Mutmaßlich linksextremistisch - Person mit deutscher Staatsangehörigkeit an Ungarn ausgeliefert

Fr 28.06.24 | 18:31 Uhr
  14
Symbolbild: Das Berliner Kammergericht in Berlin-Schöneberg.(Quelle:picture alliance/dpa-Zentralbild/S.Steinach)
picture alliance/dpa-Zentralbild/S.Steinach
Audio: rbb24 Inforadio | 28.06.2024 | Lea Busch | Bild: picture alliance/dpa-Zentralbild/S.Steinach

Am Freitagmorgen haben die Berliner Behörden eine mutmaßlich linksextremistische Person an Ungarn ausgeliefert. Nach verhängter Strafe sollte sie nach Deutschland zurückgebracht werden. Das Bundesverfassungsgericht fordert eine frühere Rückkehr.

  • Berliner Behörden haben in der Nacht zu Freitag eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit an Ungarn ausgeliefert
  • Stopp im Eilverfahren durch das Bundesverfassungsgericht kam nicht mehr rechtzeitig
  • Person soll linksextremistisch und in Ungarn an Angriffen auf Rechtsextremen beteiligt gewesen sein
  • Geplant ist, dass eine Strafe in Deutschland verbüßt wird

Eine 23 Jahre alte Person mit deutscher Staatsangehörigkeit ist am Freitagmorgen an die ungarischen Behörden zur dortigen Strafverfolgung ausgeliefert worden. Nach ARD-Informationen handelt es sich um eine Person, die sich als nonbinär versteht.

Die ungarische Behörden werfen der Person schwere Körperverletzung und die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung vor, teilten die Berliner Strafverfolgungsbehörden am Freitag mit. Daher hätten sie um die Festnahme durch die deutschen Behörden und um Auslieferung gebeten.

Allerdings forderte noch am Freitagvormittag das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren, die Auslieferung müsse wieder rückgängig gemacht werden. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft müsse erwirken, dass der deutsche Staatsangehörige zurück in die Bundesrepublik gebracht wird, entschied das Gericht am Freitagvormittag in Karlsruhe.

Vorwurf: Sympathisanten der rechtsextremen Szene verletzt

Die ungarischen Behörden werfen der Person vor, seit 2017 Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein, die zum Ziel gehabt habe, Rechtsextreme anzugreifen. Die ausgelieferte Person soll im Februar 2023 nach Informationen von NDR und WDR in Ungarns Hauptstadt Budapest Angriffe auf Teilnehmer eines rechtsextremen Gedenkmarsches begangen haben. Am Wochenende des Aufmarschs wurden demnach mehrere Rechtsextreme zusammengeschlagen und dabei zum Teil erheblich verletzt.

Auch die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt in dem Komplex. Ende März dieses Jahres hatte den Angaben von NDR und WDR zufolge der Generalbundesanwalt einen eigenen Haftbefehl gegen die 23-jährige Person wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung erwirkt. Auch die Karlsruher Behörde geht demnach davon aus, dass die Person Teil einer Gruppierung ist, die sich in Ungarn zum Ziel gesetzt hatte "mit Gewalt gegen Angehörige des politisch rechten Spektrums vorzugehen".

Strafe soll in Deutschland verbüßt werden

Nach der Auslieferung gab das Bundesverfassungsgericht eine Übersicht über die Abläufe vom Freitag. Danach habe der Anwalt den Beschluss des Berliner Kammergerichts, welcher die Auslieferung erlaubte, am späten Donnerstagnachmittag erhalten. In der Nacht sei dann mit der Überstellung begonnen worden.

Am Freitagvormittag entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Übergabe an Ungarn vorläufig ausgesetzt wird und die Berliner Generalstaatsanwaltschaft informiert. Zu diesem Zeitpunkt war die Auslieferung aber schon vollzogen.

Die Berliner Behörden hatten erklärt, die deutsche Staatsangehörigkeit stehe "der Auslieferung nicht entgegen, da vorliegend eine Rücküberstellung zur Vollstreckung der Strafe ins Bundesgebiet ausdrücklich seitens der Republik Ungarn zugesichert worden sei". Die Vorwürfe hätten auch "einen maßgeblichen Auslandsbezug". Die ungarischen Behörden hätten den deutschen Behörden zudem menschenrechtskonforme Haftbedingungen zugesichert.

In einer Pressemitteilung rechtfertigte sich die Generalstaatsanwaltschaft für die Auslieferung und verwies auf die zeitlichen Abläufe. Außerdem sehe sie keinen "Auftrag (...), die Rückführung aus der Republik Ungarn zu erwirken".

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.06.2024, 16:00

14 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 14.

    Fakt ist dass Berliner Behörden die Verfassung brechen und gleichzeitig Rechtsextremisten verschonen, indem sie aktiv eine Verurteilung verhindern.

