und arbeiteten. Verschwendete Zeit. Hier müssen die eigene Motivation und Idealismus im Vordergrund stehen, eine gewisse Leidensfähigkeit gehört auch dazu.

    Bei Lehrern ähnlich. Die schmeißen reihenweise das Studium. Andere hätten sich vielleicht über den Platz gefreut, auch mit schlechteren NC. Insbesondere bei Grundschullehrern kommt es auf so viele Fähigkeiten an, über die ein NC nichts aussagt. Da läuft was falsch.

  18. 3.

    Nette Idee … und nun erklären sie mal wie sie das in der Praxis umsetzen wollen.
    Es gibt sagen wir mal 10.000 Plätze an den Unis …. Da jeder darf ohne Zugangsvoraussetzungen wollen dann 100.000 studieren.

  19. 2.

    Ich bezweifle, dass wir zukünftig so viele Ärztinnen benötigen. Wichtig ist m.E. doch nicht die Quantität, sondern die Qualität und Effizienz der Behandlungsangebote. Zudem ist die psychosoziale Kompetenz der zukünftigen Ärztinnen gleichermaßen wichtig.Insofern ist der Maßstab der Abiturnote beim NC wenig sinnvoll.

Nächster Artikel