    Es ist halt eindeutg auf welcher Seite die deutsche Polizei und Justiz stehen.

  2. 13.

    Richtig! Wer mit Hämmern auf Andere einschlägt und dafür extra nach Ungarn reist, darf gerne auch das dortige Vollzugssystem genießen. Es handelt sich hier nicht um eine Lappalie, sondern um schwerste Straftaten, egal wer das Opfer ist.

  3. 12.

    Ungarn hat ja wohl ein Recht auf Strafverfolgung wenn im Land erhebliche Straftaten begangen werden, auch von Ausländern. Es muß davon ausgegangen werden, dass der Täter einen fairen Prozess im Tatland bekommt, hoffentlich der Tat angemessen.
    Aber warum zum Teufel soll er die Strafe in Deutschland verbüßen ??? Der deutsche Steuerzahler muss dann dafür die Zeche zahlen, dass der Täter ins Deutsche Justizhotel darf. Die Person hat doch gewusst was sie tat, dafür hat sie dann auch die vollen Kons

  4. 11.

    Es war eine schwere Körperverletzung, eine eindeutig politisch motivierte Straftat in Ungarn begangen, ergo ist das Strafverfahren in Ungarn zu führen, übrigens, innerhalb der EU üblich.

  5. 10.

    Die Frage nach "fairen Verfahren" kann man übrigens auch in Deutschland stellen. Es kommt immer darauf an, welche Parteibücher oder welcher Couleur die Akteure angehören. Das ist auch nicht neu und liegt in der Natur der Sache. Die absolute Neutralität und Gerechtigkeit gibt es nicht.

  6. 9.

    Die Quintessenz lautet, linksextreme und mutmaßlich Kriminelle werden europaweit verfolgt, meine Empfehlung an die Empörten, die die Auslieferung der Person an Ungarn verurteilen, einfach mal die Füße stillhalten und schauen, wie die ungarische Justiz den Fall korrekt rechtstaatlich abarbeitet. Ich habe da großes Vertrauen. Ab Juli übernimmt Ungarn turnusmäßig den Vorsitz im Rat der EU. Die Minister von Orbans Regierungspartei Fidesz bestimmen dann sechs Monate lang die Agenda für die Treffen mit ihren Amtskollegen in den Runden der Fachminister.

  7. 8.

    Naja, der Ungarn Knast ist mit Sicherheit auch kein Marzipanbrot. Und die ungarischen Medien machen ggf. eine schöne Welle aus dem Ganzen.

  8. 6.

    Hat die EU nicht ein Verfahren gegen Ungarn eingeleitet, gerade weil Ungarn unter V. Orban das Rechtsstaatprinzip verletzt?
    Da hätte ich als Berliner JustizBehörde zumindest dezente Zweifel, ob die angeschuldigte Person in Ungarn ein "faires Verfahren" bekommt.
    Es ist auch reichlich dreist, absichtlich Tatsachen zu schaffen, um die Durchführung einer Entscheidung vom BVerfG zu verhindern.
    Dazu paßt die Nacht- & Nebenaktion, mit der die Person erst nach Österreich und dann nach Ungarn verbracht wurde, während der Anwalt keinen Kontakt zu seinem/r Mandanten/in mehr halten konnte!

    Die Taz hat auch einige ausführlichere Artikel dazu geschrieben.

    Was bleibt, ist ein übler Nachgeschmack:
    Während der Staat Rechtsextremisten erst dann verfolgt und anklagt (siehe Reuss & Co), wenn sie Deutschlands demokratische Ordnung zerstören wollen, reicht es bei Antifaschisten bereits aus, wenn sie Körperverletzungen begehen, um sie an Ungarn auszuliefern.

  9. 5.

    Vielleicht mal wieder nicht die typisch linke Opfer Täter Umkehr machen, diese Person hat andere Menschen brutal zusammengeschlagen, Stichwort Hammerbande !

  10. 4.

    Bliebe mal wieder der Spagat, Ungarn als Teil der Europäischen Union zu respektieren und Ungarn dennoch eine niedrigere Qualität in puncto Rechtsstaat zu bescheinigen.

    Wer wollte genau das justiziabel machen?

  11. 3.

    Artikel 16 (2)
    Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

  12. 2.

    Hammerbande? Warum gibt es keinen Namen?

  13. 1.

    Hieß es nicht mal, dass wir generell keine Bundesbürger ausliefern? Bin jetzt ein wenig erstaunt... Der Prozess hätte doch auch in Deutschland stattfinden können. Was sagen denn Strafrechtler dazu?

    Also dass die Person möglicherweise kein Unschuldsengel ist, davon muss man wohl ausgehen. Aber bei Ungarn hätte ich schon Zweifel, was die Rechtsstaatlichkeit angeht.

Nächster Artikel